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Umstrittenes Urteil
Verwaltungsgericht: Blockupy-Polizeieinsatz rechtmäßig
Am 1. Juni 2013 brachte die Polizei die Blockupy-Demo zum Halt und kesselte gut 1000 Menschen ein. Zu Recht, wie jetzt das Verwaltungsgericht entschied. Ein Urteil, das uns ratlos zurücklässt.
Das Land Hessen hat gewonnen, Werner Rätz ist unterlegen. Zumindest juristisch. Dabei war der Kläger, der die Blockupy-Demo am 1. Juni vergangenen Jahres angemeldet hatte, noch während des Prozesstages guter Dinge, kündigte aber vorsorglich an, auch zur nächsten Instanz zu ziehen. Das muss er nun auch, denn das Frankfurter Verwaltungsgericht hat entschieden: Der Polizeikessel während der Blockupy-Demonstration war rechtmäßig. "Es musste eingegriffen werden", so Richter und Verwaltungsgerichtspräsident Rainald Gerster. Das Urteil stützt sich auf eine Videoaufnahme, auf der zu sehen ist, wie in den Reihen der Demonstration zwei Knallkörper gezündet werden - und dann erst die Polizei eingreift.
Ob der anschließende Polizeieinsatz verhältnismäßig war, darüber darf man jedoch getrost geteilter Meinung sein. Auf den Videoaufnahmen aus einem Polizeihubschrauber, die auch während des Prozesses gezeigt wurden, ist schön zu sehen, wie ein friedlicher Demonstrationszug von der Polizei eingekesselt wird – dann fangen die Probleme an. Über 1500 Beamte wurden binnen weniger Minuten zusammengezogen, dass dies keine spontane Entscheidung war, hob auch der Richter hervor. "Das war lange geplant", sagte Gerster. Eine Einschätzung, die die Polizei selbst vor Gericht teilte. Die Entscheidung darüber sei schon am frühen Morgen gefallen, nicht erst acht Minuten nach dem Beginn der Demo.
Das Vorgehen der Polizei hatte massive Kritik hervorgerufen. Selbst die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sah sich damals bemüßigt, einen Brief an den damals zuständigen Innenminister Boris Rhein (CDU) zu schicken. Die Polizei hatte gut 1000 Demonstranten eingekesselt, setzte großzügig Reizgas ein, auch gegen berichterstattende Journalisten. Zehn Stunden wurden die Demonstranten festgehalten. Die Polizei wollte deren Personalien feststellen, die Demo-Leitung lehnte das ab. Vorher hatte die schwarz-grüne Stadtregierung noch versucht, die Demonstration auf einen anderen Weg als an der EZB vorbei zu führen – bis vor den Verwaltungsgerichtshof zog die Stadt Frankfurt. Der entschied schließlich, dass "dass es keine nachweisbaren Belege für die Gefahrenprognose der Ordnungsbehörden gäbe." Ungeachtet dessen hielt die Polizeiführung an ihrem Plan fest, den Demonstrationszug an einer vorher festgelegten Stelle zu stoppen.
Das rabiate Vorgehen der Polizei an diesem Tag spielte gleichwohl vor dem Verwaltungsgericht keine Rolle. Durfte es auch nicht. Der achte Senat des Verwaltungsgerichtshofes in Kassel hatte entschieden, dass sich das Frankfurter Amtsgericht mit diesen Klagen beschäftigen müsse. Eine Rechtsauffassung, die der Verwaltungsgerichtspräsident am Montag als "abwegig" bezeichnete. Er sah aber, dass es klare Verstöße gegen die Auflagen gegeben habe - etwa gegen das Vermummungsverbot oder das Zünden von Feuerwerkskörpern. Das sei weit entfernt vom Tatbestand der Landfriedensbruchs, aber eben doch eine Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit.
Unter den zahlreichen Prozessbeobachtern sorgte das Urteil für Unmut. Und nicht nur das: Die Videoaufnahmen, die letztlich zum Urteil führten, stammten sämtlich aus den digitalen Augen der Polizei. "Das ist einseitig", sagte die Anwältin von Herrn Rätz. Es gebe durchaus weitere Quellen, darunter etwa auch Videoaufnahmen des Hessischen Rundfunks. "Die Gegenseite würde sich genauso beschweren, wenn das Gericht lediglich Videoaufnahmen aus Sicht der Demonstranten zeigen würde." Ein Teil der bei Gericht eingereichten Videoaufnahmen stamme zudem aus dem Fundus eines gewissen Christian Jung. Er ist Betreiber der Internetseite blu-News, die Anwältin bezeichnet ihn als "rechtsaußen" und als nicht unabhängigen Beobachter der Demonstration. Jung war bayerischer Landesvorsitzender der Partei "Die Freiheit" gewesen, eine Gruppierung, die unter anderem den Islam als totalitäre Ideologie bezeichnet und auch ansonsten nicht eben als unpopulistische Kraft von sich Reden macht.
