Das Neue Frankfurt ist eines der größten Städtebauprojekte der Stadtgeschichte. Es ging um eine Verbesserung der Lebensumstände. Bürgermeister Landmann beauftragte 1924 den Stadtplaner Ernst May mit den Neubauten.
Jasmin Schülke/ Jonas Lohse /
Das Jahr 1925 markiert den Beginn eines der größten städtebaulichen Projekte der Moderne. Frankfurt war gebeutelt von der Inflation, es herrschte akuter Wohnraummangel und Modernisierungsbedarf. Ein drängendes Problem, das der 1924 gewählte Oberbürgermeister Ludwig Landmann umgehend anging: Er berief den Architekten und Stadtplaner Ernst May zum Stadtbaurat. Dieser legte ein Wohnungsbauprogramm vor, das die Not in der Stadt in zehn Jahren beseitigen sollte.
1931 lebten bereits 10 Prozent der Einwohner Frankfurts in den neu geschaffenen Siedlungen
In den folgenden Jahren entstanden über 12 000 Wohnungen, Industrie- und Gewerbebauten, Schulen, Kirchen, Sportstätten und Verwaltungsgebäude. May engagierte dafür ein Team aus Fachleuten, die den Masterplan vorantrieben: unter anderem mit Martin Elsaesser, Adolf Meyer, Ferdinand Kramer und Margarete Schütte-Lihotzky. 1931 lebten bereits 10 Prozent der Einwohner Frankfurts in den neu geschaffenen Siedlungen – ein Bautempo, das sich mancher auch heute wünschen würde.
Die Zeugnisse des international bedeutendsten Bauprojekts der Moderne haben Frankfurts Architektur signifikant geprägt. Den Großteil der Bauten bilden Siedlungen. 17 sind im Stadtgebiet zu finden. Bei den vielen Bauten wurden, um Kosten zu sparen und die Bauzeit so kurz wie möglich zu halten, vereinheitlichende Elemente verwendet. Durch die Abwechslung von Backstein und Putz, rythmisierte Fenster und dekorative Elemente sind diese Häuser jedoch nicht monoton und einfallslos.
Ein rekonstruiertes Ernst-May-Haus ist in der Römerstadt, Im Burgfeld 136, zu finden. Ernst May konzipierte das Haus als ein voll unterkellertes Wohnhaus mit fünf Zimmern und einem Garten. Die Häuser der May-Siedlungen unterschieden sich in Lage, Größe und Ausstattung erheblich von den unzulänglich ausgestatteten und beengten Mietshäusern, wie sie in der Frankfurter Innenstadt üblich waren. Das Neue Frankfurt sollte nicht nur die große Wohnungsnot lindern, sondern auch die Lebensumstände der Menschen verbessern. Licht, Luft und Grün sollten für alle da sein. Viele Wohneinheiten hatten deshalb kleine Gärten.
Schwimmbäder für das Neue Frankfurt
Es wurden Schwimmbäder gebaut, wie das von Martin Elsaesser konzipierte Gartenbad in Fechenheim. Der Palmengarten bekam sein schönes Gesellschaftshaus mit dem wunderbaren Anbau im Westen. Beim Neuen Frankfurt ging es um nicht weniger als eine grundlegende Reform der Verhältnisse und Lebensumstände. Diese Reform bildete sich auch in der Innenarchitektur ab. Eines der bekanntesten Beispiele ist die „Frankfurter Küche“ der Wiener Architektin Margarete Schütte-Lihotzky. Entwickelt wurde die Küche 1926 und gilt als Urtyp der modernen Einbauküche. Alle Utensilien sollten mit einem Handgriff erreichbar sein, alle Arbeitsabläufe sollten – ähnlich wie in der Industrie – optimiert sein. Zwischen 1926 und 1930 entstanden laut Ernst-May-Gesellschaft 10 000 dieser Einbauküchen in Serienproduktion, von denen nur einige wenige noch erhalten sind. Zwei davon sind in Frankfurt zu sehen: im Museum Angewandte Kunst und im Ernst-May-Haus.
Als die Stadt sich neu erfand
Dass das Neue Frankfurt vor allem im Wohnungsbau sichtbar wurde, ist der immensen Wohnraumknappheit Mitte der 1920er Jahren geschuldet. Doch nicht nur die immense Wohnungsnot jener Zeit, sondern auch andere zukunftsweisende Infrastrukturprojekte ging der Oberbürgermeister konsequent an und nahm dafür hohe Schulden in Kauf. Frankfurt bekam seinen Flughafen (damals noch am Rebstock), außerdem trieb Landmann als Schirmherr die Planungen zur HaFraBa (der heutigen Autobahn A5) voran, die die Hansestädte mit Frankfurt und Basel verbinden und Frankfurt zu einem zentralen Verkehrsknoten entwickeln sollte.
Messe neu belebt
Um dem Handel neue Impulse zu geben, belebte Landmann die Frankfurter Messe neu. 1927 fand dort im Rahmen des „Sommers der Musik“ die internationale Ausstellung „Musik im Leben der Völker“ statt. All das war natürlich nicht aus dem städtischen Steueraufkommen zu finanzieren, schon gar nicht in der herausfordernden Zeit der 1920er-Jahre. Wegen der hohen Schulden, die die Stadt Frankfurt damals machte, wurde Landmann von den auch in Frankfurt erstarkenden rechten Parteien angefeindet. Doch er entgegnete, dass sich noch nie eine Stadt „emporgeknausert“ habe. Für Landmann waren Kultur und Freizeitangebote nicht zuletzt auch wichtige Wirtschaftsfaktoren, und „notwendig zur Aufrechterhaltung des tätigen Lebens, um das Leben fernerhin lebenswert zu machen“.