Enkhjargal Erkhembayar im Jazzkeller

Mongolischer Jazz

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Kontrabassist Martin Zenker ist ein Reisender in Sachen Musik. In Ulan Bator leitet er das Goethe Musiklabor. Mit Sängerin Enkhjargal Erkhembayar bringt er Ende Mai ein erstes Talent in den Jazzkeller nach Frankfurt.

Detlef Kinsler /

Long Song ist das was die Frauen anstatt Kehlkopfgesang machen, also der traditionell weibliche mongolische Gesang: youtu.be/drUshcx4zWw
Wir haben aber im wesentlichen mongolische Melodien mit Jazzharmonik unterlegt - die Fusion ist also würde ich sage zu beiden Teilen aus Jazz und mongolischer Musik entstanden. Nun sind wir da je relativ neu dabei und haben noch nicht wirklich einen Namen dafür. Vielleicht fällt Dir ja was gutes ein?

JOURNAL FRANKFURT: Die beiden Jazzkeller-Konzerte von Enkhjargal Erkhembayar mag manch einer als „exotische“ Beigabe zum Maiprogramm sehen, was allerdings eine zu oberflächliche Sichtweise wäre. Die Auftritte kommen ja nicht von ungefähr, sondern haben eine Vorgeschichte, die auch mit Ihrer Biografie zu tun haben. Können Sie die Zusammenhänge kurz erklären …

Martin Zenker: Diese Auftritte haben mehrere Vorgeschichten, die sicherlich hier gar nicht alle Platz haben. Aber die Verbindung zwischen der Mongolei und Deutschland ist traditionell sehr eng. Was meine persönliche Biografie angeht beziehungsweise die Zusammenhänge: Ich leite derzeit im Auftrag des Goethe-Institutes ein Projekt, dass sich der Ausbildung für Jazz und ähnliches verschrieben haben hat. Dieses ist unter Dach der Gonchigsoomla Musikhochschule. Gonchigsoomla wiederum ist der bekannteste mongolische Komponist und viele seiner Melodien sind ins traditionelle Liedgut eingegangen. Er hatte letztes Jahr 100. Todestag und im Zuge dessen entstand von Seiten des Colleges und uns der Wunsch seine Musik zu bearbeiten.

Wie kamen Sie in die Mongolei und was ist gerade an diesen Projekt besonders reizvoll?

Ich war ja lange Jahre reisender Musiker, habe mich dann zunächst in Korea als Professor für Kontrabass niedergelassen und von da aus hat sich der Kontakt in die Mongolei entwickelt. Zunächst bin ich da eigentlich zum Sport machen hingeflogen, aber habe mich natürlich nach der Szene erkundigt. Zwei Jahre später wurde ich mit dem Quartett von Martin Jacobsen auf das Jazzfestival eingeladen, wir begannen Workshops zu geben und so kam eines zum anderen. Irgendwann kam – mit großartiger Unterstützung des Goethe-Institutes – die Idee auf, eine Ausbildung an der Musikhochschule in Ulan Bator anzubieten. Wir haben diese Idee dann zusammen konzipiert und ich habe vom Goethe-Institut den Auftrag bekommen diese Ausbildung zu installieren und zu gestalten. Die große Herausforderung war natürlich, dass es vor Ort zwar viele Interessierte Muster gibt, aber bislang keine Ausbildung, so dass man auch nicht auf Lehrer hier zurückgreifen konnte. Die besten Musiker des Landes kommen ja zu uns, um sich fortzubilden. Wir haben also im Laufe der letzten zwei Jahre mit Hilfe des GI aber auch mit anderen Institutionen ca. 50 Gastdozenten hierher gebracht und eine Struktur geschaffen, die nun als Studiengang vom hiesigen Kultusministerium genehmigt wurde. Das hört sich nüchtern an, war und ist immer noch unglaublich spannend. Wir haben hier ja auch eine ganz neue Szene geschaffen, das Selbstverständnis der Musiker verändert, die Wahrnehmung beim Publikum und wir haben Jazz zu etwas gemacht was Szenenübergreifend Anerkennung findet. Mittlerweile spielen die Musiker des GMUB - das steht für Goethe-Musiklabor Ulan Bator fünf mal wöchentlich in der Stadt, wir haben eine wöchentliche Jazzsendung beim Staatlichen Rundfunk und sind mindestens einmal die Woche im TV, die US Botschaft greift auf Musiker des GMUB zurück, wenn sie mal Jazz braucht und bei dem von uns organisierten Besuch von Jesse Davis haben wir das Opernhaus ausverkauft. Wir haben mit unserer Big Band letztes Jahr eine Tournee in die Ostmongolei gemacht - die erste dieser Art überhaupt. Die Geschichten und Bilder dazu würden allein schon einen ganzen Zeitungsartikel füllen! Ein weiteres Ziel und auch Motivation des GI ist natürlich auch eine wirtschaftliche tragfähige Lebensgrundlage für die Musiker zu schaffen. Das ganze wachsen zu sehen und maßgeblich mitzugestalten ist schon einmalig, wenn auch bisweilen sehr anstrengend.

Es geht ja auch darum, den Jazz in alle Welt zu tragen. Welche Vorkenntnisse trifft man in der Mongolei vor und was haben die Musiker, die zu Ihnen kommen, für Vorstellungen und Wünsche?

