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5. Alternativer Drogen- und Suchtbericht
„Frankfurt ist eine Ausnahme in vielen Bereichen“
Im 5. Alternativen Drogen- und Suchtbericht geht es vorrangig um drei Themen: Kriminalisierung von Drogen, Tabakpolitik und Umgang mit drogenabhängigen Gefängnisinsassen. Es gebe laut Experten in Deutschland für die Bundesregierung noch viel zu tun, doch Frankfurt könne sich weit vorne sehen.
Deutschland gilt als Industrieland. Mit seiner weit entwickelten industriellen Produktion und dem hohen Wohlstandsniveau ist die Bundesrepublik weit davon entfernt, als Schwellen- oder Entwicklungsland bezeichnet zu werden. Aber genau das tut Heino Stöver vom Institut für Suchtforschung Frankfurt - und zwar wenn es um die Tabakpolitik geht. „Deutschland ist ein Entwicklungsland in der Tabakpolitik“, sagt er und bezieht sich dabei auf eine der Erkenntnisse der aktuellen Drogenpolitik in Deutschland, die im 5. Alternativen Drogen- und Suchtbericht (ADSB) gewonnen wurden.
Der ADSB will Defizite in der Drogenpolitik identifizieren und gibt, basierend auf Einschätzungen von Experten aus der Sucht- und Präventionsforschung sowie der Drogenhilfe, Empfehlungen für erfolgreiche Maßnahmen. Als "alternativ" wird der Bericht deshalb bezeichnet, weil die Fachleute mit der bisherigen Vorgehensweise solcher Forschungen nicht zufrieden waren. Initiiert wird der ASDB vom Institut für Suchtforschung Frankfurt am Main (ISFF) an der Frankfurt University of Applied Science, das Centre for Drug Research der Goethe-Universität, vom Verein akzept, der Deutschen Aids-Hilfe und das Selbsthilfe-Netzwerk JES Bundesverband. Der ADSB richtet sich mit konkreten Veränderungsvorschlägen von Experten an die Politik und Fachverbände und zeigt Wege zu einer rationalen, evidenzbasierten Drogenpolitik auf.
Stöver und Bernd Werse vom Centre of Drug Research stellten am Mittwoch den neuen ASDB vor. Dass Stöver Deutschland als Entwicklungsland in der Tabakpolitik bezeichnet, hat für ihn einen guten Grund: Die Empfehlungen der World Health Organization (WHO) würden nicht befolgt werden, was auch in dem Bericht dargestellt wird. „Deutschland rollt den roten Teppich für die Tabakindustrie aus“, erklärte Stöver und nannte als Beispiele die riesigen Plakate an Bus- und Bahnhaltestellen, den leichten Zugang zu Zigaretten sowie die fast halbe Millionen Automaten, die in Deutschland verteilt stehen. Denn Fakt ist: Die Bundesrepublik ist das einzige EU-Land, in dem es kein Tabakwerbeverbot gibt. Deshalb befindet sich Deutschland mit 16 Millionen rauchenden Menschen - was in etwa 28 Prozent der Bevölkerung ausmacht - auf Platz neun weltweit in der Rangliste der Raucher in absoluten Zahlen. Folgen wie früher Tod und Krebs könnten reduziert werden, würden die Menschen darüber aufgeklärt werden, dass Ersatzprodukte wie Nikotinpflaster und E-Zigaretten weitaus weniger Schadstoffe enthalten als Verbrennungszigaretten, meinte Stöver. Dass E-Zigaretten jedoch fast 50 Prozent weniger schädlich sind, sei durch den Mangel an Aufklärung jedoch vielen Menschen nicht bekannt. Hier sieht Stöver Verbesserungsbedarf bei der Bundesregierung, um die Bevölkerung besser zu informieren.
