Nachdem bereits den Richtern Befangenheit vorgeworfen wurde, monieren die Verteidiger im S&K-Prozess am zweiten Prozesstag, dass die 28. Wirtschaftstrafkammer nicht zuständig und die Schöffen fehlbesetzt seien.
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Der Wirtschaftsprozess des Jahres kommt auch am zweiten Verhandlungstag nicht richtig in die Gänge. Dabei gäbe es viel zu besprechen. Etwa in wie fern die S&K-Unternehmensgründer Stephan S. und Jonas K., sowie vier Mitangeklagte, des bandenmäßigen Betrugs schuldig sind und 11 000 Anleger geprellt und einen Schaden von 240 Millionen Euro hinterlassen haben. All das wird ihnen in der auf 1774 zusammengeschrumpften Anklageschrift zu Lasten gelegt. Doch zur Verlesung eben dieses Mammutdokuments, was an sich schon Wochen dauern könnte, ist es noch nicht einmal ansatzweise gekommen. Statt das große Ganze anzugehen, verhaken sich die Verteidiger und juristischen Vertreter der Nebenbeteiligten nämlich lieber im Kleinklein. Was nach einer Verzögerungs- oder Zermürbungstaktik aussieht, könnte auch bei womöglichen Revisionen von Interesse sein. Vielleicht wurde auch deshalb am ersten Prozesstag in der vergangenen Woche ein Befangenheitsantrag gegen die Richter gestellt. Eine Diskrepanz einer schriftlich festgehaltenen Schadenssumme wurden den Richtern als vermeintliche Voreingenommenheit ausgelegt. Diesen Antrag galt es zu prüfen, weshalb der Verhandlungstag am Freitag ausfallen musste.
Letztlich aber wurde am Dienstag nur festgestellt, dass tatsächlich ein Fehler aufgetreten sei, das aber angesichts der Fülle des Aktenmaterials durchaus passieren könne. Eine Befangenheit aber lasse sich daraus nicht ableiten, sagte Richter Alexander El Duwaik. Doch damit begann der Antragsmarathon erst recht. Die Verteidigerin Iris-Maria Killinger des Angeklagten Hauke B., ein Ex-Geschäftsführer von United Investors, sprach eine Besetzungsrüge aus. In ihrem seitenlang vorgetragenen Antrag unterstellte sie, dass die 28. Wirtschaftskammer ja gar nicht für die Verhandlung verantwortlich sei, sondern die 24. Wirtschaftskammer. Die meisten Verteidiger schlossen sich diesem Antrag an, das Gericht wies die Rüge im Laufe des Tages jedoch ab.
Aber auch die Zusammensetzung der Richterbank wurde in einem siebzehn Seiten starken Antrag von Rechtsanwalt Thomas Scherzberg beanstandet. Insgesamt handelt es sich dabei um drei Berufsrichter, zwei Schöffen sowie zwei Ergänzungsrichter und zwei Ersatzschöffen. Moniert wurde die angeblich nicht rechtmäßige Besetzung zweier Schöffen. Bei der Verlesung des Antrags wurden zum Unmut der Staatsanwaltschaft viele private Details verschiedener Schöffen bekannt, die einerseits wegen der Betreuung der Kinder oder aber wegen der Pflege von Angehörigen nicht in der Lage gewesen seien, ihren Schöffendienst zu leisten, was laut Scherzberg den Verdacht nahelegte, dass die Gerichtsbesetzung manipuliert worden sei. Darüber will das Gericht noch entscheiden. Ebenso wie über einen Antrag eines Anwalts, dessen Mandantin wegen Geldwäsche arrestiert worden sei. Der Anwalt habe keine Akteneinsicht gehabt. In einem weiteren Antrag wurde gefordert, dass die beiden Angeklagten, die in der U-Haft umgebaute Laptops als reine Lesegeräte verwenden, um ihre Akten zu bearbeiten, ebensolche Geräte während des Prozesses nutzen können. Die Staatsanwaltschaft ist dagegen und befürchtet Manipulationsversuche.
Im Gegenzug unterstellten die Verteidiger, dass die Staatsanwaltschaft zu wenig nach entlastenden Indizien gesucht habe, in manipulativer Absicht nicht alle Akten – etwa 2244 DVDs mit Mails und Akten, insgesamt 100 Terrabyte – zur Verfügung stelle und den Verteidigern damit nicht genügend Zeit lasse sich vorzubereiten. Daher gab es am späten Nachmittag noch zwei Anträge zur Aussetzung des Verfahrens und der Richter erhielt noch fünf Aktenordner von der Verteidigung.
Auch darüber steht eine Entscheidung des Gerichts aus. Mit weiteren umfangreichen Anträgen ist in den kommenden Prozesstagen zu rechnen: Diese werden natürlich immer vorgelesen, was für alle Beteiligten anstrengend ist. Der Ton im Gerichtssaal ist jetzt schon scharf, das wird sich noch steigern.
So exzessiv der Lebensstil der Angeklagten war, so ausschweifend wird eben auch ihr Gerichtsverfahren. Stephan S und Jonas K. könnten 15 Jahre Haft drohen, die Verteidigung geht aber davon aus, dass die Unschuld ihrer Mandanten bewiesen werde. Fortsetzung folgt. Am Donnerstag.
Jahrgang 1974, Publizistin, seit 2005 beim JOURNAL FRANKFURT als Redakteurin u.a. für Politik, Stadtentwicklung, Flughafen, Kultur, Leute und Shopping zuständig