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Ehemaliges Uni-Gelände
Kulturcampus Bockenheim: Überall Nichts
Auf dem ehemaligen Uni-Gelände in Bockenheim soll seit Jahren ein Kulturcampus entstehen. Getan hat sich bislang nicht viel. Die Gründe für den Stillstand sind unterschiedlicher Natur und werden von den politisch Verantwortlichen auch unterschiedlich dargestellt.
Anfang des Jahres wurde es Elmar Fulda einfach zu bunt: Der Präsident der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst (HfMDK) erneuerte mit drastischen Worten in der Semesterausgabe der Hochschulzeitschrift „Frankfurt in Takt“ seine Forderung nach einem sofortigen Neubau für die HfMDK. Das völlig in die Jahre gekommene Gebäude in der Eschersheimer Landstraße sei viel zu klein für die inzwischen 950 Studierenden und habe längst sein „Betriebsende erreicht“, schrieb er. Die politisch Verantwortlichen müssten der Hochschule endlich „eine Zukunftsperspektive eröffnen und den Weg für den Neubau in Bockenheim ebnen“. Denn dort waren der HfMDK und etlichen anderen Kulturinstitutionen der Stadt vor inzwischen rund 13 Jahren neue Domizile auf einem geplanten Kulturcampus versprochen worden. Heute, „sind wir noch immer weit entfernt von Neubau oder gar Umzug“, konstatierte der Hochschulpräsident ungeduldig.
Dabei startete das Projekt durchaus ambitioniert: Im August 2010 machte der scheidende hessische Finanzminister Karlheinz Weimar (CDU) zunächst den Weg dafür frei, dass die Stadt Frankfurt das Areal vom Bockenheimer Depot und der angrenzenden Universitätsbibliothek bis hinunter fast zur Messe kaufen und ihre Vision eines Kulturcampus entwickeln konnte. Dort sollten unter anderem das international bekannte Ensemble Modern, die Junge Deutsche Philharmonie oder das Hindemith-Institut ihren Platz finden. Ein Jahr später erwarb die Stadt dann für rund 70 Millionen Euro das alte Uni-Areal vom Land, die städtische Wohnungsbaugesellschaft ABG übernahm die Aufgabe der Entwicklung. Die Idee war übrigens eines der Lieblingsprojekte der ehemaligen Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth – ebenfalls CDU. Im November 2011 begannen neben dem Bockenheimer Depot bereits die Bauarbeiten für die ersten Wohnungen. Sieben renommierte Kultureinrichtungen und der britische Architekt David Adjaye präsentierten im März 2012 ihre Vision vom Kulturcampus: ein überdachtes, begehbares Foyer mit mehreren einsehbaren Bühnen. Alles klang nach Aufbruch. Nach Kultur. Nach neuem Leben für das Viertel. Heute mag man darüber milde lächeln.
Knapp zwei Jahre später wurde der 116 Meter hohe Uni-Turm unter großem Medienrummel gesprengt, am benachbarten Forschungsinstitut Senckenberg begann fast zeitgleich ein grundlegender Umbau. Im Oktober 2015 sagte Ex-Wissenschaftsminister Boris Rhein (übrigens schon wieder CDU) rund 100 Millionen Euro für den Neubau der einzigen hessischen Musikhochschule zu. Baubeginn: spätestens 2021 – hieß es damals. Im April 2016 trat der Bebauungsplan in Kraft, im Dezember begannen die Bauarbeiten für den „OneFortyWest“. Dieses und ein ebenfalls privatwirtschaftlich genutztes Gebäude auf dem Gelände des ehemaligen Philosophicums sind längst fertiggestellt und werden hochpreisig vermarktet. Nur der Kulturcampus ist noch immer das, was er von Anfang an war: eine Vision.
