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Schluss mit der Rivalität
Offenbach und Frankfurt - wo bitte ist das Problem?
60 Jahre ist Offenbach schon eine Großstadt. Zeit, sie nicht mehr als kleine Schwester von Frankfurt zu sehen. Und Zeit, Vorurteile über Bord zu werfen. Meint unser Autor, der sie sich lange genug anhören musste.
Offenbach ist grün. Jedenfalls in dem Modell, das die Stadt, die damals ein Dorf war, um 1800 zeigt. 6000 Einwohner stark, ein ländliches Fleckchen vor den Toren der Handels- und Messestadt Frankfurt. Eine Residenz der Grafen und Fürsten zu Isenburg und Büdingen mit Schloss, Gartenanlagen und idyllischer Atmosphäre. Das Modell steht im Museum des Hauses der Stadtgeschichte. Wer nach den Wurzeln der geradezu sprichwörtlichen Rivalität zwischen Frankfurt und seinem kleinen Nachbarn Offenbach sucht, der findet sie hier. „Asozial“ seien die da drüben, so hört man es oft in Frankfurter Apfelweinwirtschaften. Ein älterer Herr erzählt nach dem sechsten oder siebten Schoppen gern mit Stolz, dass er noch nie „feindliches Gebiet“, also die Offenbacher Gemarkung, betreten habe.
Diese Gemarkung hat ihren Ursprung vor 1200 Jahren. Seinerzeit war es die Grenze zwischen Maingau und Niddagau, später die zwischen Hessen-Darmstadt auf der einen und der zu Preußen gehörigen Freien Reichsstadt Frankfurt auf der anderen Seite. Finanzielle Abhängigkeiten gab es damals schon - in gleicher Weise wie heute.
Im Jahr 1414 stellte der Frankfurter Rat den Antrag, das Isenburger Schloss abzureißen. Im Jahr 1631 zwingt der schwedische König Gustav Adolf die Frankfurter Ratsherren ausgerechnet dort, das Dokument ihrer Kapitulation zu unterschreiben. Von 1829 bis 1835, als der Weg Offenbachs zum Industriestandort bereits geebnet ist, verliert Frankfurt, das nicht dem Preußisch-Hessischen Zollverein beigetreten ist, gar seine Messe an den ungeliebten Nachbarn. Und während des Zweiten Weltkrieges bekommt man sich darüber in die Haare, wer wie viele Luftschutzbunker auf seinem Territorium bauen darf.
Dagegen leben wir heute in gradezu harmonischen Zeiten. Man könnte auch sagen: Lass die Frankfurter doch lästern. Denn, das muss ich als Offenbacher hier einmal schreiben, abgesehen vom Fußball habe ich den Konflikt auf Offenbacher Seite nicht als gleichförmig erlebt. Als Kinder und Jugendliche hetzten wir nicht gegen Frankfurt. Wieso auch? Eine coole Stadt - mit Zoo, Flughafen, Palmengarten, Museen, später dann Diskotheken (für die heutige Generation: Clubs). Man dachte sich auch als junger Erwachsener nichts dabei zu sagen: Ich lebe in Offenbach. Wunderte sich dann aber über den Sturm an ätzendem Spott, der über einem hereinbrach. Haha, freiwillig? Ja, ich wurde da geboren. Oh, das tut mir leid. So in etwa konnten Gespräche beginnen. Ich erinnere mich auch noch, wie mich meine Zeitung damals zu einer Versammlung der Frankfurter Grünen schickte, man sollte meinen: Ein Hort der Toleranz. War es auch. Aber Offenbach-Witze waren in jeder Rede obligatorisch, so dass ich mich zwischenzeitlich fragte, ob ich hier bei der Senioren-Union gelandet war (was beim Blick auf die kuschelnden Männer, die verwirrten Sponti-Reste und Anti-Castor-T-Shirts rasch widerlegt werden konnte). Selbst der Offenbacher Grünen-Chef und heutige Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir kokettierte bei jeder Gelegenheit mit seiner Herkunft.
