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Last Exit Kabul
Omid Nouripour, Bundestagsabgeordneter der Grünen, war eine Woche in Afghanistan, um sich ein Bild von der dortigen Lage zu machen. Wir haben ihn zu seinen Eindrücken befragt.
Journal Frankfurt: Was für Eindrücke Ihrer Reise nach Afghanistan sind Ihnen am stärksten in Erinnerung geblieben?
Dass ich Kinder gesehen habe, die unbeschwert auf einer Verkehrsinsel mitten in Kabul gespielt haben. Das war spannend für mich. Was mich auch stark beeindruckt hat, ist die Arbeit der deutschen Polizisten als Ausbilder. Sie wirken hoch motiviert.
Wie hat sich das geäußert?
Ich habe da eine Geschichte am Flughafen mitbekommen: Eine deutsche Aufbauhelferin war vor ihrer Reise falsch informiert worden, dass sie für Afghanistan kein Visum brauche. Daher wurde sie bei ihrer Einreise erst nicht ins Land gelassen. Sie konnte dann aber doch einreisen, unter der Bedingung, dass sie bei ihrer Ausreise einen Brief der deutschen Botschaft mitbringt, der bestätigt, dass sie tatsächlich dort gearbeitet hat. Nun wollte sie also ausreisen, hatte aber dieses Schreiben vergessen, oder gedacht, es sei nicht so wichtig.
Und was passierte dann?
Die afghanischen Sicherheitsbeamten am Flughafen ließen sie nicht ausreisen. Die deutschen Polizisten setzten sich sehr für die Frau ein und das Schöne war: Bei ihren Unterhaltungen untereinander hat man richtig gemerkt, wie stolz sie auf ihre afghanischen Kollegen waren. Die Sicherheitsbeamten hielten sich strikt an das Gesetz. Da habe ich hautnah miterlebt, dass deren Ausbildung etwas gebracht hat.
Durfte die Frau denn letztendlich ausreisen?
Ja, die deutschen Beamten konnten aushandeln, dass das Schreiben der Botschaft nachgereicht wird. Aber früher hätte man die afghanischen Grenzpolizisten einfach bestechen müssen, da ging mit Korruption vieles. Es ist schön zu sehen, dass sich da was getan hat.
Konnten Sie bei Ihrem Besuch neue Erkenntnisse für sich gewinnen?
Ja, ich habe die Erkenntnis gewonnen, dass die Stimmung in Afghanistan nicht so schlimm ist, wie man hier den Eindruck hat. Die schlechter werdende Situation wird von den Menschen natürlich wahrgenommen, aber die allgemeine Stimmung ist nicht so negativ, wie man durch die Medienberichte vermuten würde.
Wie schätzen Sie die aktuelle Situation in Afghanistan ein?
Meiner Meinung nach herrscht dort gerade eine Art unsicherer Optimismus. Der Aufbau geht zwar voran, aber sehr langsam und schleppend. Außerdem verschlechtert sich die Sicherheitslage zunehmend. Der zivile Aufbau ist unterfinanziert und verläuft meist unkoordiniert. Da brauchen wir dringend einen Strategiewechsel. Leider verharrt die Bundesregierung hier in Untätigkeit.
Wie sollte so ein Strategiewechsel aussehen?
Es gibt ganz verschiedene Probleme, die angegangen werden müssen: Beispielweise benehmen sich manche ausländische Truppen wie ein Elefant im Porzellanladen. Das ist zwar nicht im Norden der Fall, wo die deutschen Soldaten sind, aber in anderen Teilen des Landes. Zudem muss die Aufbauarbeit einfach besser koordiniert werden. Es herrschen noch zu viele Doppelstrukturen, die abgebaut werden müssen. Es gibt darüber hinaus ganz vielfältige Probleme in Afghanistan. Der Drogenhandel zum Beispiel. Um die Bauern vom Opium-Anbau abzuhalten, muss man ihnen bessere Perspektiven bieten. Es muss sich noch vieles verbessern.
Wissen Sie schon, wie sie im Oktober abstimmen werden, wenn es im Bundestag um die Verlängerung des ISAF-Mandats gehen wird?
Die Grünen hatten zu dem Thema letzten September einen Sonderparteitag einberufen. Dort wurde von der Mehrheit der Delegierten die Aufforderung an die Bundestagsabgeordneten beschlossen, der Mandats-Verlängerung nicht zuzustimmen. Da ich die Sprache der Menschen in Afghanistan beherrsche, konnte ich auf meiner Reise mit vielen persönlich sprechen und sie dazu befragen. Alle haben mir versichert, dass es ohne ISAF nicht gehen wird.
Zu der Abstimmung im Oktober kann ich noch nichts genaues sagen. Das Mandat, über das abgestimmt werden soll, kennen wir noch nicht. Es wird hoffentlich in den nächsten zwei Wochen von der Bundesregierung endlich vorgelegt. Dann wird man sehen.
Werden die Grünen geschlossen abstimmen?
Bei dieser Frage handelt es sich um eine Gewissensentscheidung, die jeder Abgeordnete selbst für sich entscheiden muss.
12. September 2008, 13.12 Uhr
Almut Siefert
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