Die Gründe für den Stillstand sind unterschiedlicher Natur und werden von den politisch Verantwortlichen naturgemäß auch unterschiedlich – zuweilen diametral – dargestellt. Da ist etwa das Planungsdezernat. Man habe zwar, heißt es von dort, „die planungsrechtlichen und städtebaulichen Rahmenbedingungen“ geschaffen, sei selbst „jedoch kein Bauherr“. Bauherr der Wohn- und Gewerbeimmobilien sei die ABG, für die HfMDK sei das Land Hessen und für das sogenannte „Zentrum der Künste“ das Kulturdezernat zuständig. Das stimmt, doch damit fangen die Probleme und Schuldzuweisungen erst an. Denn keiner der Akteure sieht einen Fehler bei sich. „Die Entwicklung des Areals hat sich dadurch verzögert, dass die Universität ihre Freizugsplanungen mehrfach verschoben hat“, teilt die AGB auf Anfrage mit. Soll heißen: Da der Umzug der Goethe-Universität von Bockenheim unter anderem auf den Campus Westend und den Campus Riedberg offiziell noch immer nicht vollständig abgeschlossen ist, ist das Gelände in Bockenheim eben auch noch nicht regelkonform freigegeben. Auch das Land weist jede Schuld von sich. „Das Land hat auf Grundlage der gemeinsamen Machbarkeitsstudie von 2018 seine Hausaufgaben gemacht. Während Raumprogramm und Finanzierung für den Hochschulneubau stehen, ist das städtische Raumprogramm für das Zentrum der Künste einschließlich Frankfurt LAB seit 2018 stark angewachsen, ohne dass dafür die Finanzierung auch nur dem Grunde nach geklärt wurde“, argumentiert ein Sprecher das Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst (HMWK). „Es ist an der Stadt, sich für ein Raumprogramm zu entscheiden, das sich mit dem der Hochschule vereinbaren lässt“, sagt er.
Doch gerade in der Stadt herrscht noch immer Unklarheit darüber, wie das gesamte Areal überhaupt gegliedert werden soll. Denn nach Darstellung des Kulturdezernats habe nach ein „paar Jahren des Stillstands“ 2022 eine Studie gezeigt, dass die ursprünglichen Pläne im Grunde genommen gar nicht realisierbar seien – sofern das ehemalige Juridicum als Gebäude erhalten bleibt. Und das will die Stadt unbedingt. „Das Baufeld muss neu geordnet werden und das hat Konsequenzen auch für die Hochschule“, sagt ein Sprecher des Kulturdezernats. Außerdem müsse das Land erst einmal erklären, „was es mit der Hochschule final machen will“ und wie es „mit der alten Baumasse der Hochschule umgehen will“. Das Ministerium geht hingegen davon aus, „dass die Stadt das Anliegen des Landes teilt, dass die Hochschule nicht unter anderen Überlegungen leiden darf, und erwartet, dass die Stadt mit konkreten Vorschlägen zur Realisierbarkeit der Überlegungen auf das Land zugeht, auch, was die Vorgaben des Bebauungsplans angeht und die Frage, wie dieser gegebenenfalls anzupassen wäre, ohne dass weitere Verzögerungen entstehen“.
Immerhin, heißt es einvernehmlich aus der Stadt, befinde man sich „in Gesprächen, wie wir mit der neuen Situation umgehen wollen“. Aber was bedeutet das für den Kulturcampus? „Aus Sicht des Landes könnte der mit der Stadt Frankfurt vor einiger Zeit vereinbarte gemeinsame Architektenwettbewerb mit einem Realisierungsteil für die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst und einem Ideenteil für das Zentrum der Künste einschließlich des Frankfurt LAB sowie den Wohnanteil der ABG zeitnah gestartet werden“, sagt der Ministeriumssprecher. Denn: „Die HfMDK braucht dringend einen Neubau, er ist essenziell für die Weiterentwicklung der Hochschule. Es wäre sehr bedauerlich, wenn das Land gezwungen würde, sich nach einem anderen Standort umzuschauen.“ Das klingt mutmaßlich nach einer Mischung aus Drohung und politischem Säbelrasseln – doch auch Elmar Fulda hat bereits öffentlich darüber nachgedacht, ob die Hochschule nicht Frankfurt verlassen könnte. Was käme in Frage? „Gern wären wir auch in Frankfurt so weit wie mit dem Wettbewerb für den HfG-Neubau in Offenbach, dessen Ergebnis bereits vorliegt“, heißt es aus dem Ministerium. Denn der östliche Nachbar von Hessens größter Stadt hat fast in der gleichen Zeit aus einem ehemaligen Industriehafen ein komplettes Quartier geschaffen, das künftig die Hochschule für Gestaltung (HfG) beherbergen soll. Die Ergebnisse des Architekturwettbewerbs wurden gerade veröffentlicht.
