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Gospel mal anders
Klassentreffen, Triangelvirtuose, Kunstgewerbe und die weiße Frau
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Die gute alte Mundpropaganda hilft doch noch. Als The Low Anthem im Juni im Anschluss an ein Open Air mit Springsteen im Londoner Hyde Park das erste Mal nach Frankfurt kamen, war die CD der Band noch nicht auf dem deutsche Markt erhältlich und tatsächlich nur absolute Insider folgten dem Ruf in die Brotfabrik. Jetzt, ein Vierteljahr später, brechen sie – die CD hat es gerade in die Läden geschafft, erste Rezensionen sind erschienen – zwar auch noch keine Verkaufsrekorde. Aber es kamen ca. 160 Leutchen nach Hausen, gut vier Mal so viele wie beim letzten Mal. Ein Erfolg für eine Band, die nun wirklich keine chartskompatible Musik macht und ständig im Radio zu hören und im TV zu sehen ist. Ich werde meine Lobeshymne über diesen „etwas anderen Gospel“ nicht wiederholen. Die kann man hier nachlesen. Nur so viel: Seltene erlebt man ein Konzert, wo so andächtig still gelauscht und dann genauso begeistert reagiert wird. Und Ticket-Gewinner der JOURNAL FRANKFURT-präsentiert-Aktion schickten Dankesmails, Tenor: Ohne den Hinweis des Magazins ihres Vertrauens, hätten sie wohl diese wunderschöne Musik nie kennen gelernt. So macht Blattmachen noch Spaß und auch Sinn.
Der Samstag kam und damit mal wieder – wie alle fünf Jahre – ein Klassentreffen.
Wie lange das Abitur zurück liegt, lassen wir jetzt mal außen vor. Aber der Kollege, der das wieder organisierte, beeilte sich doch, jedem Ankömmling gleich zu erklären, dass er kein Schelm ist, der sich Böses dabei dachte, uns alle in den Lahmen Esel nach Niederursel zu bestellen. Da sich sogar unser Mit-Abiturient Michael Paris mitten im heißen Wahlkampf die Zeit nahm, vorbei zu schauen, machte mir dann doch ein schlechtes Gewissen. Schließlich verabschiedete ich mich nach zwei Stunden nach Höchst ins Neue Theater zur CD-Präsentation von Fragile.
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Zu viel alte Männer machen depressiv, die Musik des Frankfurter Duos nicht zwingend (ätsch). Welche Befreiungsschlag das neue Album „Inside Of Me“ für Petra Woisetschläger (Piano, Gesang) und Udo Betz (Kontrabass, E-Bass), erstmals als Ehepaar auf der Bühne, ist, zeigte dieser Abend. Denn die Eigenkompositionen, an die sie sich endlich trauen, tragen die Band in eine neue Dimension weit über den ohnehin schon grandiosen und eigenwilligen Coverversionen, von denen „Digging In the Dirt“ immer noch besonders heraus sticht weil es so weit entfernt ist von Peter Gabriels State of the Art-Produktion. Endlich mal auch en neuen Percussionisten José J. Cortijo auch live mit Fragile gesehen, wird schnell klar, warum das Basis-Duo die Hinzunahme des Katalanen als besonders wichtig für die eigene Entwicklung empfindet. Denn der Mann schafft es mühelos, die Kompositionen, die inzwischen zwischen Pop, Jazz, Blues und Klassik changieren, mehr doch deren unterschiedliche Verschmelzung suchen, zum einen zu erden und im nächsten Moment weg fliegen zu lassen. Mit seinem Percussion-Arsenal und höchst exotischen Gerätschaften für die Nicht-Spezialisten im Publikum, ist er ein Hingucker, Gott sei dank aber kein Showman, sondern in manchen Moment eher Understatement. Dass er seinen Solopart auf einer Triangel spielte (und das äußerst virtuos, was allerdings nur die verblüfft, die das kleine Ding für ein Nicht-Instrument halten), sagt alles... Aber bei ihm ist jeder Ton ein Treffen, lässt dadurch aber eben auch die anderen auf der Bühne – dabei noch Dirko Juchem, dessen Bassklarinette und Bassflöte für spezielle Soundatmosphären sorgen – noch „plastischer“ werden, den Kontrabass, vor allem aber auch Piano (so hört man das selten in einem „Jazz“-Konzert) und den Gesang.
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Der Sonntag brachte Unentschlossenheit, aber auch dank der Schedules in Brotfabrik und Mousonturm die Möglichkeit, zwei Konzerte zu sehen. Wahrscheinlich aber war ich nicht wirklich in Stimmung, denn weder Alony in Hausen noch Dinosaur jr. im Ostend hinterließen großartig Eindruck. Bei der Sängerin, begleitet von Piano und Schlagzeug plus Elektrogefrickel, hatte ich als erstes einen Begriff im Kopf, den ich wohl noch nie im Zusammenhang mit Musik benutzt habe. Kunstgewerbe. Alony hat ein schönes dunkles Timbre, aber Wärme strahlt die Stimme für mich nicht aus. Irgendwie wirkt der eigentlich beklatschenswerte Minimalismus, die Reduzierung auf Nötigste, künstlich, konstruiert. Na ja – man muss ja nicht alles mögen.
