Keine Mail, keine Musik, kein Videobild, die nicht irgendwann die Stadt am Main passieren. Wie die Spinne im Netz sitzt sie im Zentrum des deutschen und internationalen Internetverkehrs. Hier laufen die Glasfaserkabel zusammen, die den Austausch von Millionen Daten erst möglich machen. "Von jedem Netz eines Betreibers geht ein Strang nach Frankfurt. Von dort wandern die Daten dann in das Netz eines anderen Providers", erläutert Harald Summa, dessen Unternehmen De-Cix den sogenannten Austauschknoten betreibt.
In der Schaltzentrale an der Hanauer Landstraße werden die Drähte miteinander verknüpft. De-Cix kommt ohne große Server aus. Stattdessen benötigt das Unternehmen viele kühlschrankähnliche Geräte mit unzähligen Kabeln. "Seit einem Jahr läuft der Apparat fehlerfrei", sagt Summa stolz. Neun Mitarbeiter betreuen die hochempfindliche Technik. Mit ihrer Hilfe jagen 219 Provider, darunter viele aus Osteuropa, die Mails ihrer Kunden um die Welt. In einer Sekunde können bis maximal 250 Gigabit pro Sekunde durchlaufen. Damit gehört der Internetknotenpunkt zu den größten weltweit.
De-Cix kam 1995 als einer der ersten nach Frankfurt. Den Ausschlag gaben die dort bereits vorhandenen Glasfasernetze privater Anbieter, denen die Stadtpolitik früh den Boden bereitet hatte. Fast parallel meldeten Banken Bedarf an. "Sie hatten schon gute Erfahrungen in London gemacht", so der Experte. Dies wiederum zog Netzbetreiber an. Zudem profitierte die Stadt bei der Entwicklung zum wichtigsten deutschen Umschlagplatz für Daten von ihrer Lage im Herzen Europas - aus Übersee kommende Glasfaserkabel laufen via London, Amsterdam und Bremerhaven auf Frankfurt zu. Neben diesen wichtigen überregionalen Kabeln bilden rund 700 Kilometer Kabel unter der Stadt die wichtigste Ressource für das Geschäft mit dem Internet.
Für die Branche gilt ähnliches wie für Flughäfen: Ein Ziel mit attraktiver Infrastruktur zieht viele an. So ist inzwischen ein ganzes Geflecht von Firmen um den Knotenpunkt gewachsen. Zu ihnen gehört die zentrale Domain-Registrierungsstelle Denic. An ihr kommt niemand vorbei, der eine Internetadresse mit der Endung ".de" haben möchte. "Wir könnten im Prinzip auch nach München gehen, aber die Nähe zum Knotenpunkt gewährleistet schnelle Wege", benennt Denic-Sprecher Klaus Herzig den Standortvorteil der Stadt am Main. Aufgrund der kurzen Distanzen zu De-Cix dauere die Abfrage von Informationen über Computeradressen nur Millisekunden: "Je schneller, desto besser kann die zur Verfügung stehende Bandbreite genutzt werden." Die optimale Anbindung war mit ein Grund, warum die ursprünglich an der Universität Karlsruhe ansässige Denic 1996 nach Frankfurt umzog.
Ein weiterer Anziehungspunkt ist das internationale Umfeld mit muttersprachlichen Fachkräften, Geschäften, Banken und Untenehmen. "Chinesische, japanische Betreiber können hier ohne Probleme anschließen. Das ist ein Vorteil für Unternehmen, die sich ansiedeln", meint Volker Ludwig, Marketingleiter des Rechenzentrum-Betreibers Interxion. Ludwig schätzt die Zahl der Internetdienstleister in Frankfurt auf rund 150. Das schafft Wettbewerb: "Kunden finden bestmögliche Qualität zum bestmöglichen Preis." Inzwischen werden rund um den Internetknotenpunkt schätzungsweise rund 100 Millionen Euro jährlich umgesetzt. Ein Ende des Wachstums ist nicht abzusehen. Kürzlich legten Oberbürgermeisterin Petra Roth und Hessens Ministerpräsident Roland Koch den Grundstein für einen Millionen teuren Erweiterungsbau des Interxion-Rechenzentrums. Befürchtungen wie in den USA, der Platz auf der Datenbahn könnte knapp werden, hat Volker Ludwig nicht. Bisher werde nur ein Bruchteil der Kapazitäten genutzt und dies meist im Businessbereich. Private Internetnutzer spielen nur eine kleine Rolle, weil ihre schnellen DSL-Zugänge über Kupferkabel laufen.
Nur die hohen Energiepreise dämpfen derzeit die Freude über die boomende Entwicklung der Internetmetropole Frankfurt. Das Rechenzentrum, in dem auch der De-Cix-Knotenpunkt untergebracht ist, frisst Strom. 10 Megawatt brauchen die Geräte kontinuierlich rund um die Uhr, demnächst sollen es 25 Megawatt sein, sagt Volker Ludwig. Da seien die Stromkosten ein Standortfaktor. "Frankfurt ist nach London am teuersten. Paris ist billiger", sagt der Interxion-Manager, hinter dessen Firma Kapitalgeber wie Goldman Sachs und Bakers Capital stehen. Die französische Hauptstadt ist ebenfalls Knotenpunkt der internationalen Datenautobahn und neben Amsterdam durchaus Konkurrent Frankfurts.
Die Anhänger des Internetlexikons Wikipedia kamen bei der Kalkulation ihres Welttreffens zu einem anderen Ergebnis als das Unternehmen. Weil der Standort Frankfurt am billigsten und am besten erreichbar war, traf sich die Wikimania-Community im August vor zwei Jahren am Main. Hier - genauer gesagt im Stadtteil Höchst - hat die deutsche Sektion derzeit auch ihren Sitz. Damit ist Frankfurt Europas "Zentrale" für die Wikipedianer: die folgenden Treffen fanden in Cambridge/Massachussets und in Taipeh statt. Und auch im nächsten August kommt die Wikimania nicht in eine andere europäische Stadt: Dann treffen sich die vielen freien Autoren der Online-Enzyklopädie in der Stadt der legendären Bibliothek - Alexandria...
Text: Margarete Lausberg/PIA Stadt Frankfurt, Foto: Harald Schröder