Kein Mord, sondern Totschlag: In dem Prozess um die Ermordung Walter Lübckes hat der Verteidiger des Hauptangeklagten Stephan Ernst am Donnerstag auf Totschlag plädiert und eine „verhältnismäßige Haftstrafe“ für seinen Mandanten gefordert.
Elena Zompi /
„Mit der Tötung Walter Lübckes hat sich Herr Ernst nicht des Mordes, sondern des Totschlags schuldig gemacht“ – mit ruhiger und leiser Stimme, gar zurückhaltend könnte man sagen, hat Stephan Ernsts Verteidiger Mustafa Kaplan am Donnerstag auf Totschlag plädiert. Die Strafe für seinen Mandanten solle „verhältnismäßig, aber auch annehmbar“ sein, sagte der Kölner Rechtsanwalt.
Anders als die Bundesanwaltschaft und die Nebenklagevertreter sieht Kaplan die Mordmerkmale Heimtücke sowie niedrige Beweggründe nicht vorliegen. Walter Lübcke sei an dem Abend des ersten Junis auf seiner Terrasse zwar wehrlos, jedoch nicht arglos gewesen. Denn aus Sicht der Verteidigung sei bewiesen, dass Ernst die Tat gemeinsam mit dem Mitangeklagten Markus H. verübt hat – und zwar so, wie er es in seiner Einlassung vor Gericht geschildert hat. Demnach seien Ernst und H. aus verschiedenen Richtungen auf Walter Lübcke zugegangen. Lübcke, erklärte Kaplan, habe den Mitangeklagten H. dadurch „mehr als wahrscheinlich“ auf sich zukommen sehen. Durch die feindselige Ansprache der beiden und die mitgeführten Waffe habe der Regierungspräsident einen Angriff mit tödlichem Ausgang annehmen müssen.
Auch das Mordmerkmal der niederen Beweggründe liege laut Kaplan nicht vor. Ernst habe nicht aus egoistischen Motiven heraus gehandelt, vielmehr sei der Mord an Walter Lübcke für ihn „ein politisches Ziel“ gewesen. Ernsts Fassade aus Haus, Familie und Job wirke bürgerlich, er habe jedoch in einer „rechtspopulistischen Blase“ gelebt. Hetze und Hass gegen Ausländer sei für Ernst und sein Umfeld normal gewesen, erklärte Kaplan. Sein Mandant sei daher davon ausgegangen, im allgemeinen Interesse zu handeln.
Sollte sich der Staatsschutzsenat dennoch für eine Verurteilung wegen Mordes entscheiden, sei eine besondere Schwere der Schuld abzulehnen, sagte Kaplan. Die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld erfordere besondere Umstände bei der Tatausführung (beispielsweise eine Entführung oder mehrmaliges Schießen) oder einen mehrfachen Mord; „all diese Punkte liegen in unserem Fall wirklich nicht vor“, so Kaplan. Auch die Tatsache, dass Walter Lübcke ein bekannter Politiker war, begründe keine Feststellung der besonderen Schwere der Schuld.
Für den Vorwurf des versuchten Mordes an dem irakischen Asylbewerber Ahmed I. beantragte Ernsts Verteidigung Freispruch. Mit diesem lägen auch die Voraussetzung für die Anordnung einer Sicherungsverwahrung nicht vor.
Mustafa Kaplan erinnerte in seinem Plädoyer noch einmal an die Worte des Vorsitzenden Richters Thomas Sagebiel vom ersten Verhandlungstag. Dieser richtete sich damals direkt an die Angeklagten und sagte: „Hören Sie nicht auf Ihre Verteidiger, hören Sie auf mich. Ein frühes Geständnis, wenn es denn etwas zu gestehen gibt, zahlt sich immer aus.“ Sein Mandant habe damals auf seinen Verteidiger gehört, aber auch auf den Vorsitzenden. „Ich hoffe sehr, dass Sie sich an Ihre Worte, dass sich ein von Reue getragenes Geständnis auszahlt, erinnern werden.“
Kommenden Dienstag wird voraussichtlich die Verteidigung des Mitangeklagten Markus H. plädieren. Am Donnerstag, den 28. Januar, soll dann das Urteil fallen.