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Frankfurt Fashion Week
„Ich möchte möglichst unauffällig bleiben“
Helmut Fricke hat alle großen Modenschauen der Welt fotografiert. Ein Teil seiner Bilder ist nun im Rahmen der Fashion Week zu sehen. Ein Gespräch über Glamour, den Platz in der vordersten Reihe und bunte Einstecktücher.
JOURNAL FRANKFURT: Herr Fricke, Sie arbeiten seit rund 40 Jahren in der Modefotografie. Worauf kommt es beim Fotografieren an?
Helmut Fricke: Es kommt darauf an, mit den Bildern eine Geschichte zu erzählen. Dazu muss ich Menschen beobachten, Situationen und Konstella-
tionen erfassen.
Warum haben Sie sich auf Fashion spezialisiert?
Spezialisiert habe ich mich nicht. Die Mode ist ein Ausgleich neben dem Alltag für mich. Ich war oft in Kriegsgebieten, zum Beispiel in Mogadischu. Manchmal bin ich direkt nach der Rückkehr zu einer Modenschau gefahren.
Wie haben Sie diesen Spagat geschafft?
(überlegt) Manchmal habe ich dagestanden und den Kopf geschüttelt. Aber im Ansatz geht es doch darum, alles in ein rechtes Licht zu setzen. Ich weißt nicht, ob es das richtige Licht ist. Diese Themen laufen nebeneinander her, jedes davon hat seine Bedeutung und seinen Stellenwert. Diese Unterschiedlichkeit macht das Leben aus. Aber ich bekomme keine Ehrfurcht. Ich knicke nicht ein, bloß weil ich irgendjemanden sehe, der einen bekannten Namen hat.
Sie waren weltweit auf allen großen Modeschauen. Ist diese Welt so glamourös, wie sie aussieht?
Ja, sie ist mehr als glamourös, und die Beteiligten nehmen sich extrem wichtig. Aber ein großer Teil dieser Welt ist banal.
Inwiefern banal?
Es ist ja nur ein Moment des Lebens. Die Personen in dieser Welt verändern sich, sie werden älter, verändern ihr Äußeres und treten dann, weil sie sich verändert haben, nicht mehr in der Öffentlichkeit auf.
Sie haben viele Modepersönlichkeiten fotografiert. Wer hat Sie am meisten beeindruckt?
Yves Saint Laurent hat mich am meisten beeindruckt. Er hatte etwas Schüchternes, Unsicheres. Ich habe ihn einmal in seinem Showroom erlebt. Er trug einen Arm in Gips und machte einen kränklichen Eindruck. Aber selbst darin hatte er eine gewisse Größe, ein unglaubliches Charisma. Mich hat er stärker beeindruckt als Karl Lagerfeld. John Galliano wollte immer laut sein, aber laut ist überhaupt nicht gut. Auch Alexander McQueen war ein sehr gebrochener Mensch, der seine Schüchternheit dadurch zum Ausdruck brachte, dass er über die Bühne rannte, kurz winkte und schnell wieder verschwand. Giorgio Armani ging, wie er älter wurde, nicht mehr gerne auf die Bühne und hat den Fotografen nur noch seinen Rücken gezeigt.
Ist das jugendliche Aussehen immer noch das Maß aller Dinge?
Ja, für viele schon. Es ist ja auch nachvollziehbar. Deshalb wird in der Modebranche viel gespritzt, es wird alles Mögliche gemacht, um seine Jugendlichkeit zu erhalten. Es ist häufig zum Nachteil.
Nach solchen Eingriffen sehen die Menschen nicht unbedingt jünger aus, sondern eher wie Zombies.
Ja, leider. Ich habe vor zwei Jahren Isabelle Adjani fotografiert, die für mich früher zu den begehrenswertesten Frauen überhaupt gehörte. Als ich sie gesehen habe, war das einfach desillusionierend.
Wie müssen wir uns das bei den Modeschauen vorstellen? Wie bekommen Sie einen Platz in der vordersten Reihe?
Ganz vorne zu sein ist ein Wunsch. Fotografieren hat immer etwas mit Geduld und Warten zu tun, ob es ein EU-Gipfel oder eine Haute-Couture-Schau ist. Man muss immer sehr früh da sein. Außerdem werden Fotografen nicht gut behandelt. Das liegt natürlich häufig auch an den Fotografen selbst.
Weil sie sehr fordernd sind?
Nein, weil viele meinen, sie seien die letzten Abenteurer dieser Erde. (lacht)
Wie würden Sie Ihre eigene Herangehensweise beschreiben?
Ich möchte möglichst unauffällig bleiben. Das Schönste für mich ist, wenn mir Menschen nach einem Interview sagen, dass sie mich gar nicht bemerkt hätten. Viele haben große Hemmungen, fotografiert zu werden. Ich versuche ihnen diese Angst durch Freundlichkeit zu nehmen. Ich glaube, ich habe eine gute Gabe, Brücken zu bauen. Bei Modenschauen suche ich mir meistens einen Platz, von wo aus ich das Ganze erfassen kann. Das ist oft schwierig, weil wir das Podium nicht verlassen dürfen. Manchmal steige ich irgendwo hoch, stelle dafür auch schon mal zwei Leitern übereinander, wie in der Lagerhalle der Pariser Oper.
