S&K-Prozess: Tag 6

Das digitale Dickicht und Hoffnung am Schluss

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Immerhin der „abstrakte Anklagesatz“ wurde schon verlesen. Zuvor zeigte sich eindrucksvoll, dass das S&K-Gerichtsverfahren keineswegs normal ist. Die Verteidigung beklagte die digitale Datenflut: 100 Terabyte gelte es zu sichten.

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Wirtschaftsprozesse, bei denen es um Betrug samt Schneeballsystem geht, sind kompliziert. Doch eine Größenordnung wie beim Fall des Frankfurter Unternehmens S&K, dessen zwei Gründern Stephan S. und Jonas K. sowie vier Mitangeklagten bandenmäßiger Betrug vorgeworfen wird mit einer Schadenssumme von 240 Millionen Euro und mehreren tausend geprellten Anlegern, gibt es selten. 1100 Aktenordner umfassen die Ermittlungsakten, das sind 80.000 Seiten. Insgesamt sollen 150 Firmen und 2200 Konten involviert sein. Da wundert es nicht, wenn am Ende eine, wenn auch schon eingedampfte, Anklageschrift von 1700 Seiten steht. Zumindest der abstrakte Anklagesatz wurde am Freitag verlesen, der Rest – und das ist der Löwenteil – soll ab dem 4. November nach den Herbstferien verlesen werden. Mit mindestens sechs Sitzungstagen ist dabei zu rechnen.

Am sechsten Prozesstag setzten die rund 20 Verteidiger ihr Säbelrasseln fort und stellten weitere Anträge über die dann langwierig entschieden werden musste und die letztlich doch meistens abgelehnt werden. So beschwerte sich die Verteidigung von Jonas K, dass die von der Staatsanwaltschaft überarbeitete Fassung der Anklageschrift, mit Streichungen und Änderungen auf 111 Seiten und Kürzungen um angebliche 50 Seiten, immer noch mangelhaft sei. Immer noch enthalte der Schriftsatz Details zu Prostituierten und dem Luxusleben der Angeklagten, denen unterstellt werde, nie vorgehabt zu haben, seriöse Geschäftsleute zu sein. Das stelle eine „unterschwellige Beeinflussung“ der Schöffen dar und habe einen „manipulativen Charakter“. Die Staatsanwaltschaft aber zeigte sich müde, darauf zu erwidern und auch der Richter lehnte den Antrag ab.

Umfangreich war auch der Antrag der Verteidigerin des Angeklagten Hauke B., die eine Aussetzung der Hauptverhandlung forderte, weil die Staatsanwaltschaft das umfangreiche Datenmaterial und Audiodateien zu spät zur Verfügung gestellt habe und dann noch mit einem unüblichen Programm. Insgesamt gelte es für die Verteidigung binnen kürzester Zeit 100 Terabyte an Daten, was vier Millionen Bibeln entspreche, zu durchforsten, für die die Staatsanwaltschaft drei Jahre und eine Hundertschaft gebraucht habe – „eine unmögliche Aufgabe“. Es handele sich um Mailkorrespondenz, Buchhaltung und Faxe, um 3,5 Millionen Seiten, was für die Lektüre 321 Arbeitstage bedürfe. Ferner wurde beanstandet, dass die als Asservaten behandelten Daten nur nach vorheriger Terminvereinbarung und Wartezeit im Polizeipräsidium einsehbar seien. Als die Strafprozessordnung verfasst wurde, habe man noch den technischen Stand des 19. Jahrhunderts zugrunde gelegt. Kurz gefasst: Früher hatte man simple Gegenstände als Beweismittel in der Asservatenkammer, heute sind es Datenträger mit einem Informationswust. Was folgte, war ein lautstarker Disput zwischen Verteidigern und Staatsanwälten, in dessen Folge ein Staatsanwalt als „Beißhund“ bezeichnet wurde und der Oberstaatsanwalt einen Verteidiger attestierte, er „spiele wieder eine beleidigte Leberwurst“.

Nach einer mehrstündigen Verhandlungspause wurde letztlich der „abstrakte Anklagesatz“ verlesen, der in Kürze mit Nennung der entsprechenden Paragraphen zusammenfasst, wessen die Angeklagten beschuldigt werden. Die ausführliche Anklageschrift – oder wie es ein Verteidiger nannte : „ein Pamphlet – wird nach den Herbstferien, am 4. November verlesen. Wenn nichts dazwischen kommt.


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