Was als Ein-Mann-Projekt und virtuelle Band am Computer begann bringt Gitarrist Lars Bartkuhn längst als Passion Dance Orchestra auf die Bühne. Wie zum Beispiel am Samstag, 17.1. im Hafen 2 in Offenbach.
Interview: Detlef Kinsler /
JOURNAL FRANKFURT: Viele kennen Dich und Deine Musik noch gar nicht obwohl Du Frankfurter bist, hier ein eigenes Label betrieben hast und im Robert Johnson aufgelegt hast ...
Lars Bartkuhn: No problem, ich war oft der Mann im Hintergrund, z.B. auch bei unserem Label Needs mit dem wir ab der Jahrtausendwende ordentlich gearbeitet haben, hat es Jahre gedauert, bis ich mich mal als Produzent, Komponist und Musiker des Ganzen geoutet habe ...
Wer googelt entdeckt, dass Du schon einmal mit Band im Hafen2 warst und das zu Michael Rüthens 44. Geburtstag. Das er ein Jahrgang 65 ist, war das dann noch unter der alten Adresse ...
Stimmt, das war übrigens ein sehr schöner Abend, bei dem auch noch Rainer Trüby mit am Start war, der übrigens von meiner neuen Scheibe auch wieder mit ordentlich Support dabei ist!
Seit wann firmierst Du denn nun unter Passion Dance Orchestra? Denn Deine ältere CD „The New Continent“ hast Du ja noch nicht unter dem Logo Passion Dance Orchestra veröffentlicht?
Ach die Sache mit den Namen der Projekte ... PDO (um es mal kürzer zu halten) gibt es seit meiner 12 Inch „Worlds“, die unser größter Hit auf Needs war. Die Idee war ein gewisses größenwahnsinniges Anliegen: Ich wollte wie immer alles alleine machen und dabei den größtmöglichen Sound erzeugen. Eine Art virtueller Allstar Band mit Orchester, die alle meine Vorlieben zwischen House, Soundtrack, Jazz, Brasil, etc. zu einer kosmischen Melange alchemiert. Bei „The New Continent“ auf Sonar Kollektiv war ich zwar recht dicht an diesem Sound dran, aber irgendwie war der in diesem Fall doch konkret retroartiger und daher wollte ich nicht unter diesem Projektnamen handeln. Jetzt ist es ja auch ein Bandprojekt – wie hat es sich in Etappen dahin entwickelt?
Genau, aber der Albumkünstler, um es mal konfus zu machen, bin ja immer noch ich. Das war eine Labelentscheidung, um den Macher Lars etwas mehr in den Mittelpunkt zu stellen. Es ist ja auch 100% mein Baby. Das Album heißt „Passion Dance Orchestra“, weil der Traum von damals gewissermaßen nun Realität geworden ist. Das PDO aus meinem Kopf hat sich in einer physisch greifbaren Gemeinschaft manifestiert. Deswegen sollte das auch der Albumtitel sein.
Die Liste Deiner Einflüsse auf facebook ist so beachtlich wie divers. Ausdruck des oft zitierten „passionate music lovers“ und vielleicht ja auch der Versuch bei der Beurteilung der eigenen Musik einer Schublade zu entgehen?
Um ganz ehrlich zu sein: Das ist nur ein Ausschnitt aus meiner Sammlung an wichtigen Künstlern und Einflüssen, aber natürlich sind da schon viele der ganz Großen dabei. Ich versuche mit der Liste gar nichts zu erreichen, sondern habe einfach mal in mich geschaut und drauf losgetippt. Ursprünglich mag das mal eine Art Protesthaltung gewesen sein, dass ich in einer Phase, als sich alle auf gerade mal einen Sound spezialisiert haben, mich gewissermaßen der ganzen Welt der Klänge geöffnet habe. In der heutigen eklektisch und postpostmodern geprägten Onlinewelt ist mein Geschmack ja gar nicht mehr exotisch, sondern fast schon Common sense, und alle waren sich natürlich schon immer sicher, wie wichtig all diese Heroes sind ;-)
Mit den Beatles und den Beach Boys aufgewachsen schrieb der Gitarrist seine erste eigene Musik mit Synthesizer und Sequencer. Ein erster Widerspruchfür die, die eher eindimensional denken. Genauso wie die House und Jazz, Dancefloor und Konzertbühne schwerlich unter einen Hut bringen konnten ... Nicht so aber für den Freigeist?!