Es lässt sich auch nicht ganz mit der Geschichte erklären. Einst fuhren die Frankfurter in die Garten- und Musikstadt Offenbach, um abzuschalten. Auch Goethe (wie wir wissen: auf seine ganz eigene Weise, nämlich mit einer wundersamen Tändelei). Als dann die Industrialisierung einsetzte, war Offenbach weit vorne, während sich das altherrschaftliche Frankfurter Bürgertum gegen jegliche Innovation wehrte. Auch weil man Arbeiter in Frankfurt nicht wollte.
Genau diese Industrie wurden der Stadt schließlich zum Verhängnis, sie ging vor die Hunde, die einst so stolzen Lederwarenbetriebe gingen Pleite oder nach Fernost und das Selbstbewusstsein einer prosperierenden Arbeiterstadt gleich mit. Kann das den Konflikt erklären? Zumindest ein Neid-Komplex ist entstanden auf der einen Seite und auf der anderen Seite das Bild einer Stadt, die ärmlich ist und irgendwie schmuddelig. Doch auch das ist passé. Gewiss, die Sozialhilfequote in Offenbach ist hoch, der Fluglärm beträchtlich. Aber in beiderlei Hinsicht hat Frankfurt mächtig aufgeholt. Nur in seiner Mitte ist Frankfurt eine Stadt der Reichen, aber das ein Sozialdemokrat wie Peter Feldmann die Wahl zum Oberbürgermeister vor allem in den Rändern Frankfurts gewann, zeigt, wohin die Reise gegangen ist. Frankfurt hätte viel von Offenbach zu lernen. Nämlich wie ein Miteinander funktioniert in einer Stadt der Gegensätze. Doch davor steht ein psychologisches Konstrukt, wie es schon Sigmund Freud beschrieb: Die Abgrenzung gegenüber anderen als Selbstvergewisserung der eigenen Identität. Schwierig, das jemandem zu erklären, erst recht nach dem ersten Bembel Apfelwein. Aber vielleicht könnten die Frankfurter einfach mal die Klappe halten, wenn das Wort Offenbach fällt. Und dann mal genau hinhören, wenn die Kollegen, die in die kleine Großstadt gezogen sind, davon erzählen, dass Offenbach so ganz anders ist, als man denkt. Die Mieten: noch bezahlbar. Das Umfeld: kreativ, locker, entspannt, naturnah. Und das Mainufer! Da kann man mit dem Fahrrad unter Bäumen bis nach Frankfurt fahren. Und die Landesgrenze, liebe Offenbacher Neubürger, die spürt ihr doch gar nicht mehr, oder?
Diese Gemarkung hat ihren Ursprung vor 1200 Jahren. Seinerzeit war es die Grenze zwischen Maingau und Niddagau, später die zwischen Hessen-Darmstadt auf der einen und der zu Preußen gehörigen Freien Reichsstadt Frankfurt auf der anderen Seite. Finanzielle Abhängigkeiten gab es damals schon - in gleicher Weise wie heute.
Im Jahr 1414 stellte der Frankfurter Rat den Antrag, das Isenburger Schloss abzureißen. Im Jahr 1631 zwingt der schwedische König Gustav Adolf die Frankfurter Ratsherren ausgerechnet dort, das Dokument ihrer Kapitulation zu unterschreiben. Von 1829 bis 1835, als der Weg Offenbachs zum Industriestandort bereits geebnet ist, verliert Frankfurt, das nicht dem Preußisch-Hessischen Zollverein beigetreten ist, gar seine Messe an den ungeliebten Nachbarn. Und während des Zweiten Weltkrieges bekommt man sich darüber in die Haare, wer wie viele Luftschutzbunker auf seinem Territorium bauen darf.
