S&K-Verhandlung beim Landgericht Frankfurt

Ein holpriger Prozessbeginn mit Tanzbär

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Das Verfahren gegen die Gründer der Firma S&K, denen Betrug im großen Stil vorgeworfen wird, wird wohl bis 2017 dauern. Doch der erste Prozesstag am Landgericht endete überraschend schnell: Mit einem Befangenheitsantrag gegen den Richter.

Nicole Brevoord /

Am Donnerstag begann endlich der Prozess gegen Stephan S. (36) und Jonas K. (34), den Gründern des dubiosen Unternehmens S&K, das angeblich bandenmäßig 11 000 Anleger um insgesamt 240 Millionen Euro erleichtert haben soll. Die Anleger glaubten wohl Hochglanzbroschüren und investierten bei S&K in Immobilien, tatsächlich wohl teilweise Schrottimmobilien, und finanziert wurde das – so die Vermutung – im Schneeballsystem. Da die Unternehmensgründer das Anlagegeld selbst genutzt haben sollen, blieben letztlich die Anleger leer aus. Die Vorwürfe sind gravierend, 15 Jahre Haft könnten den zwei Frankfurtern mit dem einstigem ausschweifenden Lebensstil theoretisch drohen. Eigentlich hätte das Landgericht Frankfurt am Donnerstag damit anfangen können, die mehrere tausend Seiten lange Anklageschrift zu verlesen, was vermutlich Wochen dauern wird. Das allein klingt schon nach Strafe – für alle Beteiligten. Alleine wegen der Verlesung und des wirren Unternehmensgeflechts, mit dem unter anderem 1897 Leitz-Ordner gefüllt sind, ist nicht zu erwarten, dass das Verfahren binnen weniger Monate, sondern eher nicht vor 2017 beendet sein wird. Auch der erste Prozesstag machte dahingehend wenig Hoffnung, denn ein Anwalt eines der rund 25 mitbeteiligten Unternehmen und Parteien, denen Werte gepfändet wurden, unterstellte dem Richter, er sei befangen. Das gelte es zu prüfen. Das sah auch die Staatsanwaltschaft so und daher wird der zweite Verhandlungstag statt am Freitag erst am Dienstag stattfinden. Es kann also noch heiter werden.

„Das ist doch kein Tanzbär!“
Das war es am Donnerstag auch schon. Es entbehrt etwa nicht einer gewissen Ironie, dass das Verfahren im Saal 1 des Gebäude E abgehalten wird. Ein holzverkleideter Raum ohne Fenster, noch dazu im Erdgeschoss. Fast umsichtig. Denn vor ziemlich genau zwei Jahren war Stephan S. während eines Zivilprozesses mit Handschellen bestückt aus dem geöffneten Fenster des Gerichtssaals gesprungen und hatte sich bei dem Sprung aus sechs Metern Höhe schwer verletzt. Ob es sich dabei um einen Flucht- oder einen Suizidversuch handelte, blieb unklar. Von psychischen Problemen war die Rede. Körperlich scheint Stephan S. wieder hergestellt zu sein und grinsen kann er auch wieder. Schmaler soll er geworden sein, doch das Bodybuildingtraining sieht man ihm noch an. Die Haare trägt er an den Seiten kurz, das Deckhaar hat er nach hintengegelt. Sein Kompagnon, Jonas K. hingegen wirkt vergleichsweise unauffällig, bis auf das sonnyboyartige Strahlen im Gesicht. Reue sieht anders aus.