Dabei startete das Projekt durchaus ambitioniert: Im August 2010 machte der scheidende hessische Finanzminister Karlheinz Weimar (CDU) zunächst den Weg dafür frei, dass die Stadt Frankfurt das Areal vom Bockenheimer Depot und der angrenzenden Universitätsbibliothek bis hinunter fast zur Messe kaufen und ihre Vision eines Kulturcampus entwickeln konnte. Dort sollten unter anderem das international bekannte Ensemble Modern, die Junge Deutsche Philharmonie oder das Hindemith-Institut ihren Platz finden. Ein Jahr später erwarb die Stadt dann für rund 70 Millionen Euro das alte Uni-Areal vom Land, die städtische Wohnungsbaugesellschaft ABG übernahm die Aufgabe der Entwicklung. Die Idee war übrigens eines der Lieblingsprojekte der ehemaligen Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth – ebenfalls CDU. Im November 2011 begannen neben dem Bockenheimer Depot bereits die Bauarbeiten für die ersten Wohnungen. Sieben renommierte Kultureinrichtungen und der britische Architekt David Adjaye präsentierten im März 2012 ihre Vision vom Kulturcampus: ein überdachtes, begehbares Foyer mit mehreren einsehbaren Bühnen. Alles klang nach Aufbruch. Nach Kultur. Nach neuem Leben für das Viertel. Heute mag man darüber milde lächeln.
Knapp zwei Jahre später wurde der 116 Meter hohe Uni-Turm unter großem Medienrummel gesprengt, am benachbarten Forschungsinstitut Senckenberg begann fast zeitgleich ein grundlegender Umbau. Im Oktober 2015 sagte Ex-Wissenschaftsminister Boris Rhein (übrigens schon wieder CDU) rund 100 Millionen Euro für den Neubau der einzigen hessischen Musikhochschule zu. Baubeginn: spätestens 2021 – hieß es damals. Im April 2016 trat der Bebauungsplan in Kraft, im Dezember begannen die Bauarbeiten für den „OneFortyWest“. Dieses und ein ebenfalls privatwirtschaftlich genutztes Gebäude auf dem Gelände des ehemaligen Philosophicums sind längst fertiggestellt und werden hochpreisig vermarktet. Nur der Kulturcampus ist noch immer das, was er von Anfang an war: eine Vision.
Die Gründe für den Stillstand sind unterschiedlicher Natur und werden von den politisch Verantwortlichen naturgemäß auch unterschiedlich – zuweilen diametral – dargestellt. Da ist etwa das Planungsdezernat. Man habe zwar, heißt es von dort, „die planungsrechtlichen und städtebaulichen Rahmenbedingungen“ geschaffen, sei selbst „jedoch kein Bauherr“. Bauherr der Wohn- und Gewerbeimmobilien sei die ABG, für die HfMDK sei das Land Hessen und für das sogenannte „Zentrum der Künste“ das Kulturdezernat zuständig. Das stimmt, doch damit fangen die Probleme und Schuldzuweisungen erst an. Denn keiner der Akteure sieht einen Fehler bei sich. „Die Entwicklung des Areals hat sich dadurch verzögert, dass die Universität ihre Freizugsplanungen mehrfach verschoben hat“, teilt die AGB auf Anfrage mit. Soll heißen: Da der Umzug der Goethe-Universität von Bockenheim unter anderem auf den Campus Westend und den Campus Riedberg offiziell noch immer nicht vollständig abgeschlossen ist, ist das Gelände in Bockenheim eben auch noch nicht regelkonform freigegeben. Auch das Land weist jede Schuld von sich. „Das Land hat auf Grundlage der gemeinsamen Machbarkeitsstudie von 2018 seine Hausaufgaben gemacht. Während Raumprogramm und Finanzierung für den Hochschulneubau stehen, ist das städtische Raumprogramm für das Zentrum der Künste einschließlich Frankfurt LAB seit 2018 stark angewachsen, ohne dass dafür die Finanzierung auch nur dem Grunde nach geklärt wurde“, argumentiert ein Sprecher das Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst (HMWK). „Es ist an der Stadt, sich für ein Raumprogramm zu entscheiden, das sich mit dem der Hochschule vereinbaren lässt“, sagt er.
