Kolumne von Ana Marija Milkovic

Champagner, Paris lebt!

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Unsere Kolumnistin widmet sich den kuriosen Auswirkungen des Terroranschlags in Paris: Ein Terrorist, der mit nacktem Hintern abgeführt wird oder ein Kolumnist, der seinen Chef als durchgeknalltes Arschloch bezeichnet.

Ana Marija Milkovic /

Heute schrieb die französische Eliteeinheit der Polizei in Paris Geschichte. Sie führte einen Terroristen mit nacktem Hintern in Paris ab. Was würde die Menschheit um ein Bild geben, wäre Hitler mit nacktem Gesäß durchs Brandenburger Tor geführt und auch fotografisch so für die Nachwelt festgehalten? Das wäre das ultimative Ende der Nazis gewesen. Niemand möchte sich mit einem nackten Hintern öffentlich personifizieren. Ich denke dabei auch an Mussolini.

Sicherlich, die Würde des Menschen ist unantastbar. Doch was, wenn nach einem ausgiebigen Schusswechsel in Paris die Zeit fehlt, die Hose noch hochzuziehen? Kein Satiremagazin der Welt hätte die Situation besser parodieren können, nicht einmal die Titanic. Sagte noch Martin Sonneborn, wenn Satire zur Wirklichkeit wird, liefern sich heute sogenannte durchgeknallte mit Verlaub "Arschlöcher" mitten in Paris einen Krieg, den Houellebecq in der Unterwerfung vorab drehbuchhaft beschrieb.

Worüber Michael Houellebecq auch schrieb, durchlebt zurzeit Die Welt. Kritische Meinungen werden untersagt. Es gilt, die Menschen in schwierigen Zeiten wie diesen besser ruhig zu halten. Dabei schrieb auch der Vorstandsvorsitzende, Mathias Döpfner, ein Statement zu den Ereignissen, indem er zur Radikalisierung der Mitte aufforderte. Dann fand eine Redaktionskonferenz statt, die in die Annalen des Springerkonzerns eingehen wird. Durchgeknallt wurde der Eine, der Andere als durchgeknalltes Arschloch benannt. Naturgemäß kann aber ein durchgeknalltes Arschloch nur einer sein, dessen nacktes Gesäß in Paris öffentlich, für jedermann ersichtlich abgeführt wird! Das kann kein eigentlich kein Grund sein, in Berlin die Nerven zu verlieren. Auf jeden Fall ist nun der Mann, der sinnbildlich Döpfners Hoffnung erfüllte, weg.

Matthias Matussek verlor seinen Job und das fristlos. Es wird auf lange Sicht der letzte dieser Art für ihn gewesen sein. Die Chuzpe, mit von Kollegen beleumundeten Durchgeknallten zusammenzuarbeiten, überlässt man heute guten Gewissens den Rechten. Der rechte Rand ist sinnbildlich unsere Bad Bank, in der die gesellschaftliche Mitte ihre toxischen Elemente entsorgt, wohl wissend, dass es irgendwann gerade deshalb knallt.

Matussek jedenfalls schrieb Freitagabend einen für alle auf FB lesbaren Post über das Attentat in Paris. Er schrieb emotional, sarkastisch. Der Post ist misslungen, verfehlte aber seine Wirkung nicht. Den Post ließ Matussek mit einem lachenden Smiley enden. Das war ein Smiley und der Geschmacklosigkeit zuviel. Matussek, für jene, die es nicht wissen, schrieb gut zwei Jahrzehnte für den Spiegel. Danach kam er zur Welt. Anscheinend wollte er aber nicht mehr für Die Welt arbeiten, denn wer nennt seinen Chef ein durchgeknalltes Arschloch, wenn er nicht auch die Absicht hat, umgehend zu gehen?

Bei besprochenem Post ging es um eine Viertelmillion in Deutschland nicht registrierter flüchtiger Syrer und die berechtigte Angst, dass sich hier nicht wenige Menschen in ihren Warnungen bestätigt sehen. Die Front wird jedenfalls nicht in Paris, sondern am "Hindukusch" entschieden. Warum die westliche Welt nun kämpfen will und eine Viertelmillion Syrer nicht, habe ich immer noch nicht ganz verstanden.

Seit ich nun aber dieses nackte Gesäß in Paris gesehen habe, weiß ich, dass wir auch den und das überstehen. Unité, Indivisibilité de la République, Liberté, Égalité, Fraternité ou la mort. Selbstredend, Franzosen schaffen das, und wir mit ihnen.


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