Sie arbeiten seit Jahrzehnten für Auftraggeber in Frankfurt, nun wird ein großer Teil der Fotografien im Rahmen der Fashion Week gezeigt. Was bedeutet Frankfurt für Sie?
Frankfurt ist meine Heimat und für mich eine der lebendigsten Städte in Deutschland. Ich finde, dass die Fashion Week sehr gut hierher passt. Die Stadt könnte aber mit ihrem kulturellen und finanziellen Umfeld eine größere Rolle spielen. Ich war vor 14 Tagen in Mailand. Natürlich gibt es dort ähnliche Probleme, aber die Menschen gehen in die Stadt und leben die Stadt. Da muss Frankfurt noch einiges tun. Ich habe das Gefühl, dass sich die Stadtoberen zu wenig in der Stadt bewegen. Mailand war nach dem Krieg genauso zerstört wie Frankfurt. Wenn man heute die Innenstädte vergleicht – das ist schon ein riesiger Unterschied! Es gibt viele Ecken, die vernachlässigt werden, wie zum Beispiel das Bahnhofsviertel. Man muss etwas dafür tun, dass sich die Menschen in ihrer Stadt wohlfühlen.
Sind Sie denn selbst ein modeaffiner Mensch?
Ja, sehr. Mode ist ein kreatives Moment, ein Spiel mit sich, mit seinem Äußeren. Ich habe immer viel Wert darauf gelegt und bin gerne bunt herumgelaufen. Ich hatte schon als 17-Jähriger lackierte Fingernägel, was damals Entsetzen hervorgerufen hat. Zu meinem 60. Geburtstag gab es eine Personalie in der FAZ, in der ich als Fotograf mit dem Einstecktuch bezeichnet wurde. Und tatsächlich habe ich zwei Schubladen voller Einstecktücher. Ich trage selbst in einer Jeansjacke ein Einstecktuch.
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Helmut Fricke wurde 1954 in Uslar, Niedersachsen geboren. Er studierte Pädagogik in Frankfurt am Main und ging dann nach Berlin zur „taz“, wo er als Auslandsredakteur arbeitete. Danach machte er die Fotografie zu seinem Beruf und arbeitete 40 Jahre für Magazine und Zeitungen, u.a. seit 1990 für die FAZ, wo er von 1992 bis zur seiner Pensionierung im Jahr 2020 Redaktionsfotograf war.
Dieses Gespräch ist zuerst in der Titelstory der Januar-Ausgabe (1/22) des JOURNAL FRANKFURT erschienen.
Helmut Fricke: Es kommt darauf an, mit den Bildern eine Geschichte zu erzählen. Dazu muss ich Menschen beobachten, Situationen und Konstella-
tionen erfassen.
Warum haben Sie sich auf Fashion spezialisiert?
Spezialisiert habe ich mich nicht. Die Mode ist ein Ausgleich neben dem Alltag für mich. Ich war oft in Kriegsgebieten, zum Beispiel in Mogadischu. Manchmal bin ich direkt nach der Rückkehr zu einer Modenschau gefahren.
Wie haben Sie diesen Spagat geschafft?
(überlegt) Manchmal habe ich dagestanden und den Kopf geschüttelt. Aber im Ansatz geht es doch darum, alles in ein rechtes Licht zu setzen. Ich weißt nicht, ob es das richtige Licht ist. Diese Themen laufen nebeneinander her, jedes davon hat seine Bedeutung und seinen Stellenwert. Diese Unterschiedlichkeit macht das Leben aus. Aber ich bekomme keine Ehrfurcht. Ich knicke nicht ein, bloß weil ich irgendjemanden sehe, der einen bekannten Namen hat.
Sie waren weltweit auf allen großen Modeschauen. Ist diese Welt so glamourös, wie sie aussieht?
Ja, sie ist mehr als glamourös, und die Beteiligten nehmen sich extrem wichtig. Aber ein großer Teil dieser Welt ist banal.
Inwiefern banal?
Es ist ja nur ein Moment des Lebens. Die Personen in dieser Welt verändern sich, sie werden älter, verändern ihr Äußeres und treten dann, weil sie sich verändert haben, nicht mehr in der Öffentlichkeit auf.
Sie haben viele Modepersönlichkeiten fotografiert. Wer hat Sie am meisten beeindruckt?
Yves Saint Laurent hat mich am meisten beeindruckt. Er hatte etwas Schüchternes, Unsicheres. Ich habe ihn einmal in seinem Showroom erlebt. Er trug einen Arm in Gips und machte einen kränklichen Eindruck. Aber selbst darin hatte er eine gewisse Größe, ein unglaubliches Charisma. Mich hat er stärker beeindruckt als Karl Lagerfeld. John Galliano wollte immer laut sein, aber laut ist überhaupt nicht gut. Auch Alexander McQueen war ein sehr gebrochener Mensch, der seine Schüchternheit dadurch zum Ausdruck brachte, dass er über die Bühne rannte, kurz winkte und schnell wieder verschwand. Giorgio Armani ging, wie er älter wurde, nicht mehr gerne auf die Bühne und hat den Fotografen nur noch seinen Rücken gezeigt.
