Das Museum Angewandte Kunst zeigt 108 Begegnungen mit Buddha - und entschlüsselt ein Klischee. Wir sehen ihn vielarmig, abgemagert oder füllig – und gewinnen die Erkenntnis, wie schön undogmatischer Glaube sein kann.
Nils Bremer /
Stephan von der Schulenburg war in Japan unterwegs, in Kamakura schien die Sonne, ein stahlblauer Himmel und mitten zwischen Hügeln bot sich der Blick auf jene gewaltige Buddhastatue aus Bronze, freistehend, beeindruckend, ihr Bau einst ein nationales Projekt. "Die Buddha-Ausstellung müssen wir jetzt mal machen", dachte der Kurator. Im Tibethaus fand man schnell einen tatkräftigen Partner und nicht zuletzt konnte das Museum Angewandte Kunst auf seine eigene Sammlung von Buddhafiguren zurückgreifen, gut 100 befinden sich im Depot - 20 von ihnen sind in der aktuellen Schau zu sehen. Der Rest der 108 Exponate stammt von Sammlern und zeigt die vielen Gesichter des indischen Fürstensohns, der im Alter von 29 Jahre seine Familie für eine sechsjährige Askese zurücklässt. Auch den bis auf die Knochen abgemagerten Buddha sieht man im Museum Angewandte Kunst – mit den Sehgewohnheiten der Besucher räumt die Ausstellung gehörig auf. Zugleich zeigt sie in den 108 Begegnungen, wie Buddha, diese hochspirituelle Figur, im Grunde nur ein Mensch ist, als Mensch dargestellt wurde. Das passt zu aktuellen Lesarten des Buddhismus, wonach in jedem Menschen ein Buddha steckt, ohnehin überall in der Welt, in jeder Blume, in jedem Stein. Wer erleuchtet ist, der hat die Kraft dies zu erkennen. So gesehen gibt es unendlich viele Buddhas - und keine rechthaberische Instanz, die uns sagt, wie wir unsere Spiritualität zu sehen haben. Weniger Dogmatismus war nie in einer Religion. So gestaltet sich beim Betrachter auch dieser Gedanke: Wie dringend es doch geboten wäre, sich mit der Lehre Siddhartha Gautamas zu beschäftigen.
Warum 108 Bildnisse? Die Zahl gilt in der buddhistischen Lehre als eine heilige Zahl, versinnbildlicht sie doch die 108 Bände der gesammelten Lehren des Gautama Buddha. In den buddhistischen Tempeln Japans wird in der letzten Nacht des Jahres die Tempelglocke 108 mal angeschlagen - jeder Schlag steht für eine der 108 irdischen Versuchungen, die es auf dem Weg ins Nirvana hinter sich zu lassen gilt.
>> Buddha. 108 Begegnungen Museum Angewandte Kunst, Schaumainkai 17, bis 7. Juni 2015