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Mike Josef & Moses Pelham

„Hier lässt es sich leben – und zwar mit Perspektive“

Frankfurt wächst – und damit auch die Herausforderungen, um unsere Stadt lebenswert zu gestalten. Im Gespräch mit dem JOURNAL FRANKFURT erzählen Planungsdezernent Mike Josef und Rapper Moses Pelham, was für sie Frankfurt ausmacht und welche Rolle Musik in der Stadtentwicklung spielt.
JOURNAL FRANKFURT: Mike, am 12. März startet eine neue Eventreihe, „Frankfurt machen.“ Was genau plant ihr?
Mike Josef: Hintergrund der Veranstaltungsreihe ist die Frage danach, welche Gestaltungsmöglichkeiten wir haben und wie wir mit unserer wachsenden Stadt umgehen können. Das integrierte Stadtentwicklungskonzept „Frankfurt 2030+“ betrifft den Wohnungsbau, die Nutzung von Grünflächen, Kunst und Kultur, die Art wie wir arbeiten, Schulen, soziale Einrichtungen, aber auch die Mobilität der Zukunft und Klimafragen. Wir wollen Städte so entwickeln, dass die Menschen hier sagen: „Hier wohne ich gerne, hier verbringe ich gerne meine Freizeit.“ Und wir möchten vor allem die Menschen ansprechen, die in zehn, fünfzehn Jahren tatsächlich von den Entscheidungen betroffen sein werden, die wir heute fällen. Es gibt etliche junge Menschen, die beim Thema Stadtentwicklung mitreden und sich beteiligen möchten. Für diese Menschen und viele weitere, die wir mit unseren klassischen Beteiligungsformaten nicht ansprechen, möchten wir niedrigschwellige Angebote schaffen, bei denen sie nicht nur Vorträge hören, sondern selbst auf dem Podium sitzen und mitdiskutieren.

Moses, du sitzt am 9. April bei der Veranstaltung „Freizeitstadt Frankfurt“ auf dem Podium im Gibson Club. Inwiefern ist dir das Thema wichtig?
Moses Pelham: Ich bin gefragt worden, ob ich mich an der Reihe beteiligen möchte und habe mich von dem Format angesprochen gefühlt, weil ich gedenke, auch in 20 Jahren in dieser Stadt zu leben. Als Bürger interessiert mich natürlich die Entwicklung Frankfurts. Ein Thema, das mich in diesem Zusammenhang beispielsweise beschäftigt, ist der immer wieder aufkommende Ruf nach einer Konzerthalle, in die 2000 bis 2500 Menschen passen. Es gibt so viele Bands, die nicht in der Festhalle auftreten, die aber gleichzeitig zu groß sind für die Batschkapp – und dann einfach gar nicht in Frankfurt spielen.

Mike Josef: Genau für solche Ideen möchten wir Menschen wie Moses und auch andere Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt einbinden, um eben deren Sicht der Dinge mitzubekommen. Wir führen meistens Debatten darüber, was wir in unseren Städten nicht wollen. Davon möchten wir wegkommen, hin zu einem: „Das erwarte ich von meiner Stadt.“ Musik, gerade im öffentlichen Raum, ist da ein wichtiges Thema.

Abgesehen von einer Konzerthalle, welchen Nachholbedarf seht ihr an der Stelle?
Mike Josef: Andere Städte nutzen beispielsweise ihre Parks und Grünflächen viel stärker für Kunst, Kultur, aber auch für Konzerte und andere Events. Bei uns hat man eher das Gefühl, man darf diese Flächen anschauen, aber bloß nichts dafür machen. Und andere Städte machen oft auch sehr viel mehr für ihre Künstlerinnen und Künstler. Man denke nur an die Söhne Mannheims, die echte Botschafter für ihre Stadt sind. Der Stellenwert von Musik und Kunst generell in einer Diskussion zeigt auch, wie wir uns als Stadt verstehen. Wollen wir eine Metropole sein oder igeln wir uns ein?

