Noch nie war die Zahl der registrierten Straftaten so gering und die Aufklärungsquote so hoch wie im vergangenen Jahr. Doch es zeigt sich auch: rechte Kriminalität, auch antisemitisch motivierte, stieg 2019 deutlich an.
Elena Zompi /
„Hessen gehört zu den sichersten Bundesländern in Deutschland“, sagte Innenminister Peter Beuth (CDU) am gestrigen Montag bei der Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik 2019, die er zugleich auch als „beste Kriminalstatistik in der Geschichte unseres Landes bezeichnet.“ Und tatsächlich: Seit 1980 war die Zahl der registrierten Straftaten (364 833) noch nie so gering und die Aufklärungsquote (65,2 Prozent) zugleich so hoch wie im vergangenen Jahr.
Politisch motivierte Straftaten: rechte Kriminalität steigt deutlich
Der Mord an Walter Lübcke, der Anschlag auf einen 26-jährigen Eritreer in Wächtersbach, die Drohbriefe an die Anwältin Seda Basay-Yildiz und die immer wiederkehrenden Vorwürfe der rechtsextremen Gesinnung gegen die hessische Polizei: Hessen wird immer wieder ein Rechtsextremismus-Problem nachgesagt. Die Statistik zeigt nun zumindest, dass die Zahl der registrierten Fälle rechter Gewalt 2019 in Hessen tatsächlich gestiegen ist – und zwar um 52 Prozent (917 Fälle). Nach Einschätzung von Innenminister Beuth, müsse dies jedoch nicht auf eine steigende Kriminalität zurückführen: Mit eingeflossen ist auch der Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU). Durch diesen hätten die „Bürgerinnen und Bürger noch sensibler und wachsamer auf verfassungsfeindliche Kennzeichen und die Verbreitung von rechter Propaganda“ reagiert, erklärte Beuth. Auch die verstärkten Kontrollen der hessischen Beamtinnen und Beamten könnten laut Innenminister Beuth zu dem Anstieg geführt haben.
Zwar machen den größten Anteil der 917 Fälle vor allem Propagandadelikte (215 Delikte) aus, doch auch die Zahl der registrierten antisemitischen Straftaten ist deutlich gestiegen – Mit 78 registrierten Fällen liegt die Zahl um 56 Prozent höher als im Vorjahr. Bis auf zwei Delikte seien diese der rechten politisch motivierten Kriminalität zuzuordnen.
Die Zahl der links motivierten Straftaten sank dagegen leicht – von 227 Fällen auf 220 gemeldete Straftaten. Den Schwerpunkt in diesem Bereich bilden vor allem Sachbeschädigungsdelikte (102 Fälle) mit 46 Prozent. Insgesamt wurden im Bereich der politisch motivierten Straftaten ein Anstieg von 26 Prozent registriert. Davon waren 41,5 Prozent Propagandadelikte wie das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Parteien, Vereinigungen oder Organisationen, 12,8 Prozent Sachbeschädigung, 8,9 Prozent Volksverhetzung und 8,6 Beleidigungen.
Einen Anstieg um 27 Prozent gab es im Bereich der Straftaten, die durch ausländische und religiöse Ideologien geprägt sind. Von den insgesamt 150 Fällen wurden 17 mit angenommenem terroristischen Hintergrund gemeldet, 15 von ihnen sind dabei der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei (AKK) zuzurechnen.
Einsatzkräfte häufiger attackiert
Mit mehr als 4000 registrierten Fällen ist auch die Zahl der Übergriffe auf Polizisten und Polizistinnen gestiegen, 2018 waren es rund 3970 Fälle. Die Zahl der Angriffe gegen Rettungskräfte blieb etwa gleich zum Vorjahr.
Weniger Diebstahl und Wohnungseinbrüche
Im Bereich der Straßenkriminalität und den Diebstahldelikten konnte hingegen ein deutlicher Rückgang verzeichnet werden: In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Fallzahl fast halbiert (2000: 110 407; 2019: 58 641). Zudem wurden deutlich weniger Diebstähle verzeichnet: Fast 10 000 (9904) Delikte weniger als im Vorjahr. Bei den Wohnungseinbrüchen sank die Zahl um fast zehn Prozent, von 7502 auf 6768. Mit 3730 „erfolgreichen“ Wohnungseinbrüchen sei dies der niedrigste Wert seit Bestehen der Polizeilichen Kriminalstatistik, sagte Beuth.
Warnung vor „falschen Polizist*innen“
In den vergangenen Wochen wurde vermehrt in Hessen – wie auch in weiteren Bundesländern – vor sogenannten „falschen Polizeibeamt*innen“ gewarnt. Dabei täuschen die Täter*innen den meist eher älteren Opfern am Telefon vor, dass diese sich in einer Gefahrenlage befänden. Seit 2016 hat sich die Zahl der Fälle von 219 auf 642 im letzten Jahr verdreifacht. Die Aufklärungsquote lag 2019 bei 13,6 Prozent.