Gabriele von Lutzau über den Altkanzler

Helmut Schmidt – Ein Mann mit Contenance und Stärke

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Das Leben der Künstlerin und einstigen Stewardess Gabriele von Lutzau ist auf besondere Weise mit dem des am Dienstag verstorbenen Altkanzlers Helmut Schmidt verwoben. Seinem Mut verdankt sie ihr Leben.

Nicole Brevoord /

Derzeit trifft man die Künstlerin Gabriele von Lutzau regelmäßig in der Heussenstamm-Galerie in der Braubachstraße an. Dort stellt sie ihre Kunstwerke aus. Berühmt sind ihre Schwingen aus Holz und die bronzenen Skulpturen. Die dramatische Vergangenheit der einstigen Stewardess fließt in ihre Kunst mit ein. Sie arbeitete in der mit zuletzt mit 86 Personen besetzen Lufthansamaschine „Landshut“, die im Oktober 1977 von vier Palästinensern entführt wurde. Es ging damals im somalischen Mogadischu um Leben und Tod. „Ein Staat darf sich von Terroristen nicht erpressen lassen“, war jedoch die Devise des ehemaligen Kanzlers Helmut Schmidt.

„Ich habe nicht gewusst, dass es die Option einer gewaltsamen Befreiung gibt, ich dachte nur, entweder wirst Du erschossen oder freigelassen“, erinnert sich Gabriele von Lutzau. „In der Situation war ich sicher wütend auf Schmidt und seine Haltung. Aber ich wusste ja auch gar nicht, dass so was wie die GSG 9 existiert.“ Am frühen Morgen des 18. Oktober 1977 aber wurde Helmut Schmidt mitgeteilt, dass das Flugzeug erfolgreich gestürmt worden war. „Ich erinnere mich noch an das Klacken der Notausgänge, dann wurde gerufen: „Köpfe runter, wo sind die Schweine?““ Gabriele von Lutzau wurde gerettet, auch weil Schmidt der Meinung war, man müsse sich wehren, statt sich dem Terror zu ergeben.

„Seit meinem 19. Lebensjahr bin ich Sozialdemokratin“, sagt die 61-Jährige. „Schmidt, das war mein Kanzler. Er hat mir immer imponiert, denn ich schätze mutige Menschen mit geradem Rücken. Er war empathisch, konnte das aber unter seinem hanseatischen Gerüst gut verbergen. Er verkörperte Contenance und Stärke“, sagt die Künstlerin. Helmut Schmidt sei ein Anker gewesen, nicht nur für die SPD, sondern für die ganze politische Szene. „Was er sagte, hatte Hand und Fuß. Bis ins hohe Alter war er geistig rege und meldete sich zu Wort.“

1977 konnte Gabriele von Lutzau Helmut Schmidt das erste mal live sehen, da bekam sie das Bundesverdienstkreuz verliehen. „Schmidt war nicht der volksnahe Politiker, dafür war er zu zurückhaltend. Er kam nur schwer mit öffentlichen Emotionen zurecht, das hasste er. Bei der Verleihung funkelte ein Tränchen in seinen Augen. Ich schnappte ihn und hab ihn gedrückt. Da ging förmlich eine Tür auf, durch die der warmherzige, sympathische Mensch blitzte, das war auch für ihn ein großer Moment.“

Jahrzehnte sahen sie sich anschließend nicht mehr. „Aber es gab immer eine Stille Post. Wenn er mit Journalisten über mich sprach, richtete er Grüße aus und auch ich richtete ihm regelmäßig Grüße aus.“ 2013 bekam Helmut Schmidt den Hanns Martin Schleyer Preis verliehen. „Das war eine Aussöhnung mit der Familie Schleyer. Ich glaube, das lag ihm bis zum Schluss auf der Seele,“ sagt Gabriele von Lutzau über Schmidt, der sich für Schleyers Tod mitverantwortlich fühlte. „Als ich ihm sagte, er habe die einzig mögliche Lösung gewählt, hat es ihm, glaube ich, gut getan.“ Ein gemeinsames Bild hat die Künstlerin (Foto) von diesem Anlass zur Erinnerung.

„Es gibt kaum ein erfüllteres Leben als seines“, sagt sie nach dem Tod des 96-Jährigen. „Schmerzfrei gehen zu dürfen, ist eine Gnade. Was mir aber schwer fällt, ist der Verlust einer Ära. Das waren Politiker damals, die das richtige Leben kannten. Helmut Schmidt ist und bleibt einer der mutigsten Männer, die ich kenne.“


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