Laurie Anderson bei der B3 Biennale

Die Stimme des amerikanischen Gewissens

Favorisieren Teilen Teilen

Nach dem Tod ihres Mannes Lou Reed war lange nicht klar, ob Laurie Anderson ihre Termine in Frankfurt wahrnehmen würde. Erst Donnerstag kam die Zusage. So sahen die Fans eine wirklich schöne Performance.

Detlef Kinsler /

„Ausverkauft!“ Wer sich erst zeitnah zum Auftritt von Laurie Anderson am Sonntagabend um ein Ticket kümmern wollte, hatte Pech. Das Kontingent war weg. Und dann standen eine halbe Stunde vor Beginn erst nur wenige Menschen vor dem Gibson auf der Zeil im Nieselregen. Die Rollgitter waren noch geschlossen, wurden erst 15 Minuten vor dem geplanten Konzertbeginn geöffnet und dann gab es erst mal Staus vor den drei Gästelisten. Im Keller dann die Erklärung. Die Tanzfläche war bestuhlt, die Kapazität von 800 Besuchern wie sonst bei Konzerten kein Thema. So war aber auch eine ganz besondere Atmosphäre sicher gestellt, für ein eigentlich leises Event mit konzentriert lauschendem Publikum. Mit Einschränkungen, denn die Klimaanlage war meist lauter als die der Performance unterlegten Keyboardflächen. Und wer links in der Nähe der Bar (respektvoll kein Ausschank während des Auftritts) stand, hörte Geräusche wie aus einer Großküche wo Geschirr mit viel Druck aus Düsen gespült und getrocknet werden, dazu noch quietschende Türen, puh. Also besser mittig stellen und voll auf die Musik konzentrieren.

Die konnte man, zumal mit Lou Reeds Tod im Kopf (Laurie Andersons Ehemann war am Sonntag letzter Woche im Alter von 71 Jahren gestorben und bis Donnerstag war nicht klar, ob sie zur B3 Biennale kommen würde), als elegisch interpretieren, auch weil die Bühne (ein Sessel, eine kleine Leinwand auf Stativ, ein kleines Keyboard, ein Laptop) mit Kerzen in Gläsern übersäht war. Jeder einzelnen wird es für sich interpretiert haben, aber ganz sicher hatte Laurie Anderson den Abend nicht als Requiem angelegt. Dass sie wie geplant kommen konnte (und wollte), lag sicher auch daran, dass sich das Ehepaar, seit 2008 verheiratet, im Frieden trennen und Abschied nehmen konnte. Vor den Toren New Yorks am Atlantik in der Natur wo die beiden Stadtmenschen ihr spirituelles Zuhause gefunden hatten. Im East Hampton Star wendete sie sich an ihre Nachbarn: „Lou war ein Tai Chi-Meister und er verbrachte seine letzten Tage glücklich und geblendet von der Schönheit, der Kraft und der Sanftheit der Natur.“ Ähnlich friedvoll die Stimmung im Gibson. „Das neue Erzählen“, so das Leitmotiv der Biennale, hat bei der immer mit Innovation assoziierten und interdisziplinär arbeitenden Künstlerin fast den Charakter einer Märchenstunde. Vor allem wenn es sich Anderson mit ihrem im typischen Laurie-Duktus gesprochenen Textzeilen im Ohrensessel bequem machte. Aber von Fiktion und Fairy tales keine Spur. Andersons Selbstverständnis ist das eines Journalisten. „Ich singe über das, was aktuell um uns herum passiert“, will sie die „Stimme des amerikanischen Gewissens“ bleiben. Da hat sie Themen genug bei all dem was in ihrem Land oder im Namen der USA in der Welt geschieht.


Anzeige
Anzeige

Mehr Kultur-News

Anzeige
Anzeige
Anzeige

Kalender

Anzeige