Am Sonntag entscheiden Hessens Bürger, welche Landesregierung die nächsten fünf Jahre regiert. Mit dem Wahlakt endet die hessische Volkssouveränität voraussichtlich auch schon wieder - bis 2014. Denn: In kaum einem anderen Bundesland haben die Bürger so wenig Gelegenheit politische Entscheidungen jenseits von Wahlkämpfen zu treffen. „Die Chancen, dass dieser Missstand nach der Landtagswahl behoben wird, sind gering“, so der Hessische Landesverband des Vereins Mehr Demokratie. „Nur Grüne und Linke versprechen in ihren Wahlprogrammen eine tatsächliche Verbesserung der direktdemokratischen Verfahren auf Landesebene.“
Hessen sei „ein Entwicklungsland der direkten Demokratie“. Zwar sehe die hessische Verfassung von 1946 Volksbegehren und Volksentscheide vor, doch deren Anwendung sei äußert restriktiv und bürgerunfreundlich geregelt. „Beispielsweise müssen 20 Prozent der Stimmberechtigten ein Volksbegehren mit ihren Unterschriften unterstützen – das sind über 850.000 Bürger. Erschwerend kommt hinzu, dass die Unterschriften nicht frei gesammelt werden dürfen, sondern innerhalb von nur 14 Tagen in behördlichen Amtsräumen abgegeben werden müssen.“ Bislang habe es in Hessen kein erfolgreiches, vom Volk eingeleitetes Volksbegehren gegeben. Zum Vergleich: In Hamburg liegt das Unterschriftenquorum bei lediglich fünf Prozent der Wählerschaft. Volksentscheide über verfassungsändernde Gesetze, wie etwa die Einführung von Studiengebühren, sind in Hessen nicht zulässig.
Der hessische Landesverband von Mehr Demokratie fordert konkret eine Absenkung des Antragsquorums von derzeit drei auf deutlich unter ein Prozent sowie des Unterschriftenquorums zur Einleitung von Volksbegehren auf mindestens fünf Prozent. Darüber hinaus sei eine freie, mindestens achtmonatige, Sammlung der Unterschriften sowie eine Ausdehnung von Volksentscheiden auf verfassungsändernde Gesetze dringend erforderlich. Auch über finanzwirksame Gesetze sollte das Volk entscheiden dürfen. Auf kommunaler Ebene fordert der Verband ein Wahlrecht für alle Menschen die länger als drei Jahre ihren Lebensmittelpunkt in einer hessischen Kommune haben.
„Hessen darf nicht weiter bundesweites Schlusslicht im Fairness-Ranking zur Durchführung direktdemokratischer Verfahren auf Landesebene bleiben“, so der Verband. „Das politische Verwirrspiel der letzten 12 Monate hat das Vertrauen der hessischen Bürger in die politische Gestaltungskraft der Parteien nachhaltig zerstört. Die Einbindung der Bürgerschaft in den Gesetzgebungsprozess durch faire direktdemokratische Verfahren kann diesen Vertrauensverlust in die Politik rückgängig machen.“