Als ich zur Alten Oper ging, schwirrten mir noch so diverse Dinge durch den Kopf. Die Arbeit, die Politik, der Hunger in der dritten Welt. Auf dem Opernplatz stehen dutzende Polizeiwagen, die Beamten zerlegen gerade ihre Schutzuniformen, entladen ihre Waffen, packen die Schlagstöcke ein. Angela Merkel war grad da. Nun ist sie weg, was bleibt sind Uniformierte, die angeregt über "den Einsatz" schnattern. Es herrscht eine geschäftige Unruhe.
Auch im Foyer der Alten Oper ist es nicht anders. Ein bisschen Gerempel, da die Jacken abgeben, Schatz, ich geh noch mal kurz auf Toilette, welche Ebene sind wir hier eigentlich, ist ja wie aufm Flughafen hier.
Schließlich, um kurz nach 8, sitzen alle. Auftritt Annett Louisan und Band. Sie legt gleich los, keine Vorgruppe, nix da. Ihre Stimme umschmeichelt den Saal, dann die erste Begrüßung mit der leichten Aufgeregtheit und Unsicherheit in der Stimme - gut, dass sie das auch nach dutzenden von Konzerten noch nicht verloren hat. Es macht die junge Frau dann doch gleich sehr sympathisch. Ich muss hier einmal etwas über ihre Kritiker sagen: schaut Sie Euch erstmal an, sie ist eine Zauberin. Ihre Stimme deckt nicht nur ein Spektrum ab, sie ist wie die Texte stets doppelbödig und wer glaubt, sie könne nur nachdenklich, der hat diese Show noch nicht gesehen, die gestern Abend in der Alten Oper zu sehen war (und die auch heute Abend ein weiteres Mal gegeben wird). "Ach, zwei solcher Lieder hintereinander, das hält doch kein Mensch aus!", ruft sie nach einer melancholischen Ballade.
Nach der Pause kommt die Vorgruppe, sie heißt Martin Gallop und er ist ebenfalls ganz wunderbar - wenn auch leicht desillusioniert über deutsche Frauen. Und so auch die perfekte Ergänzung für Annett Louisan, die leicht desillusioniert über deutsche Männer ist. Beide singen noch ein Duett und spätestens da geht ein Zauber durch den Saal, liegt ein Lächeln auf den Gesichtern. Frau Louisan hat es geschafft - zum Schluss stehen alle auf und applaudieren und sie kommt mit ihrer stets exzellenten Band zu drei Zugaben wieder auf die Bühne. Am Ende singt sie noch dieses eine Lied, dass sie berühmt machte. "Ach, was wurde nicht alles über mich gesagt und geschrieben", sagt sie. Dann singt sie "Ich will doch nur spielen, ich tu doch nichts." Zumindest letzteres entspricht nicht ganz der Wahrheit. Annett Louisan kam, spielte und zauberte den Alltag aus den Köpfen ihrer Zuhörer. Als die nach über zwei Stunden Konzert lächelnd auf den Opernplatz taumeln sind die Polizeiwagen weg, das Getümmel verstummt, die Politik weit, weit weg.