Doch gerade in der Stadt herrscht noch immer Unklarheit darüber, wie das gesamte Areal überhaupt gegliedert werden soll. Denn nach Darstellung des Kulturdezernats habe nach ein „paar Jahren des Stillstands“ 2022 eine Studie gezeigt, dass die ursprünglichen Pläne im Grunde genommen gar nicht realisierbar seien – sofern das ehemalige Juridicum als Gebäude erhalten bleibt. Und das will die Stadt unbedingt. „Das Baufeld muss neu geordnet werden und das hat Konsequenzen auch für die Hochschule“, sagt ein Sprecher des Kulturdezernats. Außerdem müsse das Land erst einmal erklären, „was es mit der Hochschule final machen will“ und wie es „mit der alten Baumasse der Hochschule umgehen will“. Das Ministerium geht hingegen davon aus, „dass die Stadt das Anliegen des Landes teilt, dass die Hochschule nicht unter anderen Überlegungen leiden darf, und erwartet, dass die Stadt mit konkreten Vorschlägen zur Realisierbarkeit der Überlegungen auf das Land zugeht, auch, was die Vorgaben des Bebauungsplans angeht und die Frage, wie dieser gegebenenfalls anzupassen wäre, ohne dass weitere Verzögerungen entstehen“.
Immerhin, heißt es einvernehmlich aus der Stadt, befinde man sich „in Gesprächen, wie wir mit der neuen Situation umgehen wollen“. Aber was bedeutet das für den Kulturcampus? „Aus Sicht des Landes könnte der mit der Stadt Frankfurt vor einiger Zeit vereinbarte gemeinsame Architektenwettbewerb mit einem Realisierungsteil für die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst und einem Ideenteil für das Zentrum der Künste einschließlich des Frankfurt LAB sowie den Wohnanteil der ABG zeitnah gestartet werden“, sagt der Ministeriumssprecher. Denn: „Die HfMDK braucht dringend einen Neubau, er ist essenziell für die Weiterentwicklung der Hochschule. Es wäre sehr bedauerlich, wenn das Land gezwungen würde, sich nach einem anderen Standort umzuschauen.“ Das klingt mutmaßlich nach einer Mischung aus Drohung und politischem Säbelrasseln – doch auch Elmar Fulda hat bereits öffentlich darüber nachgedacht, ob die Hochschule nicht Frankfurt verlassen könnte. Was käme in Frage? „Gern wären wir auch in Frankfurt so weit wie mit dem Wettbewerb für den HfG-Neubau in Offenbach, dessen Ergebnis bereits vorliegt“, heißt es aus dem Ministerium. Denn der östliche Nachbar von Hessens größter Stadt hat fast in der gleichen Zeit aus einem ehemaligen Industriehafen ein komplettes Quartier geschaffen, das künftig die Hochschule für Gestaltung (HfG) beherbergen soll. Die Ergebnisse des Architekturwettbewerbs wurden gerade veröffentlicht.
20. März 2023, 13.26 Uhr
Christian Rupp
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Text: Lukas Mezler / Foto: Gloriosa, die größte Glocke Frankfurts © Harald Schröder
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24. Dezember 2024
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