Für Arte reist er quer durch Europa um Tankstellen zu besuchen, auf Tele 5 gibt er den Senderchef und als Trio mit neuer Platte tourt er jetzt durch Deutschland: Friedrich Liechtenstein tänzelt, flaniert durch die Genres. Ein Gespräch.
Tamara Marszalkowski /
Gestern Abend war The Friedrich Liechtenstein Trio mit "Schönes Boot aus Klang" in Darmstadt in der Centralstation zu sehen. Das Journal Frankfurt traf ihn beim Radiosender harmony.fm auf ein Gespräch.
JOURNAL FRANKFURT: Pfingstmontag waren Sie auf Arte zu sehen, wie Sie quer durch Europa reisen, um "Die Tankstellen des Glücks" zu entdecken. Wieso? FRIEDRICH LIECHTENSTEIN: Es ist eine große Umarmung. Ich werde mich auch noch in 50 Jahren darüber freuen, wenn alter Diesel durch die Gegend knattert. So wie es heute auch noch Pferde gibt oder Leute, die sich trotz moderner Heizungen gerne ans Lagerfeuer setzen. Ich habe Dankbarkeit für diesen Ort, weil der sehr viel für uns gemacht hat. Auf dem Land war das teilweise der einzige Ort, an dem man Kontakt mit der großen weiten Welt haben konnte oder flirten. Tankstellen haben auch für unsere moderne Welt viel getan. Aber sie werden sich demnächst wahrscheinlich sehr verändern.
Was fasziniert Sie so an Tankstellen? Ich finde, es macht Spaß steile Thesen zu haben und sie zu belegen. Ich habe mich in der Vergangenheit schon unterschiedlichsten Sujets gewidmet wie zum Beispiel einem Mittagsschläfchen. Immer diese Kleinigkeiten, die ein bisschen belächelt werden. Wenn es mir gelingt denen Großes abzugewinnen, dann bin ich immer sehr sehr froh. Auch wie diese Commercial-Geschichte – wo man denkt: Ist doch blöd, Werbung. Und Tankstellen sind eben auch so ein Ort, wo man denkt: Tankstellen sind blöd, hässlich. Ich hab durch die vielen Jahre mit denen ich damit beschäftigt habe festgestellt, dass das ein sehr sehr interessanter Ort ist. Außerdem werden die sich wohl verändern demnächst. Oder werden verschwinden. Wir müssen aufhören mit dem Benzin, es werden mehr Elektroautos kommen. Und es ist so: Wenn etwas verschwindet, neigen die Leute zu Nostalgie oder Hinwendung. Nun war also der richtige Zeitpunkt mit Leuten darüber zu reden. Das kann man alles gar nicht so schnell erklären. Ich könnte ewig darüber erzählen.
Ist das neue Album im Zuge der Tankstellen-Serie entstanden? Es gibt eine Episode, da sieht man so ein bisschen wie wir die Platte aufgenommen haben. Die wurde im Emil Berliner Studio aufgenommen. Da gibt es so eine Maschine, die das Konzert live aufnimmt und direkt danach in Lichtgeschwindigkeit auf Vinyl presst. Die Hallräume, die man auf der Platte hört, sind alles Analoghallräume. Das ist kein digitaler Hall. Es gibt einen Hall im Keller, im Hof, im Treppenflur und das klingt alles anders. Mein Album davor „Bad Gastein“ war so ein Konzeptalbum mit viel Tüftelei und Postproduktion. Das war anstrengend und aufreibend. Und jetzt haben wir gesagt wir nehmen das Eins zu Eins auf. Das Konzert war fertig und die Platte war fertig. Auf Vinyl. Und die ist ganz ganz toll.
Was sind Ihre musikalischen Vorbilder? Da gibt’s unglaublich viele. Wenn’s gut ist, find ich’s gut. Aber man kann ja in der Kindheit anfangen. Man wird ja oft nach der ersten Platte gefragt: Das war bei mir eine Schallfolie, so eine ganz labbrige Folie, die man auf den Plattenspieler legen konnte, und da war die A-Seite "Popcorn" von Hot Butter - minimalistische Eletromusik, eine der ersten. Und auf der B-Seite war Shaft. Und zwisschen diesen beiden Dingen bewege ich mich. Ich habe ja viele Jahre Theater gemacht, Performance. Die Musikgeschichte ist relativ spät zu mir gekommen. In so einem Anflug von Größenwahn dachte ich „Ich werde jetzt Popstar!“
Sie tänzeln nicht nur zwischen Genres, sondern auch Disziplinen. Als was würden Sie sich am ehesten bezeichnen? Performer. Und meine Kulturtechnik ist „flanieren“. Ich bin früher, als ich noch viel Zeit hatte, viel rumgelaufen und habe auch große Sehnsucht danach wieder mehr durch Städte zu flanieren. Ich glaube dadurch werden die Städte zusammengehalten. Es gibt so tolle Angebote: Parks, Museen, Restaurants. Was es alles gibt wird kaum wahrgenommen, weil die Leute schnell zur Arbeit fahren. Man müsste schon viel mehr rumlaufen. Ich bin gern Flaneur. Und auch in den Disziplinen, in denen ich unterwegs bin, da bin ich vor allem stolz darauf, dass ich in sehr unterschiedlichen Feldern auftauche, wie ein Gast. Jetzt bin ich bei Arte gewesen, hab jetzt aber auch eine Sache bei Tele5 gemacht. Habe jetzt Elektropop, jazzafine Musik, Bücher und theaterähnliche Veranstaltungen gemacht. Ich bin vor allem froh, wenn ich an sehr unterschiedlichen Plätzen auftauchen kann. Dann fühl ich mich am wohlsten. Und das ist die Geste des Flaneurs. Entspannt, melancholisch, der überall rumläuft und sagt „Hier ist auch ganz schön“.
>>> The Friedrich Liechtenstein Trio mit "Schönes Boot aus Klang" am 11. November 2016, um 20 Uhr, im Mozart Saal der Alten Oper. Mehr Informationen unter www.alteoper.de.