Wasserhäuschen in Offenbach am Main vor dem Klinikum, Foto: diba/cc-by-sa
Vor 125 Jahren wurde der Wasserhäuschen-Pionier, der Frankfurter Kaufmann Adam Jöst, geboren. Doch wer hätte gedacht, dass die "Trinkhallen", an denen heutzutage teilweise schon frühmorgens die ersten Bierflaschen geköpft werden, ursprünglich von den städtischen Behörden zur Bekämpfung des um sich greifenden Alkoholismus unterstützt wurden. Wie die Wasserhäuschen wurden was sie sind, hat Silke Wustmann zusammengetragen.
Sie sind in Frankfurt eine Institution: die Wasserhäuschchen. Ein Gründervater war der am 19. März 1884 geborene Adam Jöst, der als Verkäufer bei Latscha seine Karriere begonnen hatte. Bis Anfang der siebziger Jahre gehörte ihm das Gros der Frankfurter Trinkhallen. Neben den üblichen Produkten verkaufte Jöst auch Brennstoff, Milch, Apfelsinen - und die Jöst-Cola.
Das Bier im Vorbeigehen, die Packung Zigaretten, Speckmäuse und Lakritze zum Naschen im Tütchen, das Klönen mit alten Bekannten: All das ist am guten alten Frankfurter Wasserhäuschen zu haben. Ältere Frankfurter kennen die Trinkhallen noch als "Jöst-Hüttchen" oder "Jöst-Häuschen". Die ersten von ihnen sind in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden. Noch bis Anfang der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts gehörte das Gros der Frankfurter Trinkhallen der Firma Jöst.
Adam Jöst, geboren am 19. März 1884 in Vöckelsbach im Odenwald, begann seine Karriere als Verkäufer im Frankfurter Einzelhandel. Seit 1902 war er im Kolonialwarenladen von Jakob Latscha tätig und wurde 1908 Geschäftsführer der Tochterfirma "Jöst Reform Gesellschaft", die alkoholfreie Getränke produzierte und diese auch in eigenen Trinkhallen verkaufte. Die ersten Wasserhäuschen waren in Frankfurt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden, als es endlich gelang, Mineralwasser in Flaschen abzufüllen und so zu verschließen, dass der Gasdruck erhalten blieb. Das "Bizzelwasser" wurde vom Luxusartikel zum Volksgetränk, dessen Ausschank an eigens dafür errichteten Ständen von der Stadtregierung ausdrücklich befürwortet wurde. Weil Leitungswasser, sofern es nicht abgekocht wurde, damals ein gesundheitliches Risiko darstellte, tranken die Arbeiter nämlich viel lieber Bier und Schnaps. Man erhoffte sich nun, durch die Wasserhäuschen den in der einfachen Bevölkerung um sich greifenden Alkoholismus in den Griff zu bekommen. Zunächst hatten die Gebrüder Krome aus Offenbach das Monopol inne. Sie betrieben von 1902 bis 1906 allein 15 Trinkhallen in Frankfurt.
Die Firma Jöst konnte von 1909 an und bis kurz vor dem Ersten Weltkrieg 20 Trinkhallen im Frankfurter Stadtgebiet einrichten. Aber 1914 stand die Firma aufgrund der Saisonabhängigkeit des Geschäftes kurz vor dem Bankrott. Adam Jöst übernahm daraufhin das Unternehmen in eigener Regie und erweiterte seine Palette. Um eine gleichmäßige Auslastung des Betriebs zu erreichen, gliederte er ihm eine Kohlenhandlung an. 1925 kamen Spezialläden für Wein, Spirituosen und Tabakwaren, 1929 Gaststätten, 1935 eine Süßmosterei und 1937 eine eigene Weinbrennerei und -kellerei hinzu. Doch auch diese Expansion verlief nicht reibungslos. In den 1920er Jahren machte nämlich der Einzelhandel gegen die Trinkhallen mobil, denn da diese sich nicht an die gesetzlichen Ladenöffnungszeiten halten mussten, wurden sie als existenzbedrohend empfunden. Der Frankfurter Magistrat entschloss sich daraufhin, kein städtisches Gelände mehr an Wasserhäuschenpächter zu vermieten. Doch die Jöst GmbH klagte in den Folgejahren immer wieder erfolgreich dagegen. Jösts Hauptargument war das große Bedürfnis der arbeitenden Bevölkerung nach einer günstigen Gelegenheit, den Durst zu löschen, ohne zum Besuch einer Wirtschaft gezwungen zu sein.
Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 fand in Deutschland ein radikaler Wechsel der gesellschaftlichen Werte statt. Die Wasserhäuschen, diese "unerfreulichen Kleinbauten aus Holz und Blech", wurden nun als Verschandelung des Stadtbildes empfunden und ihr proletarisches Publikum als potentielle Regimegegner. Darum begann man 1938 mit dem systematischen Abriss der Trinkhallen. Ein Jahr zuvor hatte der Frankfurter Einzelhandel erneut beim Magistrat gegen die Firma Jöst interveniert. Der Vorwurf lautete diesmal, statt jungen Menschen Erfrischungen zu verkaufen und sie so von den Kneipen fernzuhalten, habe es "der SPD-Mann Jöst verstanden, aus den Wasserbuden Verkaufsstellen von Tabakwaren und anderen Waren zu machen. Das ist ein Zustand, der im Dritten Reich nicht tragbar ist". Doch Jöst konnte trotzdem noch 1938 auf der Konstablerwache eine neue Trinkhalle eröffnen. Inzwischen war allerdings aus dem SPD-Mann der SA-Sturmführer Jöst geworden.
Nach 1945 konnte die Jöst GmbH ziemlich schnell wieder an die Goldenen Zeiten der Vorkriegszeit anknüpfen. Im Zuge des allgemeinen Wiederaufbaus bekam sie von der Stadt die Auflage, neu zu errichtende Trinkhallen mit allgemeinnützlichen Funktionen wie öffentlichen Bedürfnisanstalten oder Wartehallen für Bus und Bahn auszustatten. Diese Bedingung konnte ein großes Unternehmen leicht erfüllen, kleineren fehlten dazu die Mittel - und schon war Adam Jöst wieder ein gemachter Mann. Jöst baute nun eine Vertriebskette auf, um seine Trinkhallen neben den bislang üblichen Produkten auch mit Brennstoff, Milch und Apfelsinen zu versorgen. Es entstanden eigene Marken, unter denen die "Jöst-Cola" die berühmteste war. Von der Zentrale im 1940 erworbenen Gutleuthof starteten firmeneigene Lieferwagen, mit denen Wein aus Frankreich importiert wurde. Mehrere Frankfurter Weinlokale rundeten das Unternehmen in seiner Blütezeit ab.
Adam Jöst erhielt 1960 das Bundesverdienstkreuz am Band. Er starb am 26. Mai 1962 in Frankfurt am Main. 1971 verkaufte die Jöst GmbH den Gutleuthof und alle Trinkhallen. Die meisten erwarb die Henninger-Brauerei, einige schlossen oder wurden von den Betreibern gekauft.