Zum ersten Mal mit dieser Formation (oder gar überhaupt) in Deutschland und dann gleich so gefeiert – Rudresh Mahanthappa’s Codebook featuring Vijay Iyer stellten Musik von ihrem Album “Codebook“ vor und begeisterten mit virtuosen Spiel an Flügel und Altsaxophon. Besonderen Beifall gab`s zudem für die Rhythmussektion, deren Doppelsolo als spannenden Dialog mit viel Witz und Verve und für Mahanthappas Ausführungen über die Wahl seiner Songtitel. Habe er früher Rudresh gegoogelt, habe ihn die Suchmaschine immer gefragt: Meinten Sie Refresh? So kam ein Titel zustande. „Enhanced performance“ (gesteigerte Leistung) sei allen Sportlern gewidmet, die sich Steroide bedienen. Und „The Decider“ geht auf „unseren Präsidenten zurück, der – wie Sie vielleicht wissen – ganz eigene Wortschöpfungen kreiert, die es in der englischen Sprache gar nicht gibt.“ Als Indo-Amerikaner genießen Mahanthappa und Iyer – was für diese Volksgruppe in den Staaten alles andere als normal ist – dank ihrer Musik längst hohe Anerkennung, denn nicht nur in der New Yorker Szene gelten sie als hip. Trotzdem ist ihre Musik auch Teil der Selbstfindung, aber anders als andere indische Musiker, die zum Jazz gefunden haben, versuchen sie ihre Wurzeln auf Basis ihrer Jazzerfahrungen zu finden weshalb die indischen Motive in ihrer Musik subtiler eingeflochten und nicht unbedingt auf Anhieb erkennbar sind in der Wahl der Rhythmuspatterns oder Melodien. Wäre ja auch albern, wenn das Ganze wie Shakti kläre.
Dave Douglas Keystone Sextet (unser Bild) – an Position Zwei des Abends gesetzt – erfüllte die hohen Erwartungen an das Projekt, eine Hommage an den Stummfilm-Star Roscoe „Fatty“ Arbuckle, dessen aberwitzige Schwarzweißfilme von Anfang des 20. Jahrhunderts vom Trompeterstar mit seiner Band (inklusive DJ) auf kraftvolle Weise in Musik umgesetzt wurde. Das war mitunter schon Jazzrock, was die Musiker da auf die Bühne zauberten. Wie vertraut Douglas und seine Mannen inzwischen mit den Streifen – die selbstverständlich über die Leinwand im Sendesaal flimmerten – sind, zeigte unglaublich Musik und Bildern waren wobei es Douglas als Komponist vermieden hat, die Musik slapstickhaft anzulegen. Dafür ist der Mann ganz sicher zu feinsinnig.
Das Finale des Abends bestritt noch mal die Big Band mit „Fellinijazz“, die — nach Ted Nashs konventionellem Werk am Donnerstag mit den Bearbeitungen von Nino Rota-Filmmusiker die Chance gehabt hätte, sich noch mal richtig auszutoben, zumal mit dem sardischen Akkordeonspieler Antonello Salis ein wirklich schräger Vogel als Solist eingeladen wurde. Der tobte sich dann auch mit Piratentuch zu markanter Brille auf dem Charaktergesicht – aus, fudelte aber für meinen Geschmack ein bisschen zu viel bei seinem Geschwindigkeitsrausch über die Tasten seines Instrumentes, denn wann immer er mal erkennbare Melodien und nur wenige, hohe, auf den Punkt gesetzte Töne spielte, war es wunderbar und passte bestens zu Charakter der Rota-Musik, die insgesamt zu glatt gebügelt wirkte. Dabei Big Band-Chef Jörg Achim Keller in einer Moderation noch den unperfekten Straßencharakter der Musik erwähnt. In der längsten Komposition des Abends, Musik aus dem Film „8 ½“ blitze des Schräge, Schrille oft auch Zirkushafte in Rotas Musik dann endlich mal auf. Fast zu spät.