Am vergangenen Montag begann die diesjährige Fair Finance Week. Die Auftaktveranstaltung, welche das Thema der gesamten Woche umreißen sollte, befasste sich mit den Möglichkeiten und Grenzen der Nachhaltigkeit im Finanzwesen.
Karl Linsler /
Die Veranstalter des Abends, das Fair Finance Network Frankfurt, versteht sich als Vorreiter einer nachhaltigen Finanzwirtschaft und möchte sich für diese am Standort Frankfurt mit gemeinsamer Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit einsetzen. Experten aus verschiedensten Bereichen der Gesellschaft informierten und diskutierten daher über Schlagworte wie „Green Money“ (Investitionen in ökologische Projekte), „Sustainable Finance“ (nachhaltige Finanzen) und Divestment (dem Abzug von Investitionen von Unternehmen, die mit ihren Investitionen dem Klimaschutz schaden).
Allgemeine Skepsis gegenüber der Praxis Stadtrat Stefan Majer entlockte dem Publikum bereits bei der Begrüßung, die später noch spürbarere Skepsis gegenüber einem wahrhaft nachhaltigen Bankenwesen, indem er „bissig“ bemerkte, dass „Banken keine Geberbesteuer an die Stadt Frankfurt zu zahlen hätten“. Auch wenn das Thema Nachhaltigkeit in der Finanzbranche bereits im Mainstream angekommen ist, sei damit trotzdem ein Bildungsauftrag verbunden, da es in der Realität noch wenig Umsetzung erfährt. Dem stimmte auch Kristina Jeromin zu, die sich selbst als „Stachel im Fleisch der Finanzbranche“ beschrieb. Denn auch wenn sie aus ihrer Tätigkeit als Nachhaltigkeitsmanagerin der Deutschen Börse heraus Fortschritte erläutern konnte, sagte sie, dass vermutlich ein kompletter Generationswechsel nötig sei, um für echte Nachhaltigkeit im Bankenwesen sorgen zu können.
Engagement und Einbindung der Zivilgesellschaft Davon wusste auch Sven Giegold vom Bündnis 90 die Grünen zu berichten. Aus seiner Perspektive als EU-Abgeordneter würden zwar Schritte eingeleitet, „deep green“ Standards seien aber auf keinen Fall zu erwarten. Denn auch wenn immer mehr Investitionen in nachhaltige Projekte getätigt werden und DIvestments aus schädlichen Projekten herausführen, bleibt eine notwenige Einschränkung für die Finanzmärkte bestimmend: es kann nur finanziert werden, was Gewinne abwirft. Kristina Jeromin bemerkte dazu, dass Bankkunden sich nicht einreden lassen sollten, dass nachhaltige Projekte weniger Renditen einbringen würden. Giegold beschrieb dem Publikum chronologisch, welche Schritte die Europapolitik dennoch bisher eingeleitet hatte, um den Gedanken von Sustainable Finance rechtlich zu verankern. Am 12. November werde hierzu ein Berichtsentwurf des Europäischen Parlaments für einen Rahmen zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen (Taxonomy) eingereicht. Von der Deutschen Bundesregierung hingegen sei er enttäuscht, da diese den Aspekt Nachhaltigkeit stets endlosen, bürokratischen Debatten unterordnen würde. Trotzdem lohne es sich stets hierfür zu kämpfen, den öffentlichen Druck zu erhöhen, wofür er sowohl dem Fair Finance Network Frankfurt, an diesem Abend vertreten durch Arnd Erler (Evangelische Bank) und Silvia Winkler (Oikocredit), als auch den seinen Ansichten geneigten Besuchern der Veranstaltung dankte.
Rainer Lenz, Vorsitzender von Finance Watch in Brüssel, vertrat den Standpunkt, dass Unterstützer von Sustainable Finance erst einmal selbst nachweisen müssten, wie nachhaltig ihre Unternehmen, Banken sind. Nachhaltigkeit sei nämlich nicht nur Klima- und Umweltschutz, sondern beinhalte auch soziale und viele weitere Aspekte. Eine Bank, die sich als nachhaltig ausgibt, gleichzeitig aber an Cum-Ex-Geschäften beteiligt ist, könne man nicht ernst nehmen. Wie Giegold hielt er es für unabdingbar die Zivilgesellschaft zu bündeln, um den öffentlichen Druck für mehr Nachhaltigkeit zu erhöhen und verwies dabei auf die Bürgerbewegung Finanzwende e.V..
Eine hitzige Debatte Die Bürger bzw. Besucher der Veranstaltung wurden bei der abschließenden Podiumsdiskussion dann auch miteinbezogen. Die Moderatorin Susanne Bergius, freie Journalistin, fragte Frau Jeromin, wie ein Bankkunde überhaupt wissen könne, ob seine Bank nachhaltig sei. Jeromin gab die Frage quasi an das Publikum weiter. Wer das denn im Publikum wisse, der solle aufstehen. So clever dies gewesen sein mag, hatte sie vermutlich unterschätzt, wie engagiert eine große Anzahl der Besucher bei diesem Thema war, sodass eine beachtliche Menge der Leute sich vom Platz erhob. Sie selbst konnte auch nicht mehr Rat geben, als dass sich die Leute eben über die Bank ihres Vertrauens informieren müssten.
Von Vertrauen gegenüber der Durchsetzung eines nachhaltigen Finanzwesens war wie anfangs angedeutet wenig im Publikum zu spüren. Viele skeptische, sarkastische Kommentare ließen die Experten auf dem Podium teilweise sprachlos wirken. Ein Gast wies sich sogar selbst als Experte des Themas aus, indem er ein eigenes Konzept für nachhaltiges Investieren einem Vortrag gleich, stichpunktartig vortrug. Susanne Bergius hatte sichtlich Mühe die immer hitziger werdende Debatte und Redeanteile in einem vernünftigen Rahmen zu halten.