Bei Dinosaur jr dann die Frage eines anderen Konzertbesuchers, „Was machst denn Du hier?“. Klar – ich bin nicht gerade ausgewiesener Alternative-Liebhaber. Als das aufkam, hatte ich das alles Dekaden vorher schon mal gehört. „Na die weiße Frau angucken“, lautete mein Kommentar. Tatsächlich: J Mascis ähnelt immer mehr Johnny Winter. Umrahmt von x Verstärkertürmen mutet das eh mehr wie ein Hard-Rock/Heavy-Metal-Konzert an. Ok – für seine Fans ist er nach wie vor ein ungewöhnlicher Gitarren-Stilist und auch als Sänger nahe an Helden wie Eddie Vedder. „Er spielt immer so an der Grenze zum Gitarrengefuddel, sehr melodiös, sehr speziell“ – so (oder ähnlich) drückte sich Matze Brunner von Sushimob aus, um es kaum 15 Minuten später revidieren zu müssen, als Mascis’ One-Man-Show (doch, ja, es waren noch Bassist und Schlagzeuger mit auf der Bühne) dann doch ausuferte.
Fotos: Detlef Kinsler
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Die gute alte Mundpropaganda hilft doch noch. Als The Low Anthem im Juni im Anschluss an ein Open Air mit Springsteen im Londoner Hyde Park das erste Mal nach Frankfurt kamen, war die CD der Band noch nicht auf dem deutsche Markt erhältlich und tatsächlich nur absolute Insider folgten dem Ruf in die Brotfabrik. Jetzt, ein Vierteljahr später, brechen sie – die CD hat es gerade in die Läden geschafft, erste Rezensionen sind erschienen – zwar auch noch keine Verkaufsrekorde. Aber es kamen ca. 160 Leutchen nach Hausen, gut vier Mal so viele wie beim letzten Mal. Ein Erfolg für eine Band, die nun wirklich keine chartskompatible Musik macht und ständig im Radio zu hören und im TV zu sehen ist. Ich werde meine Lobeshymne über diesen „etwas anderen Gospel“ nicht wiederholen. Die kann man hier nachlesen. Nur so viel: Seltene erlebt man ein Konzert, wo so andächtig still gelauscht und dann genauso begeistert reagiert wird. Und Ticket-Gewinner der JOURNAL FRANKFURT-präsentiert-Aktion schickten Dankesmails, Tenor: Ohne den Hinweis des Magazins ihres Vertrauens, hätten sie wohl diese wunderschöne Musik nie kennen gelernt. So macht Blattmachen noch Spaß und auch Sinn.
Der Samstag kam und damit mal wieder – wie alle fünf Jahre – ein Klassentreffen.
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Zu viel alte Männer machen depressiv, die Musik des Frankfurter Duos nicht zwingend (ätsch). Welche Befreiungsschlag das neue Album „Inside Of Me“ für Petra Woisetschläger (Piano, Gesang) und Udo Betz (Kontrabass, E-Bass), erstmals als Ehepaar auf der Bühne, ist, zeigte dieser Abend. Denn die Eigenkompositionen, an die sie sich endlich trauen, tragen die Band in eine neue Dimension weit über den ohnehin schon grandiosen und eigenwilligen Coverversionen, von denen „Digging In the Dirt“ immer noch besonders heraus sticht weil es so weit entfernt ist von Peter Gabriels State of the Art-Produktion. Endlich mal auch en neuen Percussionisten José J. Cortijo auch live mit Fragile gesehen, wird schnell klar, warum das Basis-Duo die Hinzunahme des Katalanen als besonders wichtig für die eigene Entwicklung empfindet. Denn der Mann schafft es mühelos, die Kompositionen, die inzwischen zwischen Pop, Jazz, Blues und Klassik changieren, mehr doch deren unterschiedliche Verschmelzung suchen, zum einen zu erden und im nächsten Moment weg fliegen zu lassen. Mit seinem Percussion-Arsenal und höchst exotischen Gerätschaften für die Nicht-Spezialisten im Publikum, ist er ein Hingucker, Gott sei dank aber kein Showman, sondern in manchen Moment eher Understatement. Dass er seinen Solopart auf einer Triangel spielte (und das äußerst virtuos, was allerdings nur die verblüfft, die das kleine Ding für ein Nicht-Instrument halten), sagt alles... Aber bei ihm ist jeder Ton ein Treffen, lässt dadurch aber eben auch die anderen auf der Bühne – dabei noch Dirko Juchem, dessen Bassklarinette und Bassflöte für spezielle Soundatmosphären sorgen – noch „plastischer“ werden, den Kontrabass, vor allem aber auch Piano (so hört man das selten in einem „Jazz“-Konzert) und den Gesang.
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Der Sonntag brachte Unentschlossenheit, aber auch dank der Schedules in Brotfabrik und Mousonturm die Möglichkeit, zwei Konzerte zu sehen. Wahrscheinlich aber war ich nicht wirklich in Stimmung, denn weder Alony in Hausen noch Dinosaur jr. im Ostend hinterließen großartig Eindruck. Bei der Sängerin, begleitet von Piano und Schlagzeug plus Elektrogefrickel, hatte ich als erstes einen Begriff im Kopf, den ich wohl noch nie im Zusammenhang mit Musik benutzt habe. Kunstgewerbe. Alony hat ein schönes dunkles Timbre, aber Wärme strahlt die Stimme für mich nicht aus. Irgendwie wirkt der eigentlich beklatschenswerte Minimalismus, die Reduzierung auf Nötigste, künstlich, konstruiert. Na ja – man muss ja nicht alles mögen.
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Fotos: Detlef Kinsler
22. September 2009, 18.27 Uhr
Detlef Kinsler
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Quartett Theodor kommt ins Ono2
Wenn DJ Weller, Inhaber das Plattenladens HoppiGaloppi im Frankfurter Nordend, sich für eine Band begeistert, dann wird er auch als Veranstalter aktiv. Am Freitag präsentiert er die etwas andere Soulband Theodor.
Text: Detlef Kinsler / Foto: Das Quartett Theodor © Aloha Burn
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