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MOMEM-Eröffnung
Sie sind hartnäckig geblieben
Nach jahrelangen Ankündigungen ist es am Mittwoch so weit: Das Museum of Modern Electronic Music (MOMEM) feiert am 6. April sein Opening. Anlass genug, ein Schlaglicht auf die Frankfurter Szene der elektronischen Musik zu werfen.
Alex Azary und Andreas Tomalla aka Talla 2XLC, zwei Frankfurter Pioniere der elektronischen Musik, haben für das MOMEM gekämpft. Fünf Jahre war die Eröffnung im Gespräch, immer wieder wurde sie verschoben, zuletzt coronabedingt. Nun kann das weltweit erste Museum elektronischer Musik endlich eröffnet werden. Die Idee dazu liegt über zehn Jahre zurück: Talla war 2011 auf Einladung des Goethe-Instituts in Usbekistan und Tadschikistan. „Ich habe in Schulen über die History of Techno gesprochen, die jungen Leute waren so begeistert. Wie ich zurück war, habe ich Alex angerufen und zu ihm gesagt: Lass uns ein Museum für elektronische Musik machen. Wir müssen den Leuten zeigen, wie alles angefangen hat. Die Clubs, die Sounds, die Menschen – das alles darf nicht verloren gehen und wir müssen neue Leute dafür begeistern.“ Azary war zunächst skeptisch: „Ein Museum allein wäre für mich zu kurz gesprungen gewesen. Da denkt man an Memorabilia, Ritterrüstungen und so. Wir sprechen aber von einer Kultur, die noch lange nicht abgeschlossen ist.“
Azary und Talla haben ein Konzept geschrieben und Stefan Weil und somit Atelier Markgraph für die weitere Konzeption, deren Gestaltung und Museografie gewinnen können. Das Trio kennt sich noch aus Dorian-Gray-Tagen. Weil war damals Grafiker des Programmheftes des Technoclubs im Dorian Gray, der frühen „Frontpage“. „Mit diesem Konzept sind wir 2013 zur Stadt Frankfurt gegangen“, sagt Azary. Felix Semmelroth, damals Kulturdezernent, versprach, sich für das Projekt einzusetzen. Als idealen Ort stellten sich Azary und Talla die Innenstadt vor, dort befanden sich früher die Clubs Vogue, das spätere Omen, das XS, Uno, No Name, U60311, Monza, u.a. An der Hauptwache trafen sich die Skater. Die Frankfurter Innenstadt, das war schon immer ein Ort der Jugendkultur und der Clubkultur.
Ende 2014 kam das Kulturdezernat auf Azary und Talla mit der Nachricht zu, dass das Kindermuseum 2016 ausziehen wird. Die Lage: Hauptwache, im sogenannten „Loch“, 40 Meter von Tallas erstem Club No Name entfernt. „Ich wusste, das ist es“, sagt Azary. 2019 sollte eigentlich eröffnet werden, doch auf die Räume mussten sie länger warten als gedacht, Zuständigkeitswechsel nach der Kommunalwahl, Terminverschiebungen und zuletzt Corona warfen das Projekt zurück und einige haben nicht mehr so richtig daran geglaubt, das noch was daraus wird. Es gab nur eine Absichtserklärung. Alex Azary und Talla blieben dran und konnten OB Feldmann als Unterstützer gewinnen.
Was ist zu sehen? Das MOMEM ist 800 Quadratmeter groß, davon sind rund 500 Quadratmeter Ausstellungsfläche. Eyecatcher: Zwölf Leuchtsäulen, die farblich programmierbar sind. Es gibt einen Check-in-Counter aus einer Festival-Lautsprecher-Einheit, ein DJ-Pult und rund 20 000 Vinyl-Platten und Zehntausende Magazine zur elektronischen Musik, darunter viele Spenden und Leihgaben. Sie sollen archiviert werden und zum Teil auch für die Besucherinnen und Besucher zugänglich sein. Wer sich in die globale Geschichte der elektronischen Musik vertiefen will, findet beispielsweise Literatur von Matthew Collins – sein Buch „Rave on“ – gilt als Standardwerk. Das britische Magazin „Electronic Sound“, eine der zentralen Quellen für elektronische Musik hat dem MOMEM seinen back catalogue zur Verfügung gestellt. Konzipiert ist das Museum als „Spatial Sampler“, der immer wieder neu bespielt wird. Auf der „Creator‘s Stage“ sollen Talks, Panels und Konzerte stattfinden. Das MOMEM soll eine offene Plattform sein, ein fester Ort, der digital erweitert werden kann.
