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Fünf alte Haudegen mit Spaß am Rock’n’Roll
„Schall und Rauch“ heißt das neue Album der Bornheim Bombs, das die Frankfurter Rock’n’Roller am 8. September im Yachtclub vorstellen. JOURNAL FRANKFURT sprach mit Gitarrist und Sänger Jason Fretz (im Bild oben rechts) über die Straßenjungs, Sozialromantik und Selbstironie.
JOURNAL FRANKFURT: Fußball Schnitzel Rock’n’Roll – das klingt ja erst mal wie eine Verballhornung von Sex'n'Drugs'n’Rock'n'Roll, ist aber dann doch die Losung einer Kneipe, und mehr noch irgendwie auch ein Programm?
Jason Fretz: Der Werbeslogan unserer Stammkneipe Backstage ist ein Song, der wunderbar in unser Konzept passt, aber er trägt es nicht. Wer die Bornheim Bombs nicht kennt, verfällt vielleicht zu Beginn in Denkmuster wie „Band mit Trinkliedern und Prolosprüchen“. Wer den feinsinnigen Humor heraus hört, ist einen Schritt weiter. Gerade der Text beim Schnitzellied zeigt doch, wie wir alle von engagierten, politischen Menschen nach 20 Jahren nur noch stumpf unseren Ur-Trieben folgen.
Das setzt sich dann beim Song „Das war früher“ fort. Im ersten Moment
denkt man vielleicht: „Genau so war es früher, es war alles besser, schaut Euch die heutige Jugend doch mal an…schön, dass das mal jemand auf den Punkt bringt“. Aber im zweiten Moment grinsen uns die eigenen Eltern aus dem Spiegel an, denn genau dieselben Sprüche mussten wir uns damals anhören.
JOURNAL FRANKFURT: Irgendwie musste ich, auch um auf regionalen Terrain zu bleiben, an die Straßenjungs denken. Bornheim Bombs klingt dann als Bandname noch mal eine Spur radikaler...
Jason Fretz: Tatsächlich stehen die Straßenjungs mit dem für ihre Zeit absolut authentischen Charakter als eine unserer Vorbilder fest. Musikalisch nach vorne, textlich bissig und anklagend und dennoch mit augenzwinkerndem Humor und nie peinlich. Die regionale Komponente, wie Texte über die Fressgass (Straßenjungs) oder Michael Paris (Bornheim Bombs), verbindet uns ebenfalls, auch wenn wir nach unserem letzten Album „Niveau Limbo“ 2009 mit der neuen CD „Schall und Rauch“ einen Schritt in eine Richtung machen, die auch außerhalb Hessens verstanden werden kann. Nils Selzer von den Straßenjungs gefällt übrigens die neue CD sehr gut und ich hoffe, dass wir irgendwann mal zusammen eine Rock’n’Roll-Show mit den Bornheim Bombs und den Straßenjungs feiern.
JOURNAL FRANKFURT: Das Schlimmste wäre ja wohl, mit eurer Musik als prollig missverstanden zu werden. Ihr habt ja andere Botschaften. Regiert der Punk noch, fehlen euch die sozialkritischen Töne in aktuellen Rock('n'Roll), geht´s immer noch gegen das Spießertum, die verlogene Politik, eine heuchlerische Gesellschaft? Altes Leben, neues Leben – wo positioniert man sich da selber? Ist da auch Selbstironie im Spiel oder doch eher Sozialromantik?
Jason Fretz: Sozialromanik – igitt!! Selbstironie – auf jeden Fall!! Wenn wir nicht über uns selbst lachen könnten, wären Songs wie „Frauenversteher - wir kriegen dich“ unmöglich. Wir machen uns gerne über unsere eigenen Verhaltensweisen lustig, aber auch über jene Leute, die so gar keinen Humor haben. Das gilt gleichermaßen für sich selbst bedienende Banker („Macht und Arroganz“) wie auch politische Szenen („Automaten“) auf „Niveau Limbo“. Die teilweise doch säuerlichen Reaktionen mancher Leute zeigen uns nur, dass wir ins Schwarze getroffen haben.
