Schirn Kunsthalle: Ugo Rondinone

Der Raum-Poet

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Die Schirn Kunsthalle Frankfurt widmet Ugo Rondinone die erste große Überblicksausstellung in Deutschland. In seinen Werken verleiht der Schweizer Künstler alltäglichen Dingen und Phänomenen eine poetische Dimension.

Jasmin Schülke /

Von Weitem leuchtet der Regenbogen auf dem Rotundendach der Schirn. Lustig sieht das aus, wie er über der Altstadt zu schweben scheint. Regenbogen haben ja seit biblischer Zeit etwas durch und durch Hoffnungsvolles. Sie stehen dafür, dass am Ende alles gut wird, so wie bei Noah und seiner Arche nach der großen Flut. Der Regenbogen besteht aus den beiden geschwungenen Wörtern „life time“. Diese Leuchtbuchstaben sind titelgebend für die Ausstellung und wurden eigens für sie produziert. Die Arbeit zählt zu Ugo Rondinones Werkgruppe „rainbow“, die – so wünscht es sich der Künstler – mit den poetischen Wortkombinationen so viele Menschen wie möglich erreichen soll. Die Regenbögen behandeln Themen wie Tag und Nacht, Homosexualität, Freiheit und Toleranz. In der Rotunde ist eine weitere Arbeit zu sehen, die allerdings im Gegensatz zum Regenbogen nicht schwebt, aber trotzdem wie ein transzendentales Statement wirkt: Die sechs Meter hohe Skulptur „flower moon“ ist ein weiß-emaillierter Aluminiumabdruck eines 2000 Jahre alten Olivenbaums – ein biblisches Alter, das aber im Kontext des Universums unbedeutend gering erscheint.

Ugo Rondinone wurde 1964 im schweizerischen Brunnen geboren und lebt seit 1998 in New York. Sein Studio hat er in einer ehemaligen Kirche, wo er auch wohnt. Für Schirn-Direktor Philipp Demandt ist die Ausstellung, die bereits im vergangenen Jahr stattfinden sollte, eine Herzensangelegenheit: „Das Schaffen Ugo Rondinones verfolge ich seit vielen Jahren mit großer Begeisterung. Umso glücklicher bin ich, dass der Künstler unserer Einladung gefolgt ist, seine erste große Überblicksausstellung in Deutschland in der Schirn zu präsentieren.“ Es ist die letzte Rede, die der scheidende Direktor in der Schirn hält. Ab 1. Juli wird Sebastian Baden die Leitung übernehmen.

Der Gang durch die Ausstellung ist ein Übergang von der Nacht in den Tag. Der erste und dunkelste Raum zeigt Sternenbilder, die Rondinone mithilfe von Sand und Steinen geschaffen hat. Im nächsten Raum ist die eigens für die Schirn konzipierte Arbeit „curved standing landscape with entry door“ zu sehen. Im Raum verteilt sind lebensgroße, gesichtslose Figuren. Sie sind anonym, scheinbar teilnahmslos und trotzdem präsent. Es ist beeindruckend, wie Ugo Rondinones Arbeiten Räume verändern, wie sie andere Räume schaffen. Der Weg zum Raum mit den Filminstallationen ist dunkel: Zwölf Filmsequenzen sind in einer Endlosschleife zu sehen. Eine Frau betritt unablässig einen dunklen Raum, ein Mann bewegt einen Vorhang hin und her. Es gibt keinen weiteren Kontext. Im letzten Raum herrscht gleißendes Licht. Überdimensionale Mandalas hängen an den Wänden. Rondinone hat 1992 begonnen, die kreisrunden Bilder zu malen. Sie scheinen zu rotieren. An der Decke hängt die Schneemaschine „thank you silence“, aus der ruhig und leise weißer Papierschnee zu Boden fällt. Die Papierschnipsel werden nachts immer wieder in die Maschine gefüllt, damit der Kreislauf am nächsten Morgen von Neuem beginnen kann. Nacht und Tag, Anfang und Ende und über all dem leuchtet der Regenbogen.

Ugo Rondinone: „Life time“, Schirn Kunsthalle, Römerberg, bis 18. September, Di/Fr–So 10–19, Mi/Do 10–22 Uhr, www.schirn.de

Jasmin Schülke
Jasmin Schülke
Studium der Publizistik und Kunstgeschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit Oktober 2021 Chefredakteurin beim Journal Frankfurt.
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