Ohne Schweiß kein Preis

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red /

Bei Gogol Bordello denkt man, spätestens seit ihrem Auftritt mit Madonna beim diesjährigen Live Earth, an ausufernde Punk-Gelage, schräge Musiker mit Geige, Akkordeon und osteuropäischen Melodien und orgiastisch gute Laune im Publikum. Die schlechte Nachricht: erlebt man die verrückten New Yorker live, wird genau das geboten, was man erwartet. Die gute Nachricht: das Gebotene ist so gut, dass es darüber hinwegtröstet, es genau so erwartet zu haben.



Gestern spielten „Gogol Bordello“ im Rahmen ihrer Deutschlandtournee in der Batschkapp vor ausverkauftem Haus. Und Schnauzer- und Frontmann Eugene Hutz, oder „Shenja“, wie ihn seine wenigen russischen Fans gestern riefen, ging gleich zur Sache, er gibt sich nicht mit lauschigen Einführungssongs ab. Sofort erschienen und erklangen die schon berüchtigte Geige, das Akkordeon und Hutzs betont russifizierendes Englisch.



Zu einem Stück russelte Hutz ins Mikro: „The story of this song is complete nonsens“. Wenn man ihre Alben hört, kann man auch diesen Eindruck bekommen. Bei dem Konzert fiel dies freilich kaum ins Gewicht, weil die Hälfte der Worte in dem Orkan aus Bässen und Trommeln unterging. Das Interessante ist aber, dass Hutz in der Lage ist, den Nonsens der Lieder auch in Gestik und Mimik wiederzugeben. Was er auf der Bühne an Einsatz und Phantasie aufbringt, ist beeindruckend und nicht zuletzt ein Grund für den überwältigenden Erfolg der ukrainisch-israelischen US-Immigranten. Langeweile und Zurückhaltung wird man kaum bei einem Konzert vorfinden, in dem Hutz auf der Bühne rumspringen, mit einer (ungeöffneten!) Weinflasche in der Hand blödeln und sich die Seele aus dem Leib schwitzen darf.



Für einen Moment fühlte man sich aus der Batschkapp in die Alte Oper versetzt, als Hutz in seiner Ansprache von einem gutgelaunten Zuschauer in der ersten Reihe durch Zwischenrufe gestört wurde. In bester Keith-Jarrett-Manier erging sich Hutz in Schimpftiraden: „Shut the f... up! That’s shit, man, fu..ing f… You are an asshole, a real debil!” Ganz so ernst wie den Klaviervirtuosen konnte man ihn allerdings nicht nehmen.



Nach einer guten Stunde verbeugte sich die Band, ging von der Bühne und blieb fort. Zeit die Geschichte der Band zu reflektieren: Gogol, der russische Schriftsteller, wurde nach Angaben der Band, als Namenspatron gewählt, weil er die ukrainische Kultur in die europäische Literatur „geschmuggelt“ hat, so wie die Band mit ihrer Musik die englische Welt stürmen will. Das Bordello erklärt sich von selbst, da geht es ja auch so bunt zu. Ganz am Anfang spielte die Band bei Hochzeiten als Eugene Hutz and the Bela Bartoks, aber der Name wurde geändert, da „nobody knows who the hell Bela Bartok is in the United States“.



Genug des Denkens. Natürlich kamen Gogol Bordello wieder, alles andere entspräche nicht den Erwartungen. Zuerst kam Hutz mit einem klasse Gitarrensolo, in dem er auch seine Fähigkeit am Instrument beweisen konnte. Es entstand sogar das Gefühl, manchen Songs könnte eine ruhigere Begleitung gut tun, zumindest konnte der ganze Saal den genialen Text mitsingen: „Just to thank you one more time/For everything you've done/---Alcohol”.



Zum Finale furiose kamen schöne Mädchen mit riesigen Trommeln und ließen das Publikum endgültig durchdrehen. Man sah, auch an dem Schweißaustritt, dass die Band alles gegeben hatte. „Gypsy-Punk-Cabaret will conquer the world”, das und kein Geringeres ist der nicht unwahrscheinliche Anspruch von Eugene Hutz.

Text/Foto: Gary Vanisian


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