Dagegen leben wir heute in gradezu harmonischen Zeiten. Man könnte auch sagen: Lass die Frankfurter doch lästern. Denn, das muss ich als Offenbacher hier einmal schreiben, abgesehen vom Fußball habe ich den Konflikt auf Offenbacher Seite nicht als gleichförmig erlebt. Als Kinder und Jugendliche hetzten wir nicht gegen Frankfurt. Wieso auch? Eine coole Stadt - mit Zoo, Flughafen, Palmengarten, Museen, später dann Diskotheken (für die heutige Generation: Clubs). Man dachte sich auch als junger Erwachsener nichts dabei zu sagen: Ich lebe in Offenbach. Wunderte sich dann aber über den Sturm an ätzendem Spott, der über einem hereinbrach. Haha, freiwillig? Ja, ich wurde da geboren. Oh, das tut mir leid. So in etwa konnten Gespräche beginnen. Ich erinnere mich auch noch, wie mich meine Zeitung damals zu einer Versammlung der Frankfurter Grünen schickte, man sollte meinen: Ein Hort der Toleranz. War es auch. Aber Offenbach-Witze waren in jeder Rede obligatorisch, so dass ich mich zwischenzeitlich fragte, ob ich hier bei der Senioren-Union gelandet war (was beim Blick auf die kuschelnden Männer, die verwirrten Sponti-Reste und Anti-Castor-T-Shirts rasch widerlegt werden konnte). Selbst der Offenbacher Grünen-Chef und heutige Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir kokettierte bei jeder Gelegenheit mit seiner Herkunft.
Es lässt sich auch nicht ganz mit der Geschichte erklären. Einst fuhren die Frankfurter in die Garten- und Musikstadt Offenbach, um abzuschalten. Auch Goethe (wie wir wissen: auf seine ganz eigene Weise, nämlich mit einer wundersamen Tändelei). Als dann die Industrialisierung einsetzte, war Offenbach weit vorne, während sich das altherrschaftliche Frankfurter Bürgertum gegen jegliche Innovation wehrte. Auch weil man Arbeiter in Frankfurt nicht wollte.
Genau diese Industrie wurden der Stadt schließlich zum Verhängnis, sie ging vor die Hunde, die einst so stolzen Lederwarenbetriebe gingen Pleite oder nach Fernost und das Selbstbewusstsein einer prosperierenden Arbeiterstadt gleich mit. Kann das den Konflikt erklären? Zumindest ein Neid-Komplex ist entstanden auf der einen Seite und auf der anderen Seite das Bild einer Stadt, die ärmlich ist und irgendwie schmuddelig. Doch auch das ist passé. Gewiss, die Sozialhilfequote in Offenbach ist hoch, der Fluglärm beträchtlich. Aber in beiderlei Hinsicht hat Frankfurt mächtig aufgeholt. Nur in seiner Mitte ist Frankfurt eine Stadt der Reichen, aber das ein Sozialdemokrat wie Peter Feldmann die Wahl zum Oberbürgermeister vor allem in den Rändern Frankfurts gewann, zeigt, wohin die Reise gegangen ist. Frankfurt hätte viel von Offenbach zu lernen. Nämlich wie ein Miteinander funktioniert in einer Stadt der Gegensätze. Doch davor steht ein psychologisches Konstrukt, wie es schon Sigmund Freud beschrieb: Die Abgrenzung gegenüber anderen als Selbstvergewisserung der eigenen Identität. Schwierig, das jemandem zu erklären, erst recht nach dem ersten Bembel Apfelwein. Aber vielleicht könnten die Frankfurter einfach mal die Klappe halten, wenn das Wort Offenbach fällt. Und dann mal genau hinhören, wenn die Kollegen, die in die kleine Großstadt gezogen sind, davon erzählen, dass Offenbach so ganz anders ist, als man denkt. Die Mieten: noch bezahlbar. Das Umfeld: kreativ, locker, entspannt, naturnah. Und das Mainufer! Da kann man mit dem Fahrrad unter Bäumen bis nach Frankfurt fahren. Und die Landesgrenze, liebe Offenbacher Neubürger, die spürt ihr doch gar nicht mehr, oder?
19. August 2014, 11.31 Uhr
nil
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