Der künftige Prachtbau der Altstadt, die Rekonstruktion der Goldenen Waage, liegt derzeit ganz in der Hand des Architekten Jochem Jourdan. Bei einem Rundgang berichtete er über seine historischen Recherchen.
Nicole Brevoord /
Alt und neu werden in der Rekonstruktion der Goldenen Waage miteinander verbunden. Das 1619 erbaute detailreiche Gebäude mit der schmucken Renaissancefassade war eines der Hauptattraktionen der Frankfurter Innenstadt, bis es 1944 beim Bombenhagel zerstört wurde. Die Trümmer wurden fortgeschafft, manche Spolien wurden im Archiv des Historischen Museums gelagert, andere Bausteine wurden verkauft. Über all das weiß der in Gießen geborene Architekt Jochem Jourdan unglaublich viel zu erzählen. Unter der Federführung des 79-Jährigen entsteht das einstige Prachtstück wieder, das für die Bauherren viele Herausforderungen bietet. Zierfachwerk, aufwendige Schnitzereien in Eichenbalken, Steinmetzarbeiten und die Integration von historischen Bauteilen, all das soll Schritt für Schritt nach Vorlagen entstehen.
Jourdan hat sich intensiv mit der Historie des Hauses und der Altstadt auseinandergesetzt. Lebhaft berichtet er bei einer Führung von den Auskragenden Hausfassaden der einstigen Altstadthäuschen. Dabei trägt er seinen silberfarbenen Bauhelm aus Aluminium. Die Häuserfronten damals, so berichtet Jourdan, schienen förmlich vornüberzukippen. „Die Steuer wurde früher über die Grundfläche berechnet und so hat man noch ein bisschen Fläche dazubekommen.“ Teilweise soll man sich von der oberen Etagen in gegenüberliegenden Häusern fast die Hände gereicht haben können. Nur 1,40 Meter lagen teilweise in der Neugasse zwischen den beiden Straßenseiten.
Die Baustelle offenbart die prachtvolle Handwerkskunst. Roter diamantierter Sandstein an den Säulen, teils historische Rundbögen und Löwenköpfe und Konterfeis der ursprünglichen Bauherren sind schon zu sehen und auch das Fachwerk, das noch mit Lehmsteinen ausgemauert werden wird. Ein Hingucker ist der geschnitzte Eckbalken „Aus einem alten, schon mal gebrauchten Eichenholz“, wie Jourdan erzählt. Das Original sei wertvoll, obwohl gebrochen. Anhand dieser Vorlage hätten die Zimmermänner den Balken mit der fantasievollen Bildsprache kopiert. So sehe man biblische Motive, wie Abraham seinen Sohn opfern wolle und der Erzengel einschreite. „Jede Figur und auch jede Farbe hat ihre Bedeutung“, ist sich der Architekt gewiss. Fotos, Zeichnungen und Aquarelle helfen bei der Rekonstruktion der Goldenen Waage, die nicht nur reich an Ornamentik, aber auch an Farbe gewesen sein muss, wie Jourdan herausgefunden hat. Zehn Originalteile seien in der Fassade verbaut, darunter auch Steine, die der erste Intendant des Hessischen Rundfunks einst gekauft und in seinem Garten und der Bibliothek in Dreieichenhain verbaut hatte. Man habe den Mann dazu bewegen können, die Originalteile gegen einfachere Stücke auszutauschen. Für die Recherche zur Goldenen Waage ist Jourdan nach Antwerpen gefahren, einer Stadt, die zu Frankfurt damals schon gute Handelsbeziehungen unterhielt und im Hessenhuis eine ähnliche Bauweise wie die der Goldenen Waage vorweisen kann. Auch in Idstein gebe es Häuser aus dieser zeit, weiß Jourdan zu berichten.
Im September soll das Richtfest der Goldenen Waage, für das es ein Budget von 8 Millionen Euro gibt, gefeiert werden. Fertig aber wird sie, wie auch der Rest der Altstadt, Ende 2017. Wo einst im Erdgeschoss die Kontorhalle lag, wo Farben, Gewürze und Spezereien lagerten, soll es künftig ein Café geben mit Bestuhlung am Platz in Richtung Dom.