Es waren mehr Leute da als bei seinem Solokonzert im Mozartsaal der Alten Oper vor x Jahren. Aber voll war´s im Capitol - ein schöner Rahmen für diese Musik - beileibe nicht. David Sylvian hat sein Publikum, erreicht seine "Gemeinde", darüber hinaus geht aber leider nicht viel.
Neben seiner genialen Rhythmussektion, Steve Jansen am Schlagzeug und am Samples, und dem (Kontra-) Basisten Keith Lowe, waren noch Pianist/Keyboarder Takuma Watanabe und Klarinettist/Saxophonist/Flötist Theo Travis. In einem - gemessen an Ticketpreisen bis zu 50 Euro - eher kurzen, allerdings Auf-den-Punkt-Set, löste Sylvian sein Versprechen auf seiner wunderschönen Website ein, sich weniger in Retrospektiven zu ergehen, sondern sich seinen und Jansens aktuellen Arbeiten und diverser Kollaborationen (Nine Horses) zu widmen. So blieb es bei wenigen Ausflügen in der Vergangenheit: ein Stück von "Secrets Of The Beehive", die David Sylvian/Ryuichi Sakamoto-Komposition "World Citizen" (nicht wirklich alt)...
Was der Sänger und Gitarrist da auf die Bühne zaubert, ohne viele Worte zu verlieren, ohne überflüssige Gesten, fast in sich gekehrt, ernst mit einem seltenen Lächeln, ist in der Popszene ganz sicher singulär. Allein sein Gesangsstil, die subtile wie kraftvolle Rhythmusarbeit seines Bruders Steve Jansen am halb akustischen, halb elektronischen Schlagzeug, das reduzierte, dennoch irgendwie auch virtuose Spiel der Mitstreiter - das alles verschmilzt zu einem Klangkosmos, der aus einem fast blinden Verständnis im Zusammenspiel entsteht, als seien die Musiker über Wellen miteinander verbunden. Es ist Rockmusik, so zeitlos, wie progressiv. Es ist irgendwie auch Jazz, nicht nur, wenn das Klavier mal in die Atonalität abrutscht. Es ist Ambient wenn die Klangflächen und Rhythmuspatterns so ruhen scheinen. Es ist - selbst wenn Sylvian dazu mit der akustischen Gitarre schrammelt - elektronische Musik dank Klangerzeugern wie Synthies und Samplern, dank derer eigenwillige Töne entstehen. Es ist irgendwie zeitgenössische Musik wenn auch anders als bei den Klassikern.
Da es bei David Sylvian immer auch um ein Gesamtkunstwerk geht, steht die Band in individuell geschneiderten Outfits (gerne fernöstlich inspiriert, Bassist Lowe im Rock zu eher derben Kniestrünpfen) vor einer Leinwand, auf der wunderschöne, eher abstrakte denn konkrete Projektionen fast für einen Performance-Charakter des Abends sorgen. Die Fans waren glücklich und selbst Nicht-Fans ließen sich irgendwann von der Musik faszinieren. Auf der Suche nach der Farbe in der Tristesse, der Wärme in der Kälte, dem Sinn im Chaos. In seinem Song "A Fire In The Forest" verspricht Sylvian: There is always sunshine Above the grey sky...