CocoRosies genialer Auftritt im Mousonturm

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red /

Während die Rolling Stones hart um jeden Fan fürs Konzert in der Commerzbankarena fighten müssen, haben CocoRosie locker den Mousonturm gefüllt. In diesem Zusammenhang lässt sich dann auch einmal feststellen, dass musikalisch individuelle Konzepte, auch nette kleine Verrücktheiten und echte Persönlichkeiten durchaus ihr Publikum finden. Und das nicht zu knapp. 1:0 für den "Underground", gelbe Karte (mindestens) für den kalkulierten Mainstream.


Wäre es nicht so unerträglich heiß gewesen im Theatersaal, man hätte keine Sekunde freiwillig im Foyer verbracht oder sich gar die Arme im Waschraum mit kaltem Wasser benetzt, so spannend war das, was die beiden Schwestern mit Flügel, Bass, akustischer Gitarre, Harfe, Keyboards, Computern und Spielzeuginstrumenten auf die Bühne zauberten. Hinzu kam - statt eines gewöhnlichen Schlagzeugs - einen Human Beat Box, ein genialer Typ, wie schon sein kurzes Set als Vorprogramm zeigte, der für Beats, Atmosphären, Stimmungen und Klangflächen verantwortlich zeichnet und dem mitunter fragilen Klanggebilden von CocoRosie ihr Fundament gab.


Allein die Stimmen: Biancas eher kindlicher Gesang, der auf Dauer ein wenig "quirky" klingt, dazu Sierras ausgebildete Stimme, die aber auch nicht nur in Schönheit ersäuft, sondern schon mit der Schwester auch einen - mitunter zumindest - Gleichklang sucht, aber in der Ausgeschmückheit oft fast barock klingt oder eher vielleicht noch an Renaissance-Musik erinnert.


Wie überhaupt die oft simpel wirkenden, dann aber auch wieder sehr songhaft arrangierten Titel Assoziationen jedweder Art zulassen. Der Begriff "weird folk" stimmt schon, denn es sind oft Motive, die in ihrer Einfachheit an Folksongs erinnern, die aber räumlich nicht wirklich zu verorten sind. Zumindest klingt es nicht wirklich nach Appalachen oder der Acadie oder was einem sonst noch an amerikanischen Folkregionen einfällt. Auch wenn Sierra die Harfe zupft, wird es nicht keltisch, sondern mutet - auch beim akustischen Gitarrespiel - eher fernöstlich an. Aber nichts ist wirklich eindeutig, alles scheint/wird gebrochen, bewusst oder unbewusst, ist ganz sicher aber intuitiver als intellektuell reflektiert. Denn Vieles klingt wie gerade erfunden. Wenn die Harfe das Himmelsinstrument ist, kommen vom Beatboxer aus dem Hintergrund eher teuflich gutturale Laute. Es ist eine zutiefst romantische Musik, die sich aber zwischendurch mal auf den Jahrmarkt verirrt zu haben scheint. Es sind manchmal fast sakrale Klänge, die dann durch allzu weltliche Geräusche konterkarriert werden. Auf alle Fälle sind die Musikerinnen in einer ganz eigenen Welt unterwegs. Das bestätigt auch die Adresse ihrer Website, die anzuschauen sich absolut lohnt. Denn CocoRoise ist ja auch ein Kunstprojekt (nicht zu verwechseln mit Kunstprodukt!).


Apropos Kunst. Als hätten die Augen der Zuschauer nicht genug damit zu tun gehabt, zu beobachten, was die MusikerInnen da mit ihren Instrumenten auf der Bühne anstellen und wie ihre Interaktion funktioniert, gibt es noch beeindruckende Projektionen. Auch die lassen viele Assoziationen zu und erinnern zum Beispiel von den Stimmungen her an die rätselhaften Bilder des Malers Hieronymus Bosch und die Bildsprache des englischen Regisseurs Peter Greenaway ("Der Kontrakt des Zeichners").


Mousonturm-Chef Dieter Buroch war jedenfalls auch begeistert vom Abend, sprach "von einem richtig geilen Konzert, das wir da präsentiert haben" und gab als Mann des Tanzes und des Theater unumwunden zu, dass er ja eigentlich "für Musik nicht so anfällig" sei. Aber wie schon beschrieben war ja auch mehr als nur der reine Klang zu erleben. B., die die aufmerksamen Leser dieser Konzertkritiken inzwischen vielleicht schon kennen, hatte ihre ganz eigene Wahrnehmung des wunderbaren Spektakels. "Wenn du dich einsam fühlst und diese Musik hörst, gibt es dir zumindest das Gefühl, gemeinsam einsam zu sein und du kannst das Gefühl dann sogar zelebrieren. Das ist dann vollkommen ok und lindert eher den Schmerz." Was für ein Kompliment für die Schwestern! Denn CocoRosies Trauer hat Wärme und durchaus auch Vitatlität. Und die Fragilität lässt gleichzeitig auch eine Menge Stärke zu.


TEXT/BILD: DETLEF KINSLER


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