Ein weiteres großes Problem, welches die Experten hervorheben wollen, ist die Kriminalisierung von Konsumenten illegaler Drogen. „Die Polizeiaufgriffe für konsumnahe Delikte sind massiv angestiegen“, sagte Bernd Werse. „Letztes Jahr gab es sogar einen Rekord.“ Die Autoren des 5. ADSB kritisieren vor allem auch, dass Konsumenten immer stärker in den Fokus der Strafverfolgung geraten. Sie sind sich einig, dass die Verfolgung von Konsumenten, von denen die meisten die Drogen nur in Maßen und gelegentlich einnehmen wie beispielsweise Cannabis, nichts bringt. Es müsse stärker auf die Dealer gesetzt werden, die diese Drogen in Umlauf bringen. „Mit polizeilichen Mitteln ist es kaum möglich, Herstellung und Vertrieb von Drogen zu unterbinden. Stattdessen müssen Lösungen gefunden werden, um den Drogenmarkt zu regulieren und eine medikamentengestützte Behandlung zu ermöglichen“, erklärte Stöver. „Es geht um eine Regulation der Drogennachfrage, statt sie allein der Polizei zu überlassen, sowie um die Ermöglichung eines legalen Zugangs zu der am häufigsten genutzten illegalen Droge Cannabis.“ Darüber hinaus erwähnte Stöver, dass ein besserer Umgang mit drogenkonsumierenden Gefängnisinsassen erfolgen solle, denn die meisten von ihnen hätten keinen Zugang zu sterilem Besteck und würden nach Entlassung schnell wieder abhängig werden, weshalb mehr als 80 Prozent der wohnungslosen Konsumenten schon mal im Gefängnis waren. Der Bericht stellt zudem die Frage in den Fokus, wie der Umgang mit drogenkonsumierenden Gefängnisinsassen erfolgen solle und welche Maßnahmen beim Übergang von der Haft in die Freiheit beachtet werden müssten.
Weitere Schwerpunktthemen der 5. Ausgabe des ADSB sind der Umgang mit dem Konsum von Cannabis sowie der Umgang mit der legalen Droge Alkohol. „Es gibt viel zu viele relevante Themen, die von der Drogenpolitik der Bundesregierung teilweise oder komplett vernachlässigt werden“, erläuterte Werse. „Daher wurde es dringend notwendig, diesen Themen mit dem ADSB ein Forum zu bieten.“ Frankfurt sei eine Ausnahme in vielen Bereichen, räumten die Experten ein. So viel wie hier würde in keiner anderen Großstadt gemacht werden. Das Drogenreferat sei einmalig und die Todesrate bei Drogenkonsumenten im Vergleich zu anderen Städten wie Berlin oder München relativ gering. Dennoch könnten solche Großstädte unabhängig der Bundesregierung vieles selbst tun. So empfehlen die Fachleute, dass Frankfurt eine eigene Drogenpolitik entwickelt, Zigarettenautomaten reduziert und keine Konzessionen mehr ausstellt.
Der komplette Bericht ist auf www.alternativer-drogenbericht.de zu finden.
Der ADSB will Defizite in der Drogenpolitik identifizieren und gibt, basierend auf Einschätzungen von Experten aus der Sucht- und Präventionsforschung sowie der Drogenhilfe, Empfehlungen für erfolgreiche Maßnahmen. Als "alternativ" wird der Bericht deshalb bezeichnet, weil die Fachleute mit der bisherigen Vorgehensweise solcher Forschungen nicht zufrieden waren. Initiiert wird der ASDB vom Institut für Suchtforschung Frankfurt am Main (ISFF) an der Frankfurt University of Applied Science, das Centre for Drug Research der Goethe-Universität, vom Verein akzept, der Deutschen Aids-Hilfe und das Selbsthilfe-Netzwerk JES Bundesverband. Der ADSB richtet sich mit konkreten Veränderungsvorschlägen von Experten an die Politik und Fachverbände und zeigt Wege zu einer rationalen, evidenzbasierten Drogenpolitik auf.
