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Berliner Allerlei Teil II: Boxen und Nachhilfe
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Unser Volontär begleitete auf Einladung des Bundestagsabgeordneten Omid Nouripour (Grüne) eine politische Bildungsfahrt in die Hauptstadt. Seine Erlebnisse schildert er in einer kleinen Serie.
Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Und wenn das Reiseziel dann auch noch die deutsche Hauptstadt ist - sie wissen schon: "arm aber sexy" - dann wohnt Reiseberichten schon ganz von selbst ein gewisser Zauber inne. Auch die Jugendlichen des Offenbacher Jugendzentrums und des Boxclubs Nordend Offenbach konnten sich der Faszination der Hauptstadt nicht entziehen.
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Riesen Stadt: Die Jungs bei der zweistündigen Bootsfahrt auf der Spree
Schon der Anblick der Autos auf dem Parkplatz vor dem Berliner Hauptbahnhof nötigte den Jungs allen Respekt ab: "Ey, guck mal Alder. Alles Nummernschilder mit 'B' statt 'OF'!" Auch die Orientierung in einer so großen Stadt wurde zur Herausforderung. Im Schutz der Gruppe begaben sich die Jugendlichen abends auf Erkundungszüge durch die Straßenschluchten Berlins, der Stadt, die sie bisher nur aus Liedtexten von Rappern kannten, die sie über den Stöpsel im Ohr ständig gegenwärtig hatten. Wie sie mir am nächsten Tag gestanden, haben sie sich dabei allerdings öfter mal im Kreis um den Block bewegt. Die Hauptstadt ist eben etwas unübersichtlicher als das vertraute Offenbacher Revier.
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Weniger ehrfürchtig stand die Reisegruppe dem Essen gegenüber. Nicht nur, dass die Berliner Bedienungen mit ihrem rüden Charme mit dem Austeilen der vorbestellten Speisen der Kategorien "Normal", "Vegetarisch" und "ohne Schweinefleisch" etwas überfordert schienen. Zweimal an einem Tag Schnitzel (in letzter Kategorie von der Pute) mit Kartoffeln und Leipziger Allerlei vorgesetzt zu bekommen, entspricht nicht gerade einem abwechslungsreichen Ernährungsplan. Wie gut, dass es in der Stadt mit der größten türkischen Gemeinde außerhalb der Türkei keinen Mangel an Dönerbuden gibt. Auch die Sichtung von Filialen des Lebensmitteldiscounters "Norma" und der Kette "Dunkin' Donuts" wurde im oberen Abteil unseres Doppeldecker-Reisebusses euphorisch kundgetan und gefeiert.
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Omid war leider ziemlich im Stress, aber für einen Smalltalk nach der Diskussionsrunde im Reichstag hatte er noch Zeit
Gefeiert wurde von den Jugendlichen auch Omid Nouripour. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete, auf dessen Einladung die politische Bildungsfahrt zu stande kam, war bereits öfter zu Gast im Jugendzentrum Nordend in Offenbach, wo 2003 der Boxclub Offenbach ins Leben gerufen wurde, um schwierige und gewaltbereite Jugendliche anzusprechen. Seit dem hat sich die Initiative zum Vorzeigeprojekt entwickelt. Begleitend zum Boxtraining bietet das Jugendzentrum mehrmals wöchentlich eine Hausaufgabenbetreuung an. An dem Angebot nehmen nicht nur jugendliche Boxer, sondern auch „normale“ Besucher des Jugendzentrums teil. Über den Sport werden den Heranwachsenden Werte wie Fairness, Disziplin und ein respektvolles Miteinander vermittelt. Die Resonanz der Jugendlichen auf das Angebot ist riesig. Etwa 25 Heranwachsende nehmen inzwischen wöchentlich an der Betreuung teil, weitere 15-20 kommen zur Vorbereitung, wenn in der Schule Klausuren und Prüfungen anstehen. Nouripour, der die Entwicklung des Projekts aufmerksam verfolgt, ist zum Vorbild für die Jugendlichen geworden. Er hat es geschafft, ein iranischstämmiger Mann im deutschen Bundestag.
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Dass auch die Jugendlichen politisch interessiert sind, zeigt sich in den Frage- und Diskussionsrunden während der Fahrt. Ob Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen, Jüdisches Museum, Auswärtiges Amt oder die Gedenkstätte für die Opfer des deutschen Widerstands im Bendler-Block - die Teenager zeigen großes Interesse und beweisen mit ihren Fragen erstaunliche Sachkenntnisse. Etwa, dass sich die KPD und die SPD nicht grün waren und deshalb keine einheitliche Widerstandsfront gegen die NSDAP zustande bringen konnten. Ein Verständnis für Geschichte, dass man nicht allen mitgereisten Bürgerinnen und Bürgern uneingeschränkt bescheinigen konnte, wie manche Kommentare und Nachfragen durchblicken ließen. Eine durchaus überraschende und lehrreiche politische Bildungsreise also für alle Teilnehmenden, in jeder Beziehung.
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17. August 2009, 07.56 Uhr
Jan-Otto Weber
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Frankfurt-Sachsenhausen
Quartett Theodor kommt ins Ono2
Wenn DJ Weller, Inhaber das Plattenladens HoppiGaloppi im Frankfurter Nordend, sich für eine Band begeistert, dann wird er auch als Veranstalter aktiv. Am Freitag präsentiert er die etwas andere Soulband Theodor.
Text: Detlef Kinsler / Foto: Das Quartett Theodor © Aloha Burn
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