Beim Prozess vor der 28. Großen Wirtschaftskammer wurde Stephan S. zunächst mit Handschellen und Fußfesseln in den Gerichtssaal geführt, beides wurde ihm jedoch zum Verhandlungsbeginn abgenommen und auch Jonas K. musste seine Handschellen nicht anbehalten. Freilich ist das Verfahren ein Medienereignis, immerhin sind viele spektakuläre Details aus den Leben der Angeklagten bekannt: Geldbäder in Dagobert Duck’schem Ausmaß und Geburtstagspartys mit Elefant und Zebra sowie einem Chuck Norris-Double als Staffage. Die Fotografen stürzten sich auch gleich auf das Motiv, als die Gerichtsdiener Stephan S. die Fußfesseln abnahmen – zum Unmut von dessen Verteidiger Ulrich Endres, der impulsiv losschimpfte. „Das ist doch ein Mensch und kein Tanzbär!“ Doch damit war nicht genug Zirkus. Später stellt Endres noch den Antrag, die Verbreitung der Fußfesselbilder sollen verboten werden, was der Richter ablehnte. Die Bestimmungen, wonach nur vor der Verhandlung fotografiert werden dürfe, diene ausreichend dem Persönlichkeitsschutz der Angeklagten. Falls man Persönlichkeitsrechte gefährdet sehe, müsse man eben das Zivilgericht bemühen.

Eine falsche Zahl mit Folgen
Doch damit nicht genug der Spitzfindigkeiten. Es kam noch dicker. Man muss sich das im Gerichtssaal so vorstellen: Vorne sitzen die Richter, Schöffen und Beisitzer, ganz hinten die Presse und Zuschauer. In der Mitte stehen lauter Tische mit Schildern, darauf stehen die Namen der Mitbeteiligten, etwa S&K Holding GmbH, S&K Sachwert AG oder Gerbermühle Objekt GmbH, etc…. Vertreter der Unternehmen waren nicht zugegen, dafür einige der jeweiligen Anwälte.

Einer davon, Hans-Otto Sieg, hat in dem vom Richter verfassten Eröffnungsbeschluss vom 28. Juli just am Abend vor dem Prozessbeginn einen Fehler gefunden. Seine Mandantin hatte ein Auto geschenkt bekommen im Wert von zunächst angenommenen 93.000 Euro. Letztlich aber, und so steht es in der Anklageschrift und im Einklang mit der Staatsanwaltschaft dann, handele es sich um einen Wert von „nur“ 71.000 Euro. Und wenn der Richter im Eröffnungsbeschluss von einem höheren Forderungswert ausgehe als selbst die Staatsanwaltschaft, ja dann müsse man sich doch fragen, ob der Richter nicht befangen oder zumindest nicht mit der Materie vertraut sei. Rumms, das saß. 15 Minuten Pause. Danach wurde der Befangenheitsantrag an die Anklagebank ausgeteilt, die gefüllt ist mit insgesamt sechs Angeklagten – nämlich auch mit Thomas G., Hauke B., Marc S. und Daniel F. – sowie den rund 15 Verteidigern plus einer Praktikantin.

Zur Lektüre gab es wiederum 15 Minuten Pause. Anschließend bekräftigte der Anwalt, der den Fehler nun mal erst so spät entdeckt haben will, dass er seinen Antrag aufrecht erhalten wolle und auch die Staatsanwaltschaft beantragte, dass darüber entschieden werden solle. 15 Minuten Pause. Was folgte, war die Vertagung der Verhandlung auf Dienstag, 9 Uhr. Der Richter, der öfter zu weit vom Mikrofon saß, um sich Gehör zu verschaffen und keine allzu souveräne Rolle einnahm, sammelte sich am Ende aber noch mal und warnte: „Anträge benötigen Zeit. Ich habe auch eine Fürsorgepflicht für die Angeklagten, die nun schon seit zwei Jahren und sieben Monaten in Untersuchungshaft sitzen. Es liegt an allen Verfahrensbeteiligten das Verfahren zu beschleunigen. Nach kurzem Prozess sieht es im Fall S&K grundsätzlich nicht aus, doch wie diese Verhandlung weitergeht, das hören wir dann am Dienstag. Übrigens: Verteidiger Ulrich Endres sagte nach Ende des Verhandlungstages, er erwarte einen Freispruch für seinen Mandanten. Vielleicht, so könnte man sich fragen, hätte man bei Renditeversprechen von bis zu 20 Prozent in den Hochglanzbroschüren hellhörig werden können. Zynisch ist es aber denn doch, den geprellten Opfern, die teilweise ihre Altersvorsorge los sind, zu unterstellen, sie seien selbst Schuld.


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