Interview: Friseursalons in der Corona-Krise

„Jetzt merken wir, wie systemrelevant Friseure sind“

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Seit Montag dürfen Friseurinnen und Friseure in Hessen wieder Haare schneiden. Oliver Merbach, Betreiber des Friseursalon Obscura im Nordend, spricht im Interview über die Zeit des Lockdowns und darüber, wie sich seine Arbeit nun verändert hat.

jwe /

JOURNAL FRANKFURT: Seit Anfang der Woche haben die Friseure in Hessen wieder geöffnet. Herr Merbach, kommen Ihre Kundinnen und Kunden nun einzeln in Ihren Laden?
Oliver Merbach:Wir haben in unserem Salon den Vorteil, dass wir mehrere Räume besitzen. Andere Friseure haben Warte-, Schneide- und Waschraum in einem. Für uns ist es relativ einfach, die Abstandsregelungen einzuhalten. Außerdem haben wir draußen Tische stehen, an denen die Kundinnen und Kunden bei schönem Wetter ebenfalls warten können.

Können Sie im Detail erklären, welche Hygienemaßnahmen nun eingehalten werden müssen?
Grundsätzlich sind Friseure auch außerhalb der Pandemie Hygienebetriebe – sie sollten es zumindest sein. Wir tragen selbstverständlich Masken. Zudem sind wir dazu angewiesen, Einweg-Umhänge zu tragen. Diese sind im Moment aber leider ausverkauft, weshalb wir bei jedem neuen Kunden und jeder neuen Kundin unsere Stoffschürzen wechseln müssen, die gemeinsam mit den Handtüchern direkt in die Wäsche wandern. Vor jedem Kunden und jeder Kundin desinfizieren wir die Stühle und anstelle von zwei Waschbecken verwenden wir wegen der Abstandsregelung nur noch eines unserer Waschbecken. Außerdem haben wir Hinweisschilder und eine Desinfektionsbar aufgestellt, an der sich die Kundinnen und Kunden Einweg-Masken und Desinfektionsmittel nehmen können.

Wie sind die Hygienevorschriften für Friseure geregelt?
Wir haben von der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BWG) ein sechsseitiges Dokument zum Arbeitsschutzstandard während der Corona-Pandemie erhalten. Ich war von dem Umfang überrascht, auch weil alle Eventualitäten, sowie auch die Aufteilung der Räumlichkeiten, bedacht wurden. In dem Dokument fallen häufig die Wörter „kann“, „soll“ und auch manchmal „muss“. Das hat mich und auch viele andere Kolleginnen und Kollegen verwirrt und ich habe mir einen Juristen zur Seite geholt, um die Regelungen gemeinsam mit ihm durchzugehen. Ich denke aber, dass es auch mit den Regelungen möglich ist, einen harmonischen und relativ ungezwungenen Betrieb aufrechtzuerhalten.

Wie haben Ihre Kundinnen und Kunden reagiert?
Viele waren sehr verunsichert. Teilweise standen sie vor der Tür und wussten nicht, ob sie reinkommen dürfen oder nicht. Der sich veränderte Stand der Dinge ist nicht immer leicht zu verstehen. Ich habe meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu angewiesen, dass sie das Desinfektionsmittel vor den Augen der Kundinnen und Kunden auftragen. So sollen sie ein Gefühl der Sicherheit vermittelt bekommen. Manche Personen machen das Ganze einfach nur mit, andere haben Angst, weil sie vielleicht zu einer Risikogruppe gehören. Auch darauf stimmen wir uns ab.

Mussten Sie die Preise anheben?
Nein, unsere Preise sind so wie immer. Wie gesagt, können wir durch die räumliche Aufteilung noch recht viele Termine wahrnehmen. Andere Friseure müssen jeden Termin auf eine Stunde strecken, damit auch wirklich nur eine Person im Salon anwesend ist. Da kann ich verstehen, dass sie ihre Preise anheben.

Der Kundenandrang ist mit Sicherheit größer als vorher. Mussten Sie Ihre Öffnungszeiten erweitern?
Oh ja, es war die Hölle (lacht). Jetzt merken wir, wie systemrelevant Friseure eigentlich sind. Wir haben aber ohnehin immer 70 Stunden in der Woche geöffnet, zweimal die Woche sogar bis 22 Uhr. Für uns hat sich in der Hinsicht nichts verändert. Ich weiß, dass das bei anderen Kolleginnen und Kollegen wegen den gestreckten Terminen und den Räumlichkeiten anders aussieht. Da gibt es eine Morgen- und eine Abendschicht, die zwischen 7 und 22 Uhr stattfinden. Das ist für alle Friseure gerade eine sehr anstrengende Zeit. Wir sind nun auch erstmal bis Mitte Juni ausgebucht.

Wie war die Zeit des Lockdowns für Sie? Sowohl finanziell als auch mental?
Diese fremdbestimmte Schließung hat für einen großen Wirbel gesorgt. Die Zeit des Lockdowns war dann schon hart. Ich habe mich mit Gartenarbeit und Auto waschen beschäftigt. Dann habe ich gemeinsam mit meinem Team den Salon renoviert, um auch in Zeiten des Lockdowns den Zusammenhalt zu stärken.

Soforthilfe habe ich dann auch erhalten. Da hat sich dann auch gezeigt, dass die Antragsbearbeitung sehr unterschiedlich ausgefallen ist: Bei mir hat es zwei Wochen gedauert bis das Geld angekommen ist, andere hatten das Geld nach wenigen Tagen. Ein Kollege hat das Bestätigungsschreiben für die Soforthilfe sogar schon nach 15 Minuten erhalten.

Halten Sie die Wiedereröffnung zum jetzigen Zeitpunkt für richtig?
Man sieht, dass die Infektionszahlen zurückgehen und ich denke, es läuft allgemein ganz gut. Vielmehr Hygiene könnten wir auch fast nicht mehr anbieten. Ich habe während der letzten Tage aber in Bäckereien und Tankstellen beobachtet, dass sich selbst die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht an die Vorgaben halten und beispielsweise keinen Mundschutz tragen. So ein Verstoß kann eine Strafe von bis zu 5000 Euro bedeuten Allerdings scheinen aktuell auch keine Kapazitäten zur Verfügung zu stehen, um die Einhaltung der Regelungen zu kontrollieren. Ich persönlich verspüre keine Angst, aber deswegen ist es trotzdem wichtig, dass wir uns alle gemeinsam an die Regelungen halten.


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