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Wohnungsneubau

Suhrkamp-Haus vor dem Abriss

Das einstige Haus des Suhrkamp-Verlags in der Lindenstraße wird durch einen Luxus-Wohnbau ersetzt. Im Frühjahr beginnt der Abriss. Es ist zugleich der Schlussakt der Beziehung zwischen Stadt und Verlag.
Der Architekt Karl Richter schaut ein wenig schuldbewusst zu Joachim Unseld herüber. Im Redemanuskript steht jetzt eigentlich, dass die Architektur die Mutter aller Künste sei. Nun aber sagt er: "Nicht die Architektur ist die Mutter aller Künste, es ist und bleibt die Literatur." Der Sohn des legendären Verlegers lehnt an einer Wand im Saal des Erdgeschosses des Verlagshauses, für ihn ist das Kapitel Suhrkamp schon seit vergangenem Jahr abgeschlossen als er seine letzten Anteile verkaufte, und sich nun vollständig um seinen eigenen Betrieb kümmert, die Frankfurter Verlagsanstalt, die die Verbundenheit zur Stadt schon im Namen trägt. Suhrkamp ist in Berlin, so wie es die Verleger-Witwe Ulla Unseld-Berkewicz wollte. Ob das gut ist oder schlecht, das steht heute nicht zur Debatte. Es geht um die, wie Richter sagt, prosaische Nutzung des Grundstücks für Eigentumswohnungen.

19 Wohnungen zwischen 90 und 220 Quadratmetern lässt der Inveor Erkin Köksal errichten, die Inneneinrichtung stammt von Oana Rosen, was für Qualität bürgt, denn sie hat unter anderem schon für das Designhotel Roomers verantwortlich gezeichnet. Es bürgt natürlich auch für gewisse Kosten, über die Erkin Köksal noch nichts sagen kann, weil er noch schauen muss, wie teuer die Haustechnik wird. Allein die Tatsache, dass er über einen Iris-Scan an den Türen nachdenkt, zeigt aber, dass es hier mitten im Westend gewiss nicht um ein soziales Wohnungsbauprojekt geht.

"Wir haben uns wirklich überlegt, das alte Gebäude umzugestalten", sagt Köksal. Doch letztlich sei die Umwandlung der langen Bürofluchten in Wohnungen nicht möglich gewesen. So muss der 50er-Jahre-Bau weichen, ab kommendem Jahr soll der Abriss beginnen, Ende 2012 sollen die Wohnungen bezogen werden können.

Joachim Unseld möchte zu alldem nichts sagen, außer vielleicht, das dies eben eben normal in einer Stadt sei. Ein leerstehendes, ungenutztes Haus verschwinde, ein neues entstehe. Er erzählt auch, dass der Verlag das Haus nicht habe bauen lassen. Vordem sei dort eine Bank untergebracht gewesen. Das ist beim Gang in den Keller auch noch deutlich zu erkennen: eine dicke Tresortür beherrscht einen der Gänge, in denen noch diverse Suhrkamp-Plakate, die meisten halbzerrissen auf dem Boden liegen. Im Erdgeschoss lacht einen die regenbogenfarbene edition suhrkamp an, im Obergeschoss sind nur braune Bücherregale geblieben, hinter einem Schrank lugt noch ein Band der Verlagsgeschichte des Hauses hervor. Suhrkamp ist hier nicht mehr. Doch einen Seitenhieb auf die Exilierung des Verlags nach Berlin konnte sich auch Erkin Köksal nicht verkneifen. Das Wohnhaus wird unter dem Namen "Unter den Linden" vermarktet.
 
Fotogalerie: Suhrkamp-Haus vor dem Abriss
 
13. Oktober 2010, 11.30 Uhr
red
 
 
 
 
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