Fluglärm macht krank, wird oft behauptet. Fünf Jahre lang haben acht wissenschaftliche Institutionen für die NORAH-Studie untersucht, ob und in wie weit diese These stimmt. Das Ergebnis: Es ist nicht so schlimm wie gedacht.
Nicole Brevoord /
Welche Auswirkungen hat Verkehrslärm auf den menschlichen Körper, die Psyche und die Lebensqualität? Fünf Jahre lang haben Wissenschaftler von acht Institutionen sowie ein Ingenieurbüro versucht zu ermitteln, in wie fern Flug-, Straßen- und Schienenlärm sich auswirken. Am Donnerstag wurden die wesentlichen Ergebnisse der 2500 Seiten starken NORAH-Studie vorgestellt, nachdem im vergangenen Jahr bereits belegt wurde, dass sich der Fluglärm auf die Lernerfolge von Schülern auswirkt, wenn auch nicht so stark wie gedacht. NORAH steht für „Noise-Related Annoyance, Cognition, and Health“, unter. „Das ist eine unangreifbare Studie“, sagt Günter Lanz vollmundig. Das aber sagt erstmal jeder über seine Studie, bis sie widerlegt wird. Lanz ist als Geschäftsführer vom Umwelt- und Nachbarschaftshaus in Kelsterbach, eine Tochtergesellschaft des Landes Hessens, der Auftraggeber der international bislang umfangreichsten Studie zum Thema. Das Land Hessen ist Miteigentümer der Flughafenbetreibergesellschaft Fraport, der letztlich vorgeworfen wird, durch den Ausbau des Frankfurter Flughafens für eine Lärmbelästigung der Bevölkerung Frankfurts und des Umlands zu sorgen. Nun, das Land Hessen und die Kommunen, aber auch Fraport und Luftverkehrsgesellschaften haben sich an der Finanzierung der Studie beteiligt...
Depressions- statt Herzinfarktrisiko Lärm, sowohl durch Flugzeuge, Autos oder Züge verursacht, so besagt die Studie, hat teilweise eine Auswirkung auf die physische und psychische Lebensqualität der Betroffenen sowie auf die Gesundheit. Die gesundheitlichen Risiken sollen aber geringer sein als bislang angenommen. So sei nicht nachweisbar gewesen, dass Lärm Effekte auf den Blutdruck habe. Jedoch könne dauerhafter Verkehrslärm das Risiko für Depression und Herzschwäche erhöhen. Speziell bei Depression habe Fluglärm den größten Effekt gezeigt, bei Herzschwäche sei es der Schienenlärm gewesen. Einen signifikanten Zusammenhang zwischen Fluglärm und Herzinfarkten oder Schlaganfällen gebe es im Unterschied zu Straßen- und Schienenlärm nicht. Man könnte das also auch so zusammenfassen, dass Lärm von Zug und Auto kranker macht als der von Flugzeugen. Bliebe aber die Frage, warum. Insgesamt seien die nachgewiesenen gesundheitlichen Risiken durch Fluglärm geringer als bisher angenommen, heißt es in der Studie.
Frankfurter sind empfindlicher Die Belästigung durch Fluglärm sei sowohl in Frankfurt (FRA) als auch in den Versuchsgruppen in Stuttgart (STR), Köln/Bonn (CGN) und Berlin (BER) in den vergangenen Jahren gestiegen. Bei gleichem Lärmpegel fühlen sich die Frankfurter aber laut der Studie stärker vom Lärm belästigt als die Anwohner der anderen Flughäfen. Die Belästigung sei seit der Eröffnung der Landebahn Nordwest angestiegen, sei 2013 aber geringfügig abgesunken. Der Fluglärm störe die Menschen stärker als Straßen- und Schienenlärm. Seitdem das Nachtflugverbot eingeführt worden sei, würden die Frankfurter besser durchschlafen, fühlten sich aber morgens häufiger müde. Personen, die dem Flugverkehr kritisch begegnen, würden schlechter schlafen als jene, die dem Flugverkehr positiv gesonnen sind.
Kritik an der Studie Die Flughafenausbaugegnerin und Lärmgeplagte, Ursula Fechter (BIS), findet die Ergebnisse der Studie fragwürdig. „Während weltweit alle bekannten wissenschaftlichen Gutachten, außer einem, bisher bei dem Thema Bluthochdruck zu dem Ergebnis kommen, dass Fluglärm eindeutig Blutdruck steigernd und krankmachend ist, kommt die NORAH-Studie zu dem Ergebnis, dass das Risiko für Herz-oder Kreislauferkrankungen nicht erhöht ist.“ Die Auftraggeber der Studie hätten letztlich ja den Flughafenausbau genehmigt und hätten ausgerechnet jene Gutachter beauftragt, die „zu dem weltweit absurden und einzigen Ergebnis kamen, dass zunehmender Fluglärm, das Krankheitsrisiko mindert“, sagt Fechter, die auch allgemein die Methodik der Blutdruckstudie kritisiert.
Das sagen die Anderen Die Grünen im Landtag nennen die NORAH-Studie hingegen eine wichtige Grundlage für weitere Schritte zum Schutz vor Verkehrslärm. „Die Studie ist sowohl von ihrer methodischen Präzision als auch vom Umfang ihrer Ergebnisse her beeindruckend“, erläutert der flughafenpolitische Sprecher der Fraktion, Frank Kaufmann. Der Handlungsbedarf für die Verkehrslärmreduzierung werde belegt. Thorsten Schäfer Gümbel von der SPD-Fraktion fasst zusammen: „ Der Fluglärm wird in Rhein-Main offenbar subjektiv als belästigender empfunden als Schienen- oder Straßenlärm. Außerdem belastet Lärm insgesamt die Gesundheit. Dies gilt für alle Lärmquellen. Ein grundsätzlich signifikant höheres Gesundheitsrisiko durch Fluglärm im Vergleich zu Schienen- und Straßenlärm lässt sich nicht erkennen. Dies bedeutet, dass wir uns beim aktiven Lärmschutz mit allen Verkehrsträgern befassen müssen.“
PS: Vor der Bekanntgabe der Studienergebnisse im Literaturhaus versammelten sich Fluglärmgegner vor dem Gebäude zu einer Minidemonstration (Foto).