Schafft Frankfurt die Verkehrswende? Chefredakteurin Ronja Merkel bezweifelt das. Innovative Mobilitätskonzepte, so scheint es, werden zerredet und für gescheitert erklärt, noch bevor sie angegangen werden.
Ronja Merkel /
Frankfurt stinkt. Ja, wir alle lieben diese Stadt. Für ihre Vielfalt, ihre Kontraste und Andersartigkeit. Aber dennoch: sie stinkt. Nicht nur in den diversen B-Ebenen, dort ganz unverwechselbar nach alter Pisse und Taubenscheiße, sondern auch in den Straßen. Ob Mainzer, Friedberger oder Eschersheimer Landstraße: Die Frankfurter Luft ist dermaßen von Abgasen verpestet, dass schon ein falscher Atemzug Verätzungen der Atemwege dritten Grades provozieren kann. Wie mir unsere Praktikantin und gelernte Ärztin erklärt hat, müsste ich an dieser Stelle eigentlich von „anfressen“ oder „zersetzen“ schreiben, aber gut. Was auch immer für Prozesse in meiner Lunge stattfinden, wenn sie mal wieder mit Frankfurts Auspuffen konfrontiert wird, gesund sind sie nicht.
Auch der ständige Stress, dem sich die baustellen- und staugeplagten Autofahrerinnen und -fahrer ausgesetzt sehen, kann nicht gesund sein. Von den Gefahren, mit denen Radfahrende konfrontiert werden, wollen wir gar nicht erst anfangen zu sprechen. Nur so viel: Mein erster Ausflug mit dem Zweirad auf die Friedberger kam einer Nahtoderfahrung gleich. Und als ich meinen passionierten Radfahrer-Kollegen fragte, ob ich schreiben dürfe, dass er sich täglich über den Frankfurter Straßenverkehr ärgere, begann er unter wildem Kopfschütteln und Schnappatmung eine lange Schimpftirade.
Und wie reagieren die Damen und Herren der Stadtregierung? Die machen sich Sorgen, dass elektrische Roller die Verkehrssicherheit beeinträchtigen könnten. Denn die sind schließlich trotz geringer Geschwindigkeit „extrem wendig und wieselflink“. Und könnten außerdem „Berge von Elektroschrott“ sowie ein „Durcheinander auf den Straßen“ verursachen. Letzteres gab es bisher augenscheinlich nicht.
Sei es die Sperrung des Mainufers, das autofreie Bahnhofsviertel, die Rotmarkierung von Radwegen oder eben die Einführung von E-Scootern: Jeder Vorstoß, dieser chaotischen Stadt verkehrstechnisch einen halbwegs zeitgemäßen Anstrich zu verleihen, wird umgehend in einen politischen Spielball verwandelt und garantiert als „gescheitertes Experiment“ deklariert, noch bevor es überhaupt angelaufen ist. Konsequenz ist eine Verkehrssituation, die in etwa so gut passt, wie ein zu heiß gewaschener Pullover. Mobilität voranbringen, ja, bitte – aber bloß nicht zu innovativ. Lieber noch ein wenig Abgase schnüffeln. Das regt ja bekanntlich die grauen Zellen an.