Paul Ehrlich-Ausstellung im Historischen Museum

Ein Wahlfrankfurter zwischen Arsen und Spitzenforschung

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Das Historische Museum beleuchtet mit zwei Ausstellungen Frankfurts rege Medizingeschichte. Im Mittelpunkt der umfangreichen Schau steht der Forscher Paul Ehrlich, doch auch eine Sammlung von Arzneimittelfläschchen weiß zu begeistern.

Nicole Brevoord /

Es ist wohl dem Geschick des damaligen Oberbürgermeisters Franz Adickes zu verdanken, dass die Stadt Frankfurt im 20. Jahrhundert Forscher von internationalem Renomee anlockte. Der Mediziner Paul Ehrlich (1854-1915) etwa wechselte von Berlin nach Frankfurt und fand hier nicht nur Mäzene, die willens waren seine kostspieligen Forschungen zu unterstützen, sondern auch Chemiewerke, die etwa Teerfarben herstellten, die Ehrlich zum Einfärben von Zellen nutzte. Letztlich wurde dem Juden eine Professur an der Frankfurter Universität angeboten, die er mit gegründet hatte. Eine sehr spannende und umfangreiche Ausstellung im Historischen Museum – die letzte Wechselausstellung im Altbau des Hauses, ab Frühjahr wird dann der Neubau genutzt – schafft es, den Forscher Paul Ehrlich greifbar zu machen und seine Bedeutung in der Medizin sowie die Rolle, die Frankfurt dabei gespielt hat, anschaulich herauszustellen.

Die Schau wurde bereits in Berlin gezeigt, wo Ehrlich aufwuchs. 1899 zog es den Mediziner aus gutem Hause, der stets Labors den Krankenbetten vorzog, an den Main, genauer in die Sandhofstraße – „die einzige Straße Frankfurts die noch zu Lebzeiten des Namensgebers benannt wurde“, wie Museumsleiter Jan Gerchow über die heutige Paul Ehrlich Straße zu berichten weiß.

Die Schau zeigt, wie Ehrlich durch Färbemethoden den Weg bereitete für Blutdiagnostik, wie er als erster eine medikamentöse Behandlung von Syphilis entwickelte und an einem Heilserum gegen Diphterie arbeitete. Selbst seine kunstvoll gestaltete Urkunde des Nobelpreises ist zu sehen, den er für seine Forschung erhielt. In der Bankiersgattin Franziska Speyer fand Ehrlich eine engagierte Unterstützerin seiner Arbeit. In Höchst, das damals noch nicht zu Frankfurt gehörte, sowie in den Casellawerken wurden die Farben hergestellt, die Ehrlich zu bahnbrechenden Erkenntnissen verhalfen. „Er war ein Netzwerker in der Bürgergesellschaft und eine zentrale Figur der Frankfurter Geschichte“, sagt Gerchow über den Wissenschaftler. Ehrlichs Witwe Hedwig emigrierte in den 1930er Jahren in die USA, wo sich auch Ehrlichs Nachlass befindet.

Kuratorin Kirsten Weining sagt: „Wir wollten nicht nur trockene Fakten zu Ehrlich präsentieren, sondern auch den Menschen.“ Wer also hätte gedacht, dass Paul Ehrlich ein so leidenschaftlicher Zigarrenraucher gewesen ist? Bei seiner Forschung steckte er sich zudem mit Tuberkulose an, ein Foto, das ihn auf einem Kamel zeigt, zeugt davon, wie sich der Mediziner in Ägypten auskuriert hat. Es gibt also viel zu entdecken in der Schau.

Eine weitere Ausstellung im Historischen Museum widmet sich einem Bruchstück der umfangreichen Sammlung des Diabetologen Christoph Rosak. 7500 Objekte aus der Pharmazie nennt der Frankfurter sein eigen, 350 nostalgische Fläschchen mit – wie er sagt – „liebevoll gestalteten Vignetten“ hat er in Vitrinen dekoriert. Deutlich wird, welche medizinischen und pharmazeutischen Produkte im 19. und 20. Jahrhundert in Frankfurt und dem Rhein-Main-Gebiet hergestellt wurden. Wir haben in der Ausstellung Bronchial Cigaretten, Filmaron Bandwurmmittel – beides aus Frankfurt gefunden, aber auch Schwefelseife aus Offenbach und Sodener Mineralpastillen. Selbstredend ist einer von Rosaks Sammlerschwerpunkten die Diabetologie. Paul Ehrlich litt übrigens an Diabetes Typ II und war Carl von Noordens Patient. Noorden praktizierte in Sachsenhausen, wo er das erste europäische Fachzentrum zur Behandlung für Diabetes etablierte – aus seiner Zeit stammen diverse Exponate der kleinen Ausstellung. Noch heute wird in Höchst in großem Umfang Insulin produziert.

>>„Arsen und Spitzenforschung. Paul Ehrlich und die Anfänge einer neuen Medizin“ und „Medizingeschichte in Flaschen. Die Sammlung Rosak“, Historisches Museum, 29.10.-3.4.2016.


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