Ja, der Freigeist trifft es schon ziemlich gut. Wer diese Fusion nicht verkraftet, weil sein oder ihr enges Weltbild dies einfach nicht zulassen will, der ist bei meiner Musik definitiv am falschen Ort. Synthesizer und Sequenzer waren einfach die Instrumente, auf die ich schon als Junge Zugriff hatte und mit denen man seine Ideen als eher introvertierter Typ am Besten ausdrücken konnte. Ich spielte auch früh Gitarre, doch die Bands in meiner Gegend, mit denen ich unterwegs war, kamen mir zu limitiert vor, als dass ich mit ihnen meine Stücke zum Besten geben wollte … Daher die Nerd-Sessions allein zu Hause mit den elektronischen Geräten.
Schon für „The New Continent“ wurde die Selbstverständlichkeit gelobt, mit der Du Bach. Bossa, Pop, Ambient, ECM-Jazz, Downbeat, Drum'n'Bass und House zu einer eigenen Musik verschmelzen ließt. Nur Brasilianer schaffen das sonst, z.B. europäische Klassik, amerikanischen Jazz und den vielfältigen Folk des eigenen Landes in einem gemeinsamen Groove zu verbinden. Ab wann stand Deine Musik auch unter dem Einfluss Brasiliens, wie kamst Du dahin (und warum so tief ins Landesinnere wo es doch alle immer ans Meer zieht), und welche Rolle spielt Frankfurt noch in Deinem Leben?
Ich habe noch einen Wohnsitz in Frankfurt und werde dort mit meiner Familie auch wieder fest leben. Momentan sind jedoch wieder in der Heimat meiner Frau. Na ja, und die sind leider nicht am Meer angesiedelt. Brasilien spielte in meiner Sozialisation immer eine große Rolle. Ich liebte schon immer die Musik und wurde tiefgreifend von der Komplexität, den Harmonien und lyrischen Melodien meiner dortigen Helden beeinflusst. Ich liebe zwar auch das offensichtliche Zeug, aber noch viel mehr bin ich in die Werke von Künstlern eingetaucht, die außerhalb Brasilien kaum einer kennt und die nur bei Nerds rund um die Welt ebenso respektiert werden. So absurd es klingen mag: das neue Album hat eigentlich recht wenig mit Brasilien zu tun, zumindest in klischeetechnischer Hinsicht. Der Sound ist doch eher nordisch europäisch und spiegelt meine tatsächliche Heimat wider. Auf der anderen Seite gibt es aber harmonische und melodische Vielfalt ohne Ende, und das wiederum ist eine übergeordnete Gemeinsamkeit ...
Die Aufnahmen mit der Band für die neue CD entstanden ja in Frankfurt, das Kammermusikalische wurde in Curitíba aufgenommen. Was war der Reiz dieser zusätzlichen Orchestrierung Deiner Musik und wie setzt Du die jetzt live um?
Ja, die Idee war es, über diesen interkulturellen Faktor noch mehr Vielfalt und Farbe in die Musik zu bringen. und ganz ehrlich: Ich habe hier in Brasilien ganz gute Kontakte, durch die die Orchesterproduktion etwas bezahlbarer wurde - obwohl es immer noch viel zu teuer war, haha. Live arbeiten wir mit zwei wunderbaren Keyboardern zusammen, und ich spiele neben meinen vielen verschiedenen Gitarren auch noch Synthesizer und Sampler. Die Band besteht aus Lars Duppler, Klavier (Nils Wülker und Bandleader in eigener Sache), Helmuth Fass, Bass (Inga Lühning, Drei Vom Rhein, Sebastian Sturm), Christian Frentzen, Keyboards (Jule Neigel), Niklas Schneider, Drums (eigene Band Ray Novacane) und schließlich meine Wenigkeit: Gitarren, Synths und Sampler, Gesang.
Weil sein Hobby schon früh zum Beruf wurde, ist Fotografieren eine weitere Leidenschaft des Journal-Frankfurt-Musikredakteurs, der außerdem regelmäßig über Frauenfußball schreibt.