Laurie Anderson und Lou Reed in der Jahrhunderthalle

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Detlef Kinsler /

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Wir alle wissen, was ein Blind Date ist. Aber wie oft lassen wir uns darauf ein? Beim Kauf eines teuren Konzerttickets wohl noch weniger als im wahren Leben. Und trotzdem war die Jahrhunderthalle in Frankfurt beim einzigen Deutschland-Auftritt von Laurie Anderson und Lou Reed -- präsentiert vom JOURNAL FRANKFURT - ausverkauft. Nicht einmal der Veranstalter -- geschweige denn das Publikum -- wusste, was uns "The Yellow Pony And Other Songs And Stories" bringen würde. Aber beide Künstler sind nun mal Pop-Ikonen, genießen -- wenn auch in unterschiedlichen, musikalischen Genres -- einen legendären Ruf und als Paar hatte man sie noch nie zusammen einen ganzen Abend gestalten sehen. Grund genug, das Risiko zu wagen.
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Auf der Bühne dann nur wenige Instrumente und drei Personen: Anderson mit Geige und Keyboards, Reed mit diversen Gitarren und Sarth Calhoun als Bindeglied dazwischen mit viel Electronics für die Live-Bearbeitung von Stimmen und Instrumenten. Kein Schnickschnack, keine Dekos, keine Projektionen (wie man vielleicht geglaubt hatte), dafür ein 13-Stücke-Programm ohne die großen Hits. Wer den "Walk On The Wild Side" oder "O Superman" erwartet hatte, Fehlanzeige. Wer sich eher auf Kunst einlassen wollte, war wahrlich nicht fehl am Platz.

Man hörte Typisches -- Andersons Vocoder-verfremdete Vocals, Reeds lakonischen Bariton und auch Duette des Ehepaares, die das Sprichwort Gegensätze ziehen sich an wirklich verkörperten. Denn während die bessere Hälfte bei ihren Keyboardsounds auch mal auf Harmonie aus war, zog es der Gatte vor, mit lauten, verzerrten Gitarren den Wohlklang in Richtung Trash und Distortion zu torpedieren. Große Redner sind sie beide nicht. Statt Ansagen und Erklärungen lag auf jedem Platz ein Textheft. Das musste genügen. Ein Song hieß bezeichnenderweise "The Lost Art Of Coversation". Reed wirkte fast starr und -- in einem Bürostuhl sitzend -- unbeweglich, Anderson dagegen kommunizierte auch ohne Worte, war fast gestenreich und bewies Humor. Das belegten ihre gesungenen und gesprochene Texte über die Befindlichkeit der USA immer wieder, aber auch ein deutsch sprechgesungenes Stück über Hänsel und Gretel. Besonders aber ihre Meditation über die "Experten", die sich so gerne um Problemlösungen bemühen, war für einige Lacher gut. Denn die augenzwinkernde Erkenntnis lautete: Oft ist die angebotene Lösung erst das richtige Problem.

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Nach der Show, die beim Publikum durchaus gemischte Gefühle hinterließ und auch die Antwort schuldig blieb, warum die Beiden eigentlich zusammen Musik machen, waren Veranstalter, Manager und Produktionsteam allerdings glücklich. Alles war äußerst smooth gelaufen, alle mit sich und den anderen Beteiligten zufrieden. Laurie Anderson spurtete schon kurz nach dem Konzert agil durch die Backstage, gab ein kleines Meet & Greet für Freunde und ausgewählte Fans während Reed, eher ein Grantler, müde in der Garderobe blieb, sich dann aber doch heraus locken ließ. Ein Megafan im Rollstuhl wollte seinem Helden die Aufwartung machen und Lou tätschelte ihm fast zärtlich den Kopf. Eine schöne Geste. Einmal unter Menschen, ließ er sogar die Autogrammsammler nicht warten, hatte sogar nichts gegen gemeinsame Fotos (siehe Schnappschuss mit Konzertveranstalter Berthold Seliger, der das Ablichten übernehmen musste) einzuwenden. Irritiert war er allerdings, als eine Frau ihm zwei seiner eigenen Alben ("Die hab ich doch schon...") mit dem Kommentar schenkte: "Ich wollte Ihnen unbedingt etwas von dem zurück geben, was mein Leben wirklich bereichert hat."

Fotos: Detlef Kinsler


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