Die 44. Ausgabe von „Lucas“, Deutschlands ältestem Filmfestival für junges Publikum, endete auch in diesem Jahr mit einer Preisverleihung. Die Siegerinnen und Sieger spiegeln die Qualität der internationalen Beiträge wider.
Gregor Ries /
Während das Lucas-Festival im vergangenen Jahr das Glück hatte, in der kurzen Phase zwischen zwei Lockdowns als Hybrid-Veranstaltung über die Bühne gehen zu können, durfte man aktuell weitaus mehr Zuschauerinnen, Zuschauer und Gäste begrüßen. So berichteten zwei Darstellerinnen bei „The Fam/La Mif“ um ein Genfer Wohnheim für junge Mädchen über die stets improvisierten Dreharbeiten nach Regievorgaben, was den dokumentarischen Charakter des meistens mit Handkamera gefilmten Ensemble-Dramas unterstrich. In der Sektion 16+ der diesjährigen Preisverleihung, mit der das Filmfestival für junges Publikum vergangene Woche endete, reichte es allerdings nur für eine lobende Erwähnung.
Sieger wurde hier Philipp Yuryevs polnisch-russische Tragikomödie „The Whaler Boy“ über einen Jugendlichen in der Einöde am arktischen Ozean, der sich aufgrund seiner Leidenschaft für ein Erotik-Camgirl zur Odyssee nach Amerika entschließt. Anfangs im skurril-statischen Stil eines Aki Kaurismäki angelegt, spitzt sich die Coming-of-Age-Story zu einer Studie des Realitätsverlustes im Internetzeitalter zu.
Den Preis für den besten Langfilm in der Kategorie 13+ erlangte Yohan Mancas „La Traviata, my Brothers and I“ über die Leidenschaft eines 13-Jährigen für italienische Opernmusik, wofür seine drei älteren Brüder überhaupt kein Verständnis zeigen. Der humorvolle Film lebte von der realistisch eingefangenen Atmosphäre einer Sozialsiedlung zwischen Kleinkriminalität und vergeblichen Ausbruchszielen.
In einer weiteren, dreimal ausgezeichneten französischen Produktion erwies sich der Tennissport als Katalysator für neue Perspektiven: „Mica“ setzt auf den Kosmos sozialer Gegensätze. Regisseur Ismaël Ferroukhi nahm als einer der wenigen Filmemacher bei der Preisverleihung die Auszeichnungen selbst in Empfang.
Der Hauptpreis in der Kategorie 8+ ging jedoch an den tschechischen Stop-Motion-Film „Even Mice Belong in Heaven“. Als Publikumsfavorit aus der gleichen Kategorie erwies sich der finnische Fantasy-Spaß „Sihja, the Rebel Fairy“. Der Eröffnungsfilm „The Reason I Jump“, ein dokumentarischer Einblick in autistische Lebenswelten, wurde mit dem Preis für eine außergewöhnliche cineastische Leistung prämiert.
Bei den Kurzfilmen punkteten der iranische Beitrag „Contusion“ über einen entwürdigenden Besuch einer jungen Frau bei der Gerichtsmedizin mit strenger Bildkomposition in der Sektion 13+ und der witzige französische Trickfilm „Mum is Pouring Rain“ in der Sektion 8+ . Die Weihnachtskomödie um den erzwungenen Besuch bei der schrägen Großmutter auf dem Land schneidet subtil das Thema Depression an.
Leer ging das Culture Clash-Drama „The Castle“ um die Gesangsleidenschaft eines litauischen Mädchens in Dublin aus. Dicht und eindringlich inszeniert bis zum überraschenden Finale, gelingt Lina Luzyté das glaubwürdige Porträt einer Familie aus drei Frauengenerationen im Exil. Ein Highlight des Festivals auf hohem Niveau.