Moses Pelham: Ich würde mir eine Einrichtung wünschen, die sich mit der Rolle von Musik aus Frankfurt beschäftigt und zeigt, was hier alles entstanden ist. Sozusagen eine Frankfurter Botschaft in Frankfurt. Auch, um junge Menschen zu ermutigen und vielleicht sogar die ein oder andere Karriere zu befördern.

Moses, war es für dich je eine Option, Frankfurt zu verlassen? Beispielsweise in Richtung Berlin?
Moses Pelham: Ich war gerade wieder in Berlin und habe genau darüber mit einem Freund philosophiert. Das ganze Business versammelt sich dort, da kann man nicht anders, als früher oder später über diese Frage nachzudenken. Ich habe mich irgendwann für Heimat und die soziale Infrastruktur entschieden. Ich kann heute nicht sagen, ob das die richtige Entscheidung war. Vor etwa zwei Jahren wurde ich mal gefragt, ob ich glaube, dass Frankfurter Rap nochmal den Anschluss an Berlin findet. Weißt du, wie sich eine solche Frage in meinen Ohren anhört? Da kommen einem echt die Tränen. Ich weiß nicht, ob Stadtplanung etwas damit zu tun hat, aber irgendetwas müssen wir machen. Und wenn ich eine Gelegenheit sehe, etwas für meine Stadt zu machen, bin ich auf jeden Fall dabei.

Wie erlebst du aktuell die kreative Szene in Frankfurt?
Moses Pelham: Es gehen schon viele Menschen woanders hin, dieser Prozess hat bereits Ende der 90er-Jahre angefangen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Menschen, die jetzt in Berlin sind, irgendwann zurückkehren, ist relativ gering. Das lässt sich nicht mehr ändern. Aber für die jungen Künstlerinnen und Künstler, die jetzt noch hier sind, können wir die Stadt attraktiver machen, bevor sie auch noch weggehen. Das sind Menschen, die wir gerade noch gar nicht kennen, die aber vielleicht in einigen Jahren erfolgreich sein werden. Für die müssen wir Angebote schaffen und zeigen: Hier lässt es sich auch leben – und zwar mit Perspektive.

Du hast gerade ein neues Album, „Emuna“, aufgenommen und gehst diesen Monat auf Tour. Wäre deine Musik heute eine andere, wenn du nicht in Frankfurt geblieben wärest?
Moses Pelham: Wir haben natürlich nicht die Möglichkeit des Vergleichs, aber man muss schon sagen, dass wir in unserem Bereich in Frankfurt eine sehr eigene Art der Kunst haben. Da muss irgendetwas im Wasser sein. Ob das jetzt Azad ist, Vega, Credibil oder Böhse Onkelz: Das hat alles schon eine gewisse Schwere und Tiefe.

Mike, was kann Stadtplanung für junge Künstlerinnen und Künstler leisten, um sie in Frankfurt zu halten?
Mike Josef: Gerade im kreativen Bereich merken wir natürlich, dass sich viele junge Menschen die Mieten in der Stadt nicht mehr leisten können und deshalb nach Alternativen suchen. Vor allem in der Anfangszeit, in dem der Verdienst noch nicht besonders hoch ist, können es sich Künstlerinnen und Künstler kaum leisten, sich in einer Stadt wie Frankfurt auszuprobieren. Dafür zu sorgen, dass sich junge Menschen die Mieten hier leisten können, ist eine wichtige Aufgabe der Stadtpolitik. Moses ist ein Botschafter für unsere Stadt und erreicht die Menschen, auch weit über Frankfurt hinaus, wie wir sie in der Politik nur schwer erreichen können. Ich bin in Ulm aufgewachsen und habe Frankfurt zuerst über Moses‘ Musik kennengelernt. Daher ist mir wichtig, dass gerade jemand wie er gemeinsam mit uns überlegt, wie wir unsere Stadt besser machen können.
 
Fotogalerie:
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6. März 2020, 09.45 Uhr
Ronja Merkel
 
Ronja Merkel
Jahrgang 1989, Kunsthistorikerin, von Mai 2014 bis Oktober 2015 leitende Kunstredakteurin des JOURNAL FRANKFURT, von September 2018 bis Juni 2021 Chefredakteurin. – Mehr von Ronja Merkel >>
 
 
 
 
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