Kaye-Ree: Soul von Bach bis Rap

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Detlef Kinsler /

kaye_reeSelbst auf die Gefahr hin, jetzt als Snob zu gelten... Es geht doch nichts über exklusive kleine Konzerte, über die man nur per Mail oder SMS – am besten vom Künstler selbst – erfahren hat und die man dann in kleinsten Kreis genießen kann. So geschehen am Sonntagabend im Berger’s bei einem Auftritt von Kaye-Ree, nur Stimme zu akustischer Gitarre. Leise Musik in einer gut gefüllten Café-Bar-Lounge, mittendrin eine Geburtstagsgesellschaft – kann das gut gehen? Und wie: denn es war beim ersten Set mucksmäuschenstill im Raum, trotz Service, trotz Fingerfood und Longdrinks. So still, dass selbst die Sängerin ernsthaft überrascht war und sich für so viel Konzentration bedankte.

Ok – es waren viele Freunde und Kollegen von Kaye-Ree da, aber das allein schafft nicht diese Art der Aufmerksamkeit. Die Sängerin schafft das mit ihrer Präsenz, ihrer Aura, ihrer Stimme, ihrem Talent, jedem im Raum das Gefühl zu geben, sie spreche genau ihn/sie an, singe für jeden einzelnen Gast. Da werden die Augen geschlossen, da wird mitgeträumt, mitempfunden, auch mitgesungen. Im Mai endlich soll das längst fertig gestellte Album der Deutsch-Perserin veröffentlicht werden. „Endless Melody“, darauf Songs höchst unterschiedlicher Couleur, Bandbreite Ballade bis Dancetrack, acoustic performance und DJ-Ästhetik. Live, zumindest im Duo (mit kompletter Band habe ich es noch nicht gesehen), ist der Schwerpunkt klar gesetzt. Felix Justen, Autor vieler Kaye-Ree-Songs, begleitet sie als grauhaariger Souverän an der Nylon String Gitarre, klassische Haltung, klassisch geprägtes Spiel.

Was ist das für Musik? Vielleicht acoustic soul. Soul auf alle Fälle. Im wahrsten Sinne des Wortes. Denn Kaye-Ree singt tief aus dem Herzen, öffnet dabei ihre Seele, beherrscht die Nuancen, hat Dynamik in ihrem Gesang. Keine nervigen „Koloraturen“ wie bei vielen angesagten US-R&B-Diven, oft eher zurück genommen, aber dadurch nicht mehr intensiv, und vor allem nah. Wenn die Beiden das Tempo forcieren, klingt es mitunter wie eine ganz eigene Version von Bossa („On My Way“). Wahrscheinlich hat Justen auch Villa-Lobos drauf und liebt Kammermusikalisches (er spielt für das Geburtstagkind auch eine eigene „Etude“) und hat einen Draht zu Flamenco. Weiß man, dass Kaye-Ree in Zukunft gerne auch Elemente ihrer persischen Roots aufgreifen will, kann das via Nordafrika und den Nahen Osten zu einer interessanten musikalischen Reise werden. Wenn ich da an die außergewöhnlichen Crossover-Produktion der in London geborenen indischen Sängerin Najma denke, die – gemeinsa
m mit Jazz- und Rockmusikern – auf eine uralten Lied- und Lyrikform, Ghazals, zurückgriff – aus dem 8.(!) Jahrhundert in Persien.

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Aber zurück zur Gegenwart. Da macht ein Songpart deutlich, was selbst in dieser kleinen Duoform alles möglich ist. Eine Rap-Passage unterlegt von einer Gitarre, die nicht von ungefähr nach Johann Sebastian Bach zu klingen scheint. Und dass das homogen zusammengeht, zeugt vom kongenialen Zusammenspiel der Beiden. Obwohl keine der Kompositionen trivial und banal auf Hit mit Hook getrimmt wirkt, zeigen sie Wirkung und haben einige der Refrains doch das Potential, den Menschen im Ohr zu bleiben. Weil die Melodie, der Gesang sie zwar subtiler, aber dennoch direkt erreicht und dabei wirklich berührt hat, allen voran „Endless Melody“, wohl auch die erste Singleauskopplung im April, aber auch „Outta My Mind“ oder „They Say“.

Foto: Detlef Kinsler


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