Es geht los mit einer Einzelausstellung, die „Babba“ Sven Väth gewidmet ist: „It’s simple to tell what saved us from hell“ lautet der Titel. Väth hat dafür mit einem weiteren Frankfurter, dem Künstler und Städelschul-Professor Tobias Rehberger, zusammengearbeitet. Kurator ist Torben Giese vom StadtPalais Stuttgart. „Es soll keine anekdotische oder enzyklopädische Schau werden, in der ein T-Shirt gezeigt wird, das Sven bei der Loveparade angehabt hat“, so Rehberger. Die Schau soll Sven Väth portraitieren, sowohl ideell als auch visuell. Präsentiert werden Fotos von Daniel Woeller, der Väth lange begleitet hat. Auch ein Teil der Kunstsammlung des DJs ist zu sehen. Zu viel will Rehberger noch nicht spoilern, aber so viel vorab: Gezeigt wird seine Arbeit „Ecstasy and Agony“ von 2014, die in Väths Studio entstanden ist, zudem eine Fotoarbeit Andreas Gurskys aus der „Cocoon“-Serie.
Im MOMEM soll es eine Live-Area geben. Hier können Väths Platten von den Besuchern aufgelegt werden. Der DJ selbst legt im Gegensatz zu vielen Kollegen nach wie vor Vinyl auf. Dafür werden seine Plattenkoffer hinter dem DJ-Pult aufgebaut, in denen die Vinyl-Scheiben lagern. „Wenn ich noch 16 wäre und das wüsste, würde ich sofort hingehen. Da kann jeder seinen eigenen kleinen Club veranstalten oder üben, wie ein Club geht“, sagt Rehberger. Seiner Meinung nach werde das MOMEM immer noch unterschätzt. „Wenn ich die internationale Resonanz sehe, scheint mir, dass das bei der Stadt nicht ganz angekommen ist, was sie hier in den Händen halten.“ Rehbergers Rufe scheinen im Römer angekommen zu sein. Eine Woche nach dem Gespräch erreicht uns aus dem Römer die Nachricht, dass die MOMEM-Eröffnung am 6. April mit einem Empfang in der Paulskirche eingeleitet wird.
Im Vorfeld gab es Kritik, dass das MOMEM ein eurozentristisches, konservatives Projekt sei. Das ist bei weitem nicht so, sagt Weil: „Das MOMEM baut die Brücke von der Black Legacy mit Fela Kuti und Frankie Knuckles zur Female Future mit Afrodeutsche, Helena Hauff und Sofia Kourtesis.“ Auf den High Brightness Screens der Fassade werden die Ursprünge und die weiblichen Protagonistinnen der elektronischen Musik gezeigt. Die Fassade soll außerdem durch interaktive Inhalte erweitert werden, so ist beispielsweise ein Music Game in Arbeit. Mengi Zeleke, der seit über zwei Jahrzehnten in der Musikbranche ist, ist ein Supporter des Projekts: „Musik schafft es wie kaum ein anderes Medium, die Menschen universell zu vereinen und Brücken zu bauen.“ Und Azary ergänzt: „Die elektronische Musik basiert auf Rhythmus, Beat und Sound. Sie ist eine internationale Sprache, die überall auf dem Globus verstanden wird.“ So könnten nach dem Frankfurter Vorbild weitere MOMEMs an für die Musik bedeutenden Standorten entstehen, wie zum Beispiel in Chicago oder Detroit, meint Zeleke.
Ab Herbst soll eine Gruppenausstellung mit internationalen Künstlerinnen und Künstlern gezeigt werden. Ein Protagonist wird der Londoner Künstler Ian Robinson sein, der in hyperrealistischer Manier Schallplatten malt und der Graphic-Arts-Künstler Optigram sowie andere mit einer großen Affinität zur Clubkultur. Die Zwischenebene der Hauptwache könnte zu einem Treffpunkt nicht nur für die Jugendkultur werden und die Innenstadt wieder beleben.