JOURNAL FRANKFURT: Die Menschen mit Musik bombardieren (euer Kampfbombe auf der CD-Cover wirft Noten ab), auch so was wie Bewusstsein schaffen ohne die Spaßkomponente auszulassen – das auf die Straße gehen (S21 mal ausgenommen) hat die Gesellschaft in Deutschland fast verlernt. Aber plötzlich brennen die Vororte in London...
Jason Fretz: Als Komponist und Texter habe ich meine Erfahrung mit dem „Bewusstsein schaffen“. Heute geht in Songs vieles nur noch mit der verbalen Brechstange, das finde ich schade. Gerade in deutscher Sprache ist es verdammt schwierig, die Balance zu finden zwischen Peinlichkeit und plumper Agitation. Die Spaßkomponente ist da sehr hilfreich als Brücke wie beim Lied „Sozial verträgliches Ableben“: Mehr rauchen und saufen, dann liegen wir dem armen Sozialstaat nicht so lange auf der Tasche rum! Trotzdem müssen auch ernste Themen wie Sterbehilfe („Jetzt und Hier“) oder Beziehungsbrüche („Altes Leben“) als Bornheim Bombs- Songs funktionieren. 1977 sang Joe Strummer „London’s Burning“. Wenn die soziale Schere noch weiter auseinander klafft und die Mächtigen in Politik und vor allem des Finanzwesens den Menschen weiter ihren Selbstbedienungsladen vorleben, brauchen wir uns über den „Verfall der Moral“ (laut Premier Cameron) gar nicht zu wundern.
JOURNAL FRANKFURT: Für welche Szene spielen die Bombs?
Jason Fretz: Wir spielen für keine spezielle Szene, ich persönlich lehne es heute grundsätzlich ab, mich szenezugehörig zu fühlen, das habe ich zum Glück hinter mir. Szene bedeutet immer ein persönliches Verschwinden hinter Klischees und Vorurteilen gegenüber den „Nichtzugehörigen“. Wir spielen für alle, die unsere Musik und die Texte gut finden, Spaß haben an Rock’n’Roll und fünf alten Haudegen, die sich selbst nicht immer ernst nehmen. Auf unsern Konzerten kommen Leute zwischen 8 und 80 Jahren, Fußball-Prolls und schmunzelnde Spießbürger, Arbeitslose und Kleinunternehmer… Und ab und zu Leute aus der Musikbranche, die sich dann ratlos am Kopf kratzen und sich fragen, was das auf der Bühne da eigentlich darstellen soll. Das sind auch immer die schönen Momente beim Gig ;-)
Jason Fretz: Der Werbeslogan unserer Stammkneipe Backstage ist ein Song, der wunderbar in unser Konzept passt, aber er trägt es nicht. Wer die Bornheim Bombs nicht kennt, verfällt vielleicht zu Beginn in Denkmuster wie „Band mit Trinkliedern und Prolosprüchen“. Wer den feinsinnigen Humor heraus hört, ist einen Schritt weiter. Gerade der Text beim Schnitzellied zeigt doch, wie wir alle von engagierten, politischen Menschen nach 20 Jahren nur noch stumpf unseren Ur-Trieben folgen.
Das setzt sich dann beim Song „Das war früher“ fort. Im ersten Moment
denkt man vielleicht: „Genau so war es früher, es war alles besser, schaut Euch die heutige Jugend doch mal an…schön, dass das mal jemand auf den Punkt bringt“. Aber im zweiten Moment grinsen uns die eigenen Eltern aus dem Spiegel an, denn genau dieselben Sprüche mussten wir uns damals anhören.
JOURNAL FRANKFURT: Irgendwie musste ich, auch um auf regionalen Terrain zu bleiben, an die Straßenjungs denken. Bornheim Bombs klingt dann als Bandname noch mal eine Spur radikaler...
Jason Fretz: Tatsächlich stehen die Straßenjungs mit dem für ihre Zeit absolut authentischen Charakter als eine unserer Vorbilder fest. Musikalisch nach vorne, textlich bissig und anklagend und dennoch mit augenzwinkerndem Humor und nie peinlich. Die regionale Komponente, wie Texte über die Fressgass (Straßenjungs) oder Michael Paris (Bornheim Bombs), verbindet uns ebenfalls, auch wenn wir nach unserem letzten Album „Niveau Limbo“ 2009 mit der neuen CD „Schall und Rauch“ einen Schritt in eine Richtung machen, die auch außerhalb Hessens verstanden werden kann. Nils Selzer von den Straßenjungs gefällt übrigens die neue CD sehr gut und ich hoffe, dass wir irgendwann mal zusammen eine Rock’n’Roll-Show mit den Bornheim Bombs und den Straßenjungs feiern.