Das ist sehr unterschiedlich. Zunächst mal haben wir die Türen für alle aufgemacht, eine Aufnahmeprüfung ohne Zulassungsvoraussetzungen, da es keine Standards gab und auch keine Möglichkeiten diese zu erwerben. Von ca. 60 Bewerbern im jeweils ersten und zweiten Jahr haben wir dann so um die 15 bis 20 genommen. Die sind hochmotiviert, musikalisch und was die Vorbildung angeht auf unterschiedlichem Niveau. Teilweise klassisch ausgebildete Musiker, die im Symphonie-Orchester spielen, teilweise Autodidakten, alles mögliche. Auch das unter einen Hut zu bringen und eine sinnvolle Ausbildung anzubieten war nicht ganz einfach. Aber wie gesagt: Die Unterstützung und der Hunger der Musiker vor Ort ist sehr groß, gerade nach Handwerkszeug. Kreativ sind sie ja ohnehin.

Wie stark ist Ihr Interesse, die Musiker dort auch zu ermuntern, ihre Musik/Kultur in die Arbeit einzubringen, um spannende Fusionkonzepte zu ermöglichen?

Das ist immer so eine Sache: Ich selbst bin als Musiker immer Neuem aufgeschlossen. Aber der Jazz hat eine gut 100-jährige Geschichte, von der vielen Musikern die ersten 50 Jahre gar nicht bewusst sind und auch die traditionelle mongolische Musik hat ja eine lange Geschichte. Um dem gerecht zu werden muss man erst mal beides gegenseitig lernen/vermitteln. Es gibt meiner Meinung sehr viele oberflächliche Versuche dazu und nicht alle davon sind tatsächlich neu oder spannend, sondern manchmal einfach auch sehr plakativ. Mein Interesse ist also in erster Linie den Musikern in der Mongolei das beizubringen was ich als kulturelles Gepäck mit mir mit herumtrage, damit sie eine Fusion imitieren können. Ob das dann Ihren Interessen entspricht möchte ich eigentlich ihrer eigenen künstlerischen Integrität überlassen, die ich respektiere.

Zum Konzept gehört ja auch, mongolische Musiker u.a .nach Deutschland zu bringen. Was können Sie uns über Enkhjargal Erkhembayar sagen, was dürfen die Besucher im Jazzkeller erwarten?

Enkhjargal – oder einfacher Enji – ist ein Naturtalent. Bis sie 17 war hat sie noch in der Jurte gelebt, dann eine Ausbildung zur Musiklehrerin an Grundschulen gemacht und studiert nun seit zwei Jahren bei uns. Sie beherrscht sowohl traditionellen Long Song, stattet aber auch wirklich gut und hat eine tolle Stimme. Erfrischend und erfreulich.

Da muss ich einhaken. Was ist ein Long Song?

Long Song ist das was die Frauen anstatt Kehlkopfgesang machen, also der traditionell weibliche mongolische Gesang. Wir haben aber im wesentlichen mongolische Melodien mit Jazzharmonik unterlegt – die Fusion ist also würde ich sage zu beiden Teilen aus Jazz und mongolischer Musik entstanden. Nun sind wir da je relativ neu dabei und haben noch nicht wirklich einen Namen dafür.

Auf der Jazzkeller Website werden melancholische, weite Melodien ihrer nomadischen Ahnen und traditionelle mongolische Singweisen versprochen. Das klingt vielversprechend. Nach welchen Kriterien haben Sie die Gäste des Abends wie z.B. Tony Lakatos ausgesucht?

Na ja, nachdem wir ja zwei Konzerte im Jazzkeller haben und eine Preisverleihung beim ADMWE, einer Asiatischen Vereinigung für Business Frauen in Europa, die auch in Frankfurt stattfindet, lag es ja nahe Tony und Peter Reiter zu fragen. Tony und ich sind ja beide sehr Asien-afin und geben uns öfter in den Jazzclubs in Japan und Korea mehr oder weniger die Klinke in die Hand. Außerdem hatten wir schon zwei Musiker der hr-Bigband zu Gast in Ulan Bator, nämlich Axel Schlosser und Martin Scales.

Sie haben ja auch schon eine CD produziert, ebenfalls mit illustren Gästen. Vielleicht mögen Sie dazu etwas erzählen ...

Gern. Wir haben wie gesagt an verschiedenen Arrangements der Musik von Gonschigsonla gearbeitet und hatten nun glücklicherweise mit Unterstützung des Goethe-Institutes die Möglichkeit dazu eine wirklich ausgezeichnete Besetzung für die Aufnahme zu gewinnen. Mit Paul Kirby verbindet mich seit zehn Jahren eine enge musikalische Partnerschaft und ich vertraue ihm 100%. Johannes Enders ist natürlich eines der Aushängeschilder des Jazz in Deutschland und hat die nötige Flexibilität und Erfahrung um sich auf so ein Projekt musikalisch einzulassen. Und Billy Hart ist Billy Hart! Die CD wird im Herbst bei Enja erscheinen, aber wir haben im Jazzkeller schon ein paar Exemplare vorab dabei.

>> Enkhjargal Erkhembayar & Band, Ffm., Jazzkeller, 29.5, 20 Uhr + 30.5., 21 Uhr, Eintritt: 20,–

Detlef Kinsler
Detlef Kinsler
Weil sein Hobby schon früh zum Beruf wurde, ist Fotografieren eine weitere Leidenschaft des Journal-Frankfurt-Musikredakteurs, der außerdem regelmäßig über Frauenfußball schreibt.
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