Ist das jugendliche Aussehen immer noch das Maß aller Dinge?
Ja, für viele schon. Es ist ja auch nachvollziehbar. Deshalb wird in der Modebranche viel gespritzt, es wird alles Mögliche gemacht, um seine Jugendlichkeit zu erhalten. Es ist häufig zum Nachteil.
Nach solchen Eingriffen sehen die Menschen nicht unbedingt jünger aus, sondern eher wie Zombies.
Ja, leider. Ich habe vor zwei Jahren Isabelle Adjani fotografiert, die für mich früher zu den begehrenswertesten Frauen überhaupt gehörte. Als ich sie gesehen habe, war das einfach desillusionierend.
Wie müssen wir uns das bei den Modeschauen vorstellen? Wie bekommen Sie einen Platz in der vordersten Reihe?
Ganz vorne zu sein ist ein Wunsch. Fotografieren hat immer etwas mit Geduld und Warten zu tun, ob es ein EU-Gipfel oder eine Haute-Couture-Schau ist. Man muss immer sehr früh da sein. Außerdem werden Fotografen nicht gut behandelt. Das liegt natürlich häufig auch an den Fotografen selbst.
Weil sie sehr fordernd sind?
Nein, weil viele meinen, sie seien die letzten Abenteurer dieser Erde. (lacht)
Wie würden Sie Ihre eigene Herangehensweise beschreiben?
Ich möchte möglichst unauffällig bleiben. Das Schönste für mich ist, wenn mir Menschen nach einem Interview sagen, dass sie mich gar nicht bemerkt hätten. Viele haben große Hemmungen, fotografiert zu werden. Ich versuche ihnen diese Angst durch Freundlichkeit zu nehmen. Ich glaube, ich habe eine gute Gabe, Brücken zu bauen. Bei Modenschauen suche ich mir meistens einen Platz, von wo aus ich das Ganze erfassen kann. Das ist oft schwierig, weil wir das Podium nicht verlassen dürfen. Manchmal steige ich irgendwo hoch, stelle dafür auch schon mal zwei Leitern übereinander, wie in der Lagerhalle der Pariser Oper.
Sie arbeiten seit Jahrzehnten für Auftraggeber in Frankfurt, nun wird ein großer Teil der Fotografien im Rahmen der Fashion Week gezeigt. Was bedeutet Frankfurt für Sie?
Frankfurt ist meine Heimat und für mich eine der lebendigsten Städte in Deutschland. Ich finde, dass die Fashion Week sehr gut hierher passt. Die Stadt könnte aber mit ihrem kulturellen und finanziellen Umfeld eine größere Rolle spielen. Ich war vor 14 Tagen in Mailand. Natürlich gibt es dort ähnliche Probleme, aber die Menschen gehen in die Stadt und leben die Stadt. Da muss Frankfurt noch einiges tun. Ich habe das Gefühl, dass sich die Stadtoberen zu wenig in der Stadt bewegen. Mailand war nach dem Krieg genauso zerstört wie Frankfurt. Wenn man heute die Innenstädte vergleicht – das ist schon ein riesiger Unterschied! Es gibt viele Ecken, die vernachlässigt werden, wie zum Beispiel das Bahnhofsviertel. Man muss etwas dafür tun, dass sich die Menschen in ihrer Stadt wohlfühlen.
Sind Sie denn selbst ein modeaffiner Mensch?
Ja, sehr. Mode ist ein kreatives Moment, ein Spiel mit sich, mit seinem Äußeren. Ich habe immer viel Wert darauf gelegt und bin gerne bunt herumgelaufen. Ich hatte schon als 17-Jähriger lackierte Fingernägel, was damals Entsetzen hervorgerufen hat. Zu meinem 60. Geburtstag gab es eine Personalie in der FAZ, in der ich als Fotograf mit dem Einstecktuch bezeichnet wurde. Und tatsächlich habe ich zwei Schubladen voller Einstecktücher. Ich trage selbst in einer Jeansjacke ein Einstecktuch.
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Helmut Fricke wurde 1954 in Uslar, Niedersachsen geboren. Er studierte Pädagogik in Frankfurt am Main und ging dann nach Berlin zur „taz“, wo er als Auslandsredakteur arbeitete. Danach machte er die Fotografie zu seinem Beruf und arbeitete 40 Jahre für Magazine und Zeitungen, u.a. seit 1990 für die FAZ, wo er von 1992 bis zur seiner Pensionierung im Jahr 2020 Redaktionsfotograf war.
Dieses Gespräch ist zuerst in der Titelstory der Januar-Ausgabe (1/22) des JOURNAL FRANKFURT erschienen.
17. Januar 2022, 18.05 Uhr
Jasmin Schülke
Jasmin Schülke
Studium der Publizistik und Kunstgeschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit Oktober 2021 Chefredakteurin beim Journal Frankfurt. Mehr von Jasmin
Schülke >>
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23. November 2024
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