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Nachts auf der Zeil: Alkohol und Schlägereien
Zuviel ist zuviel
Nahe der Hauptwache betrinken sich Nacht für Nacht Jugendliche heillos. Der Gibson-Club-Macher Madjid Djamegari weist seit Jahren darauf hin. Doch die Politik bleibt seltsam tatenlos.
D ie Nacht ist nass und kalt, der Winterwind treibt Sprühregen über die Zeil. Kein Wetter, bei dem man sich gerne draußen aufhält. Solle man meinen. Madjid Djamegari ist in seinem Club unter der Zeil. Ein Mitarbeiter sagt: „Wir testen die CO2-Anlage, wird kurz laut“, und dann schießt am DJ-Pult das Brandschutz-Gas in den Raum. Derweil wuseln 20, 30 Menschen durch den mit Putzlicht ausgeleuchteten Raum, wischen nochmal durch, stellen Gläser hinter den Bars bereit. In 20 Minuten soll der Betrieb losgehen. „Die Gäste sollen hier eine gute Zeit haben“, sagt Djamegari. Werden sie auch, da ist er sicher. Hier drin zumindest. Das, was draußen auf der Zeil passiert, das hat er allerdings nur bedingt unter Kontrolle. „Ich kann das nur beobachten und beschreiben“, meint er.
Djamegari ist niemand, der zu alarmistischen Tönen neigt, sondern jemand, der reflektiert, bevor er spricht. Ende der 90er hat er mit anderen zusammen das King Kamehameha auf der Hanauer Landstraße eröffnet, gewissermaßen mit Sicherheitsabstand zur Inner City. „Damals war es unvorstellbar, in der Frankfurter Innenstadt einen großen Club aufzumachen, zuviel komische Gestalten, die Zeil war abends eine absolute No-Go-Area!“ Das, sagt er, müsse man wissen, wenn man über die derzeitige Lage spreche. „Es hat sich viel verbessert, das steht außer Frage. Wir haben jetzt die gewünschte Belebung der Innenstadt, müssen aber den Umgang mit den einhergehenden, negativen Begleiterscheinungen diskutieren. Die Menschen müssen sich an diesen Orten sicher fühlen.“
Dann gehen wir hoch auf die Zeil, der Regen hat aufgehört, doch der Boden ist nass, die Sitzbänke sind klamm. Gut 50 junge Menschen haben sich um sie herum niedergelassen, Pappbecher, Colaflaschen, Energydrinks, Schnaps, es wird gemischt, gelacht, gestumpt. Gleich gegenüber vom Gibson liegt die MyZeil, in ihrem Bauch der Rewe-Markt. Auf der Rolltreppe kommen uns junge Mädchen entgegen, den Fang der Nacht in der Hand.
Im Markt selbst stehen die Bierkästen in Doppelreihen, das Schnapsregal ist über zehn Meter lang, davor Jugendliche, einige volljährig, einige ganz bestimmt nicht. „Was machst du hier, du Stricher?“, schreit einer durch den Laden, kurz wird gerangelt, ein anderer beschwert sich, dass sein Lieblingswodka aus ist.
Das Spiel geht so: Erst gehen die Jugendlichen in den Rewe, munitionieren sich mit harten Getränken, dann sind sie auf der Zeil, saufen sich zu, die Stimmung schaukelt sich hoch. Um halb 12 schließt der Supermarkt, aber man hat ja vorgesorgt. Vor dem Gibson Club hat sich eine kleine Schlange gebildet, ein Obdachloser hat sich dort im Schlafsack auf die kalte Erde gelegt. „Die meisten unserer Gäste wissen um die Lage hier, haben sich schon dran gewöhnt.“ Auch später, als einige Betrunkene rumgrölen und herumtanzen, zucken die Clubgäste nicht mal mit den Schultern. Gewöhnt haben sich auch die Damen an die Anmachen, die ihnen hinterhergerufen werden, wenn sie in Richtung des Clubs gehen.
Versucht hat Madjid Djamegari schon so einiges, um das Bild, das sich vor seinem Laden bietet, zu verbessern. Sein Ansinnen, dass wie in anderen europäischen Städten auch, eine Polizeistreife permanent vor Ort ist, wurde nur kurzzeitig umgesetzt – dann, so wird gemutmaßt, wurde wohl das Personal knapp. Jetzt fährt ab und an eine Streife vorbei – oder muss gerufen werden.