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Auftakt im MOMEM ist am Mittwoch, 6. April, ab 15 Uhr. Ab 18 Uhr ist eine Eröffnungszeremonie in der Paulskirche geplant, ab 19 Uhr wird Sven Väth auflegen. Darüber hinaus haben sich mit Fotograf Andreas Gursky und dem britischen Streetart-Künstler Banksy noch zwei weitere, international bekannte Künstler angekündigt. Die Eröffnungsfeier an der Hauptwache ist öffentlich, erst in den Folgetagen werden Tickets benötigt.
Dieser Text ist zuerst in der April-Ausgabe (4/22) des JOURNAL FRANKFURT erschienen.
Azary und Talla haben ein Konzept geschrieben und Stefan Weil und somit Atelier Markgraph für die weitere Konzeption, deren Gestaltung und Museografie gewinnen können. Das Trio kennt sich noch aus Dorian-Gray-Tagen. Weil war damals Grafiker des Programmheftes des Technoclubs im Dorian Gray, der frühen „Frontpage“. „Mit diesem Konzept sind wir 2013 zur Stadt Frankfurt gegangen“, sagt Azary. Felix Semmelroth, damals Kulturdezernent, versprach, sich für das Projekt einzusetzen. Als idealen Ort stellten sich Azary und Talla die Innenstadt vor, dort befanden sich früher die Clubs Vogue, das spätere Omen, das XS, Uno, No Name, U60311, Monza, u.a. An der Hauptwache trafen sich die Skater. Die Frankfurter Innenstadt, das war schon immer ein Ort der Jugendkultur und der Clubkultur.
Ende 2014 kam das Kulturdezernat auf Azary und Talla mit der Nachricht zu, dass das Kindermuseum 2016 ausziehen wird. Die Lage: Hauptwache, im sogenannten „Loch“, 40 Meter von Tallas erstem Club No Name entfernt. „Ich wusste, das ist es“, sagt Azary. 2019 sollte eigentlich eröffnet werden, doch auf die Räume mussten sie länger warten als gedacht, Zuständigkeitswechsel nach der Kommunalwahl, Terminverschiebungen und zuletzt Corona warfen das Projekt zurück und einige haben nicht mehr so richtig daran geglaubt, das noch was daraus wird. Es gab nur eine Absichtserklärung. Alex Azary und Talla blieben dran und konnten OB Feldmann als Unterstützer gewinnen.
Was ist zu sehen? Das MOMEM ist 800 Quadratmeter groß, davon sind rund 500 Quadratmeter Ausstellungsfläche. Eyecatcher: Zwölf Leuchtsäulen, die farblich programmierbar sind. Es gibt einen Check-in-Counter aus einer Festival-Lautsprecher-Einheit, ein DJ-Pult und rund 20 000 Vinyl-Platten und Zehntausende Magazine zur elektronischen Musik, darunter viele Spenden und Leihgaben. Sie sollen archiviert werden und zum Teil auch für die Besucherinnen und Besucher zugänglich sein. Wer sich in die globale Geschichte der elektronischen Musik vertiefen will, findet beispielsweise Literatur von Matthew Collins – sein Buch „Rave on“ – gilt als Standardwerk. Das britische Magazin „Electronic Sound“, eine der zentralen Quellen für elektronische Musik hat dem MOMEM seinen back catalogue zur Verfügung gestellt. Konzipiert ist das Museum als „Spatial Sampler“, der immer wieder neu bespielt wird. Auf der „Creator‘s Stage“ sollen Talks, Panels und Konzerte stattfinden. Das MOMEM soll eine offene Plattform sein, ein fester Ort, der digital erweitert werden kann.
Es geht los mit einer Einzelausstellung, die „Babba“ Sven Väth gewidmet ist: „It’s simple to tell what saved us from hell“ lautet der Titel. Väth hat dafür mit einem weiteren Frankfurter, dem Künstler und Städelschul-Professor Tobias Rehberger, zusammengearbeitet. Kurator ist Torben Giese vom StadtPalais Stuttgart. „Es soll keine anekdotische oder enzyklopädische Schau werden, in der ein T-Shirt gezeigt wird, das Sven bei der Loveparade angehabt hat“, so Rehberger. Die Schau soll Sven Väth portraitieren, sowohl ideell als auch visuell. Präsentiert werden Fotos von Daniel Woeller, der Väth lange begleitet hat. Auch ein Teil der Kunstsammlung des DJs ist zu sehen. Zu viel will Rehberger noch nicht spoilern, aber so viel vorab: Gezeigt wird seine Arbeit „Ecstasy and Agony“ von 2014, die in Väths Studio entstanden ist, zudem eine Fotoarbeit Andreas Gurskys aus der „Cocoon“-Serie.
