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Offener Brief an den Oberbürgermeister

Hilfeschrei aus dem Bahnhofsviertel

Ulrich Mattner kennt da Bahnhofsviertel ganz genau, wohnt und arbeitet dort seit Jahren. Doch die derzeitigen Zustände hält er für nicht mehr haltbar, die Polizei sei überfordert. Darum wendet er sich in einem Brief an Peter Feldmann.
Mit einem offenen Brief, einem schriftlichen Hilferuf aus dem Bahnhofsviertel, hat sich der Fotograf und Szenekenner Ulrich Mattner an Oberbürgermeister Peter Feldmann gewendet. Der Grund: Nachts fühlt er sich in seinem Viertel nicht mehr sicher. „Die Situation hier hat sich nachts deutlich verschlimmert. Dies bestätigt auch die Polizei“, sagt Mattner und reagiert damit auch auf diverse positive Zwischenbilanzberichte der Initiativen, die sich um mehr Sicherheit und Ordnung im Viertel bemühen, aber offenbar ihre Grenzen erreichen. Mattner zitiert aus dem Protokoll der jüngsten Sitzung des Regionalrats vom 2. Mai die Angaben eines Polizeivertreters: „Für den Gesamtbahnhof ist in Bezug auf die Gewaltdelikte ein erheblicher Anstieg zu verzeichnen. Dabei liegen die Schwerpunkte der Delikte in der Zeit zwischen 00:00 und 4 Uhr morgens.“ Es laufe etwas schief im Bahnhofsviertel, mahnt Mattner nun in seinem Brief. „Einerseits trommelt die Polizei seit November tagsüber und abends bis zu 100 Beamte der Besonderen Aufbau Organisation (BAO) zu Großrazzien zusammen. Benötigt man jedoch nach Mitternacht Hilfe, dann heißt es: „Unsere Einsatzkräfte sind alle im Einsatz. Momentan können wir niemand vorbei schicken.“

Für Mattner muss es ein einschneidendes Erlebnis gewesen sein, als er wegen Ruhestörung mitten in der Nacht die Polizei rufen musste und diese sich aus logistischen Gründen nicht in der Lage sah zu handeln. Mattner berichtet Feldmann in dem Brief von einem Telefonat, das er vor zwei Wochen morgens um 4 Uhr mit der Polizei führte. „Mehr als zehn junge Leute feierten unter meinem Fenster eine ohrenbetäubende Party mit einer Musikanlage, die auf volle Lautstärke gedreht war. Sie waren nicht dazu zu bewegen, leiser zu sein. An Schlaf war nicht zu denken. Wir sind hier aufgrund der Bars nächtlichen Lärm bis 2 Uhr morgens gewohnt. Aber so etwas hat es nie zuvor gegeben.“

Mattner habe dem Polizisten am Telefon gesagt: „Ich möchte eine Ruhestörung in der Münchener Straße anzeigen." Darauf der freundliche Polizist: „Wir wissen Bescheid. Es haben sich schon andere darüber beschwert. Ich kann Ihnen leider nicht helfen. Alle drei Wagen sind im Einsatz.“ Darauf Mattner frustriert: „Was wäre, wenn jetzt unten ein Verbrechen passieren würde?“ Daraufhin der Polizist: „Ich kann Ihnen keinen Einsatzwagen backen. Wir haben nicht mehr Kräfte. Beschweren Sie sich bei der Stadt.“ Und genau das tut Ulrich Mattner, erster Vorsitzender des Gewerbevereins, mit seinem offenen Brief nun.

„Hiermit beschwere ich mich. Ich bin nicht allein. Ob in Münchener-, Kaiser- oder Taunusstraße, ob in Mosel-, Elbe-, Nidda- und Weserstraße, überall höre ich Klagen, dass die Polizei nachts nicht oder viel zu spät kommt. Der Polizeipräsident hat in den vergangenen Wochen klargemacht, dass die Polizei die unbefriedigende Situation im Bahnhofsviertel nicht alleine lösen kann. Er appelliert an die Hilfe der städtischen Behörden. Deshalb meine dringende Bitte: Lassen Sie die Polizei und uns hier im Viertel nicht im Stich. Unterstützen Sie die Beamten, bevor es zu noch schwereren Gewaltdelikten kommt.“

Mattner führt aus, dass die Zahl der Bewohner seines Viertels aufgrund öffentlicher Anreize – etwa der Umwandlung von Leerstand und Büro- in Wohnraum – binnen der vergangenen zehn Jahre von 1.800 auf etwa 4.000 gestiegen sei. „Die Polizei ist jedoch offenbar schlechter ausgestattet als jemals zuvor. Bezeichnend ist es, wenn Ordnungsdezernent Markus Frank vormittags (!) zum Presserundgang durch das Bahnhofsviertel einlädt und berichtet: ‚Ich freue mich, dass es eine gute Entwicklung im Bahnhofsviertel gibt.’“

Am Vormittag könne das stimmen, gibt Mattner zu. „Um diese Zeit schlafen Dealer, Schläger, Trickdiebe, Krachmacher und alle, die hier bis in die frühen Morgenstunden eine Bedrohung für das Viertel darstellen. Morgens riecht es auch nicht beißend nach Urin, weil in den frühen Morgenstunden die Straßen gereinigt werden. Auch die vielen Crackraucher werden Sie vergeblich suchen. Gerne lade ich Sie und Ihre Kollegen vom Magistrat zu einer nächtlichen Begehung um 1 Uhr ein. Um diese Zeit erleben Sie das Bahnhofsviertel in einem Zustand, der sonst weder in einem anderen Frankfurter Stadtteil noch in einer anderen deutschen Stadt akzeptiert wird. Sie werden dann verstehen, was für ein ohnmächtiges Gefühl es ist, in einem sozialen Brennpunkt und Drogenumschlagsplatz ohne eine rund um die Uhr funktionierende Polizei zu wohnen.“
 
Fotogalerie:
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20. Juni 2017, 15.35 Uhr
nb
 
 
 
 
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