Nun, dies alles half nichts. Werner Rätz wird weiterziehen müssen, um wenigstens auf dem Papier bestätigt zu sehen, dass das Vorgehen der Polizei der Versammlungsfreiheit irgendwie zuwiderlief. Im Herbst kehrt Blockupy nach Frankfurt zurück – hoffnungsfroh mag stimmen, dass die Polizei ein kommunikativeres Verhalten an den Tag legen will und schon mal die Deeskalation übt. Was unsere Hoffnung schon wieder dämpft, denn wer deeskalieren will, der geht ja schon davon aus, dass die Lage eskaliert. Das Vertrauen, soviel immerhin ist sicher, ist seit der Demonstration im vergangenen Jahr erst einmal dahin. Auf beiden Seiten.
Ob der anschließende Polizeieinsatz verhältnismäßig war, darüber darf man jedoch getrost geteilter Meinung sein. Auf den Videoaufnahmen aus einem Polizeihubschrauber, die auch während des Prozesses gezeigt wurden, ist schön zu sehen, wie ein friedlicher Demonstrationszug von der Polizei eingekesselt wird – dann fangen die Probleme an. Über 1500 Beamte wurden binnen weniger Minuten zusammengezogen, dass dies keine spontane Entscheidung war, hob auch der Richter hervor. "Das war lange geplant", sagte Gerster. Eine Einschätzung, die die Polizei selbst vor Gericht teilte. Die Entscheidung darüber sei schon am frühen Morgen gefallen, nicht erst acht Minuten nach dem Beginn der Demo.
Das Vorgehen der Polizei hatte massive Kritik hervorgerufen. Selbst die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sah sich damals bemüßigt, einen Brief an den damals zuständigen Innenminister Boris Rhein (CDU) zu schicken. Die Polizei hatte gut 1000 Demonstranten eingekesselt, setzte großzügig Reizgas ein, auch gegen berichterstattende Journalisten. Zehn Stunden wurden die Demonstranten festgehalten. Die Polizei wollte deren Personalien feststellen, die Demo-Leitung lehnte das ab. Vorher hatte die schwarz-grüne Stadtregierung noch versucht, die Demonstration auf einen anderen Weg als an der EZB vorbei zu führen – bis vor den Verwaltungsgerichtshof zog die Stadt Frankfurt. Der entschied schließlich, dass "dass es keine nachweisbaren Belege für die Gefahrenprognose der Ordnungsbehörden gäbe." Ungeachtet dessen hielt die Polizeiführung an ihrem Plan fest, den Demonstrationszug an einer vorher festgelegten Stelle zu stoppen.
Das rabiate Vorgehen der Polizei an diesem Tag spielte gleichwohl vor dem Verwaltungsgericht keine Rolle. Durfte es auch nicht. Der achte Senat des Verwaltungsgerichtshofes in Kassel hatte entschieden, dass sich das Frankfurter Amtsgericht mit diesen Klagen beschäftigen müsse. Eine Rechtsauffassung, die der Verwaltungsgerichtspräsident am Montag als "abwegig" bezeichnete. Er sah aber, dass es klare Verstöße gegen die Auflagen gegeben habe - etwa gegen das Vermummungsverbot oder das Zünden von Feuerwerkskörpern. Das sei weit entfernt vom Tatbestand der Landfriedensbruchs, aber eben doch eine Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit.
Unter den zahlreichen Prozessbeobachtern sorgte das Urteil für Unmut. Und nicht nur das: Die Videoaufnahmen, die letztlich zum Urteil führten, stammten sämtlich aus den digitalen Augen der Polizei. "Das ist einseitig", sagte die Anwältin von Herrn Rätz. Es gebe durchaus weitere Quellen, darunter etwa auch Videoaufnahmen des Hessischen Rundfunks. "Die Gegenseite würde sich genauso beschweren, wenn das Gericht lediglich Videoaufnahmen aus Sicht der Demonstranten zeigen würde." Ein Teil der bei Gericht eingereichten Videoaufnahmen stamme zudem aus dem Fundus eines gewissen Christian Jung. Er ist Betreiber der Internetseite blu-News, die Anwältin bezeichnet ihn als "rechtsaußen" und als nicht unabhängigen Beobachter der Demonstration. Jung war bayerischer Landesvorsitzender der Partei "Die Freiheit" gewesen, eine Gruppierung, die unter anderem den Islam als totalitäre Ideologie bezeichnet und auch ansonsten nicht eben als unpopulistische Kraft von sich Reden macht.
Nun, dies alles half nichts. Werner Rätz wird weiterziehen müssen, um wenigstens auf dem Papier bestätigt zu sehen, dass das Vorgehen der Polizei der Versammlungsfreiheit irgendwie zuwiderlief. Im Herbst kehrt Blockupy nach Frankfurt zurück – hoffnungsfroh mag stimmen, dass die Polizei ein kommunikativeres Verhalten an den Tag legen will und schon mal die Deeskalation übt. Was unsere Hoffnung schon wieder dämpft, denn wer deeskalieren will, der geht ja schon davon aus, dass die Lage eskaliert. Das Vertrauen, soviel immerhin ist sicher, ist seit der Demonstration im vergangenen Jahr erst einmal dahin. Auf beiden Seiten.
24. Juni 2014, 11.41 Uhr
Nils Bremer
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