Im MOMEM soll es eine Live-Area geben. Hier können Väths Platten von den Besuchern aufgelegt werden. Der DJ selbst legt im Gegensatz zu vielen Kollegen nach wie vor Vinyl auf. Dafür werden seine Plattenkoffer hinter dem DJ-Pult aufgebaut, in denen die Vinyl-Scheiben lagern. „Wenn ich noch 16 wäre und das wüsste, würde ich sofort hingehen. Da kann jeder seinen eigenen kleinen Club veranstalten oder üben, wie ein Club geht“, sagt Rehberger. Seiner Meinung nach werde das MOMEM immer noch unterschätzt. „Wenn ich die internationale Resonanz sehe, scheint mir, dass das bei der Stadt nicht ganz angekommen ist, was sie hier in den Händen halten.“ Rehbergers Rufe scheinen im Römer angekommen zu sein. Eine Woche nach dem Gespräch erreicht uns aus dem Römer die Nachricht, dass die MOMEM-Eröffnung am 6. April mit einem Empfang in der Paulskirche eingeleitet wird.
Im Vorfeld gab es Kritik, dass das MOMEM ein eurozentristisches, konservatives Projekt sei. Das ist bei weitem nicht so, sagt Weil: „Das MOMEM baut die Brücke von der Black Legacy mit Fela Kuti und Frankie Knuckles zur Female Future mit Afrodeutsche, Helena Hauff und Sofia Kourtesis.“ Auf den High Brightness Screens der Fassade werden die Ursprünge und die weiblichen Protagonistinnen der elektronischen Musik gezeigt. Die Fassade soll außerdem durch interaktive Inhalte erweitert werden, so ist beispielsweise ein Music Game in Arbeit. Mengi Zeleke, der seit über zwei Jahrzehnten in der Musikbranche ist, ist ein Supporter des Projekts: „Musik schafft es wie kaum ein anderes Medium, die Menschen universell zu vereinen und Brücken zu bauen.“ Und Azary ergänzt: „Die elektronische Musik basiert auf Rhythmus, Beat und Sound. Sie ist eine internationale Sprache, die überall auf dem Globus verstanden wird.“ So könnten nach dem Frankfurter Vorbild weitere MOMEMs an für die Musik bedeutenden Standorten entstehen, wie zum Beispiel in Chicago oder Detroit, meint Zeleke.
Ab Herbst soll eine Gruppenausstellung mit internationalen Künstlerinnen und Künstlern gezeigt werden. Ein Protagonist wird der Londoner Künstler Ian Robinson sein, der in hyperrealistischer Manier Schallplatten malt und der Graphic-Arts-Künstler Optigram sowie andere mit einer großen Affinität zur Clubkultur. Die Zwischenebene der Hauptwache könnte zu einem Treffpunkt nicht nur für die Jugendkultur werden und die Innenstadt wieder beleben.
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Auftakt im MOMEM ist am Mittwoch, 6. April, ab 15 Uhr. Ab 18 Uhr ist eine Eröffnungszeremonie in der Paulskirche geplant, ab 19 Uhr wird Sven Väth auflegen. Darüber hinaus haben sich mit Fotograf Andreas Gursky und dem britischen Streetart-Künstler Banksy noch zwei weitere, international bekannte Künstler angekündigt. Die Eröffnungsfeier an der Hauptwache ist öffentlich, erst in den Folgetagen werden Tickets benötigt.
Dieser Text ist zuerst in der April-Ausgabe (4/22) des JOURNAL FRANKFURT erschienen.
5. April 2022, 11.55 Uhr
Jasmin Schülke
Jasmin Schülke
Studium der Publizistik und Kunstgeschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit Oktober 2021 Chefredakteurin beim Journal Frankfurt. Mehr von Jasmin
Schülke >>
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22. Dezember 2024
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