JOURNAL FRANKFURT: Das Schlimmste wäre ja wohl, mit eurer Musik als prollig missverstanden zu werden. Ihr habt ja andere Botschaften. Regiert der Punk noch, fehlen euch die sozialkritischen Töne in aktuellen Rock('n'Roll), geht´s immer noch gegen das Spießertum, die verlogene Politik, eine heuchlerische Gesellschaft? Altes Leben, neues Leben – wo positioniert man sich da selber? Ist da auch Selbstironie im Spiel oder doch eher Sozialromantik?
Jason Fretz: Sozialromanik – igitt!! Selbstironie – auf jeden Fall!! Wenn wir nicht über uns selbst lachen könnten, wären Songs wie „Frauenversteher - wir kriegen dich“ unmöglich. Wir machen uns gerne über unsere eigenen Verhaltensweisen lustig, aber auch über jene Leute, die so gar keinen Humor haben. Das gilt gleichermaßen für sich selbst bedienende Banker („Macht und Arroganz“) wie auch politische Szenen („Automaten“) auf „Niveau Limbo“. Die teilweise doch säuerlichen Reaktionen mancher Leute zeigen uns nur, dass wir ins Schwarze getroffen haben.
JOURNAL FRANKFURT: Die Menschen mit Musik bombardieren (euer Kampfbombe auf der CD-Cover wirft Noten ab), auch so was wie Bewusstsein schaffen ohne die Spaßkomponente auszulassen – das auf die Straße gehen (S21 mal ausgenommen) hat die Gesellschaft in Deutschland fast verlernt. Aber plötzlich brennen die Vororte in London...
Jason Fretz: Als Komponist und Texter habe ich meine Erfahrung mit dem „Bewusstsein schaffen“. Heute geht in Songs vieles nur noch mit der verbalen Brechstange, das finde ich schade. Gerade in deutscher Sprache ist es verdammt schwierig, die Balance zu finden zwischen Peinlichkeit und plumper Agitation. Die Spaßkomponente ist da sehr hilfreich als Brücke wie beim Lied „Sozial verträgliches Ableben“: Mehr rauchen und saufen, dann liegen wir dem armen Sozialstaat nicht so lange auf der Tasche rum! Trotzdem müssen auch ernste Themen wie Sterbehilfe („Jetzt und Hier“) oder Beziehungsbrüche („Altes Leben“) als Bornheim Bombs- Songs funktionieren. 1977 sang Joe Strummer „London’s Burning“. Wenn die soziale Schere noch weiter auseinander klafft und die Mächtigen in Politik und vor allem des Finanzwesens den Menschen weiter ihren Selbstbedienungsladen vorleben, brauchen wir uns über den „Verfall der Moral“ (laut Premier Cameron) gar nicht zu wundern.
JOURNAL FRANKFURT: Für welche Szene spielen die Bombs?
Jason Fretz: Wir spielen für keine spezielle Szene, ich persönlich lehne es heute grundsätzlich ab, mich szenezugehörig zu fühlen, das habe ich zum Glück hinter mir. Szene bedeutet immer ein persönliches Verschwinden hinter Klischees und Vorurteilen gegenüber den „Nichtzugehörigen“. Wir spielen für alle, die unsere Musik und die Texte gut finden, Spaß haben an Rock’n’Roll und fünf alten Haudegen, die sich selbst nicht immer ernst nehmen. Auf unsern Konzerten kommen Leute zwischen 8 und 80 Jahren, Fußball-Prolls und schmunzelnde Spießbürger, Arbeitslose und Kleinunternehmer… Und ab und zu Leute aus der Musikbranche, die sich dann ratlos am Kopf kratzen und sich fragen, was das auf der Bühne da eigentlich darstellen soll. Das sind auch immer die schönen Momente beim Gig ;-)
29. August 2011, 11.27 Uhr
Interview: Detlef Kinsler
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