Kolumne von Ana Marija Milkovic

Dating im Beichtstuhl

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Unsere Kolumnistin konnte auf einer Zugfahrt von Frankfurt in die Schweiz wahre Nächstenliebe erfahren. Das brachte sie auf eine ganz naheliegende Idee ...

Ana Marija Milkovic /

Ich befand mich im Speisewagen als ich bemerkte, dass meine Fahrkarte fehlte. Eine neue Fahrkarte konnte ich im Zug nicht lösen, denn ich hatte ich keine Kreditkarten dabei. EC-Karten akzeptiert die Bahn in einem solchen Fall nicht. Die Bahn zahlt bevorzugt eine Courtage an Dritte oder stellt eine Strafe gegen Vorlage des Personalausweises in Rechnung. Das taten die Kontrolleure bei mir nicht, weil sie mir nach Vorlage meiner Zahlungsquittungen Glauben schenkten. Auf den Glauben und das Schenken kommt es wohl an. Womit ich schon beim Thema angelangt bin: Zins, Wucher und das Gebot der Nächstenliebe. Nächstenliebe erfuhr ich durch einen mir gegenüber sitzenden, fremden Mann. Er lieh mir das notwendige Geld ohne großes Procedere und legte darüber hinaus noch Geld für das Taxi mit den Worten aus: Nehmen Sie es bitte einfach an.

Ich behaupte, dass viele von uns zögern würden, einer Fremden annähernd 200 Euro zu leihen. Dabei wünschen sich die Meisten von uns ein erfülltes Leben. Erfüllung scheint eher eine große, weniger nahe liegende Herausforderung zu sein. Der Fremde mir gegenüber suchte jedenfalls nicht, er half unmittelbar. Helfen ist Teil unserer christlichen Erziehung. In die Kirche gehe ich aber nur noch selten. Jedenfalls hinderte mich in der Vergangenheit auch der Beichtstuhl daran. Als Architektin weiß ich mit Bestimmtheit zu sagen, dass nicht nur die Kurie sondern auch dieser Stuhl modernisiert werden kann. Denn, wer steigt heute noch zum Reden in einen Schrank wo das Private längst öffentlich ist?

Natürlich bin ich davon überzeugt, dass der an die Kirche gezahlte Ablass dem einen oder anderen auch heute noch hilft. Ganz umsonst wird die Kirchensteuer nicht sein - jedenfalls nicht für die Aachener Grundbesitz. In Premium-Liegenschaften investiert diese Gesellschaft das Geld der Kirche. Das mag auf den ersten Blick vernünftig sein.

Wenn wir heute nicht genau wissen, was die Seele ist oder warum sie Notwendiges hilft, vergessen zu lassen, so hinterlässt sie zumindest im Portemonnaie oder in der Vermögensverwaltung Spuren. Gott könnte aber, gesetzt den Fall er erschuf alles, also auch das Geld hervorgebracht haben. Blasphemie, ihm zu unterstellen, er hätte die Dinge nicht zu Ende gedacht.

Der Mensch, der Staat und die Kirche benötigen ständig Mittel zur Aufrechterhaltung des gesellschaftlichen Miteinanders. Der Mensch, der Staat und die Kirche häufen nicht nur Geld, Besitz sondern auch Schulden und Verfehlungen an. Dabei täte die Kirche doch gut daran, den ersten Artikel des Grundgesetzes umzusetzen, das Betteln zu lassen und die Geldgeschäfte nicht länger Dritten zu überlassen. Gloria von Thurn und Taxis gelang es, das Vermögen ihres Mannes mehrend doch auch, will sagen, so schwer kann das nicht sein.

Das Gebot der Stunde ist nun aber die Nächstenliebe. Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst, so habe ich es im Religionsunterricht gelernt. Dafür müssen wir nicht fremd im Land sein. Das nächste kann auch das Nahe liegende gegenüber sitzende im Christentum sein. Der Nächste im Beichtstuhl zum Beispiel. Vermögender sucht Mittellosen und bietet seine Hilfe an. So entstünden neben einigen Enttäuschungen auch ziemlich beste Freunde in Deutschland. Das wäre doch mal was. Auch für Andersdenkende und Gläubige zum Beispiel.


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