Die andere Idee: Alkoholverbot in einem gewissen Radius rund um den Hauptbahnhof und der Hauptwache. Der Vorschlag kam von Ordnungsdezernent Markus Frank (CDU) und wurde von der im Jahr 2016 von Djamegari mitgegründeten Initiative Gastronomie unterstützt – erwies sich aber als Bumerang. „Da sind wir in politisches Fahrwasser geraten. Man warf uns vor, wir Gastronomen wollten uns nur die Taschen vollmachen.“ Darum sei es aber gar nicht gegangen. „Die Leute, die hier auf der Zeil stehen, gehören ohnehin nicht zu der Zielgruppe des Gibson oder der umliegenden Bars und Restaurants“, sagt Djamegari. „Mir geht es darum, dass Plätze wie die Zeil oder auch der Vorplatz des Hauptbahnhofs eine repräsentative Funktion für die Stadt haben – sie sind die Visitenkarte und oftmals der erste und bleibende Eindruck bei den Touristen und Geschäftsreisenden.“
Eine Ansicht, die auch Frankfurts Tourismuschef Thomas Feda teilt: „Wir bekommen diesbezüglich Rückmeldungen von Reiseveranstaltern“, sagt Feda. Dass es nicht förderlich sei, wenn Touristen in der Stadt angepöbelt oder belästigt würden, verstehe sich von selbst. Aber das seien Extrembeispiele. „Solche Situationen gibt es auf dem Römer oder auf dem Paulsplatz nicht.“
In dieser Nacht löst sich die lose Gruppe junger Menschen gegen ein Uhr wieder auf. Gut für die Besucher des Gibson, wenn sie später wieder nach Hause gehen. Im Sommer zeigen sich auch zu späterer Stunde unschöne Szenen. Dann kommt es schon mal zu Schlägereien. Und dann kommt auch die Polizei und verteilt Platzverweise oder nimmt Verdächtige vorläufig fest. „Doch dann ist das Kind eigentlich schon in den Brunnen gefallen –
man muss hier einfach früher einschreiten“, sagt Djamegari.
Über die Gastronomie-Initiative hatten sich auch Hotelchefs und andere Gastronomen wie James Ardinast Luft über die Situation auf der Zeil oder vorm Hauptbahnhof gemacht. „Mit Vernunft ist diesen stark alkoholisierten Menschen, die ja meist auch in größeren Gruppen auftreten, schon lange nicht mehr beizukommen“, so Ardinast damals. Passiert ist freilich nichts. „Es wird Zeit, darüber noch einmal zu diskutierten“, meint Djamegari. „Denn klar ist: So weitergehen kann es eigentlich nicht.“
Eine Version dieses Artikels ist zuerst in der Druckausgabe des Journal Frankfurt vom 28. Dezember 2017 erschienen.
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Djamegari ist niemand, der zu alarmistischen Tönen neigt, sondern jemand, der reflektiert, bevor er spricht. Ende der 90er hat er mit anderen zusammen das King Kamehameha auf der Hanauer Landstraße eröffnet, gewissermaßen mit Sicherheitsabstand zur Inner City. „Damals war es unvorstellbar, in der Frankfurter Innenstadt einen großen Club aufzumachen, zuviel komische Gestalten, die Zeil war abends eine absolute No-Go-Area!“ Das, sagt er, müsse man wissen, wenn man über die derzeitige Lage spreche. „Es hat sich viel verbessert, das steht außer Frage. Wir haben jetzt die gewünschte Belebung der Innenstadt, müssen aber den Umgang mit den einhergehenden, negativen Begleiterscheinungen diskutieren. Die Menschen müssen sich an diesen Orten sicher fühlen.“
Dann gehen wir hoch auf die Zeil, der Regen hat aufgehört, doch der Boden ist nass, die Sitzbänke sind klamm. Gut 50 junge Menschen haben sich um sie herum niedergelassen, Pappbecher, Colaflaschen, Energydrinks, Schnaps, es wird gemischt, gelacht, gestumpt. Gleich gegenüber vom Gibson liegt die MyZeil, in ihrem Bauch der Rewe-Markt. Auf der Rolltreppe kommen uns junge Mädchen entgegen, den Fang der Nacht in der Hand.