Stöver und Bernd Werse vom Centre of Drug Research stellten am Mittwoch den neuen ASDB vor. Dass Stöver Deutschland als Entwicklungsland in der Tabakpolitik bezeichnet, hat für ihn einen guten Grund: Die Empfehlungen der World Health Organization (WHO) würden nicht befolgt werden, was auch in dem Bericht dargestellt wird. „Deutschland rollt den roten Teppich für die Tabakindustrie aus“, erklärte Stöver und nannte als Beispiele die riesigen Plakate an Bus- und Bahnhaltestellen, den leichten Zugang zu Zigaretten sowie die fast halbe Millionen Automaten, die in Deutschland verteilt stehen. Denn Fakt ist: Die Bundesrepublik ist das einzige EU-Land, in dem es kein Tabakwerbeverbot gibt. Deshalb befindet sich Deutschland mit 16 Millionen rauchenden Menschen - was in etwa 28 Prozent der Bevölkerung ausmacht - auf Platz neun weltweit in der Rangliste der Raucher in absoluten Zahlen. Folgen wie früher Tod und Krebs könnten reduziert werden, würden die Menschen darüber aufgeklärt werden, dass Ersatzprodukte wie Nikotinpflaster und E-Zigaretten weitaus weniger Schadstoffe enthalten als Verbrennungszigaretten, meinte Stöver. Dass E-Zigaretten jedoch fast 50 Prozent weniger schädlich sind, sei durch den Mangel an Aufklärung jedoch vielen Menschen nicht bekannt. Hier sieht Stöver Verbesserungsbedarf bei der Bundesregierung, um die Bevölkerung besser zu informieren.
Ein weiteres großes Problem, welches die Experten hervorheben wollen, ist die Kriminalisierung von Konsumenten illegaler Drogen. „Die Polizeiaufgriffe für konsumnahe Delikte sind massiv angestiegen“, sagte Bernd Werse. „Letztes Jahr gab es sogar einen Rekord.“ Die Autoren des 5. ADSB kritisieren vor allem auch, dass Konsumenten immer stärker in den Fokus der Strafverfolgung geraten. Sie sind sich einig, dass die Verfolgung von Konsumenten, von denen die meisten die Drogen nur in Maßen und gelegentlich einnehmen wie beispielsweise Cannabis, nichts bringt. Es müsse stärker auf die Dealer gesetzt werden, die diese Drogen in Umlauf bringen. „Mit polizeilichen Mitteln ist es kaum möglich, Herstellung und Vertrieb von Drogen zu unterbinden. Stattdessen müssen Lösungen gefunden werden, um den Drogenmarkt zu regulieren und eine medikamentengestützte Behandlung zu ermöglichen“, erklärte Stöver. „Es geht um eine Regulation der Drogennachfrage, statt sie allein der Polizei zu überlassen, sowie um die Ermöglichung eines legalen Zugangs zu der am häufigsten genutzten illegalen Droge Cannabis.“ Darüber hinaus erwähnte Stöver, dass ein besserer Umgang mit drogenkonsumierenden Gefängnisinsassen erfolgen solle, denn die meisten von ihnen hätten keinen Zugang zu sterilem Besteck und würden nach Entlassung schnell wieder abhängig werden, weshalb mehr als 80 Prozent der wohnungslosen Konsumenten schon mal im Gefängnis waren. Der Bericht stellt zudem die Frage in den Fokus, wie der Umgang mit drogenkonsumierenden Gefängnisinsassen erfolgen solle und welche Maßnahmen beim Übergang von der Haft in die Freiheit beachtet werden müssten.
Weitere Schwerpunktthemen der 5. Ausgabe des ADSB sind der Umgang mit dem Konsum von Cannabis sowie der Umgang mit der legalen Droge Alkohol. „Es gibt viel zu viele relevante Themen, die von der Drogenpolitik der Bundesregierung teilweise oder komplett vernachlässigt werden“, erläuterte Werse. „Daher wurde es dringend notwendig, diesen Themen mit dem ADSB ein Forum zu bieten.“ Frankfurt sei eine Ausnahme in vielen Bereichen, räumten die Experten ein. So viel wie hier würde in keiner anderen Großstadt gemacht werden. Das Drogenreferat sei einmalig und die Todesrate bei Drogenkonsumenten im Vergleich zu anderen Städten wie Berlin oder München relativ gering. Dennoch könnten solche Großstädte unabhängig der Bundesregierung vieles selbst tun. So empfehlen die Fachleute, dass Frankfurt eine eigene Drogenpolitik entwickelt, Zigarettenautomaten reduziert und keine Konzessionen mehr ausstellt.
Der komplette Bericht ist auf www.alternativer-drogenbericht.de zu finden.
9. August 2018, 11.00 Uhr
Martina Schumacher
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