Im Markt selbst stehen die Bierkästen in Doppelreihen, das Schnapsregal ist über zehn Meter lang, davor Jugendliche, einige volljährig, einige ganz bestimmt nicht. „Was machst du hier, du Stricher?“, schreit einer durch den Laden, kurz wird gerangelt, ein anderer beschwert sich, dass sein Lieblingswodka aus ist.
Das Spiel geht so: Erst gehen die Jugendlichen in den Rewe, munitionieren sich mit harten Getränken, dann sind sie auf der Zeil, saufen sich zu, die Stimmung schaukelt sich hoch. Um halb 12 schließt der Supermarkt, aber man hat ja vorgesorgt. Vor dem Gibson Club hat sich eine kleine Schlange gebildet, ein Obdachloser hat sich dort im Schlafsack auf die kalte Erde gelegt. „Die meisten unserer Gäste wissen um die Lage hier, haben sich schon dran gewöhnt.“ Auch später, als einige Betrunkene rumgrölen und herumtanzen, zucken die Clubgäste nicht mal mit den Schultern. Gewöhnt haben sich auch die Damen an die Anmachen, die ihnen hinterhergerufen werden, wenn sie in Richtung des Clubs gehen.
Versucht hat Madjid Djamegari schon so einiges, um das Bild, das sich vor seinem Laden bietet, zu verbessern. Sein Ansinnen, dass wie in anderen europäischen Städten auch, eine Polizeistreife permanent vor Ort ist, wurde nur kurzzeitig umgesetzt – dann, so wird gemutmaßt, wurde wohl das Personal knapp. Jetzt fährt ab und an eine Streife vorbei – oder muss gerufen werden.
Die andere Idee: Alkoholverbot in einem gewissen Radius rund um den Hauptbahnhof und der Hauptwache. Der Vorschlag kam von Ordnungsdezernent Markus Frank (CDU) und wurde von der im Jahr 2016 von Djamegari mitgegründeten Initiative Gastronomie unterstützt – erwies sich aber als Bumerang. „Da sind wir in politisches Fahrwasser geraten. Man warf uns vor, wir Gastronomen wollten uns nur die Taschen vollmachen.“ Darum sei es aber gar nicht gegangen. „Die Leute, die hier auf der Zeil stehen, gehören ohnehin nicht zu der Zielgruppe des Gibson oder der umliegenden Bars und Restaurants“, sagt Djamegari. „Mir geht es darum, dass Plätze wie die Zeil oder auch der Vorplatz des Hauptbahnhofs eine repräsentative Funktion für die Stadt haben – sie sind die Visitenkarte und oftmals der erste und bleibende Eindruck bei den Touristen und Geschäftsreisenden.“
Eine Ansicht, die auch Frankfurts Tourismuschef Thomas Feda teilt: „Wir bekommen diesbezüglich Rückmeldungen von Reiseveranstaltern“, sagt Feda. Dass es nicht förderlich sei, wenn Touristen in der Stadt angepöbelt oder belästigt würden, verstehe sich von selbst. Aber das seien Extrembeispiele. „Solche Situationen gibt es auf dem Römer oder auf dem Paulsplatz nicht.“
In dieser Nacht löst sich die lose Gruppe junger Menschen gegen ein Uhr wieder auf. Gut für die Besucher des Gibson, wenn sie später wieder nach Hause gehen. Im Sommer zeigen sich auch zu späterer Stunde unschöne Szenen. Dann kommt es schon mal zu Schlägereien. Und dann kommt auch die Polizei und verteilt Platzverweise oder nimmt Verdächtige vorläufig fest. „Doch dann ist das Kind eigentlich schon in den Brunnen gefallen –
man muss hier einfach früher einschreiten“, sagt Djamegari.
Über die Gastronomie-Initiative hatten sich auch Hotelchefs und andere Gastronomen wie James Ardinast Luft über die Situation auf der Zeil oder vorm Hauptbahnhof gemacht. „Mit Vernunft ist diesen stark alkoholisierten Menschen, die ja meist auch in größeren Gruppen auftreten, schon lange nicht mehr beizukommen“, so Ardinast damals. Passiert ist freilich nichts. „Es wird Zeit, darüber noch einmal zu diskutierten“, meint Djamegari. „Denn klar ist: So weitergehen kann es eigentlich nicht.“
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6. März 2018, 10.23 Uhr
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