Manchmal geschehen Dinge, die sich kaum fassen lassen. Aber der Reihe nach. Herr H. ist 45 Jahre alt und Architekt; ein blonder Mann in gepflegtem Anzug, der den Eindruck macht, als sei er es gewohnt, dass man auf ihn hört. Herr H. soll am Flughafen einem Angestellten der Fraport, der Herrn H.s zwecks Entladung verkehrswidrig abgestellten Mercedes aufschreiben wollte, dessen Lesegerät vor die Brust gestoßen haben. Der Parkwächter soll sich dabei nicht nur eine Thoraxprellung zugezogen haben, sondern seitdem auch noch an einer posttraumatischen Belastungsstörung leiden. Herr H. räumt durchaus ein, Herrn D., den Geschädigten, beziehungsweise dessen Kontrollgerät mit einem seiner Gepäckstücke berührt zu haben, als er ihn zur Rede stellen wollte. Allerdings versehentlich. Und vor allem auf eine Art und Weise, wie es niemals zu einer Verletzung hätte kommen können. Zudem habe ihn Herr D. äußerst aggressiv angesprochen. Dessen Auftritt ist denkwürdig: Er ist hochgradig nervös, spricht schleppend und leise. Gleich sieben Atteste hat er vorgelegt; seit dem Vorfall ist er in logopädischer Behandlung und nimmt Antidepressiva. Ein Schlag habe ihn getroffen, sagt er, mit letzter Kraft habe er noch einen Zeugen ansprechen können, dann sei er zusammengesackt. Wohlgemerkt: Wir sprechen über eine nicht allzu heftige Berührung mit einem Plastikgerät. Herr H. schüttelt auf der Anklagebank nur noch den Kopf. Auch der Richter zeigt sich erstaunt. Besagter Zeuge ist eigens aus dem Schwarzwald angereist. Er sagt felsenfest aus: „Das war Absicht.“ Mit seinem Handgepäck habe Herr H. gegen das Gerät geschlagen, und das nach einer kurzen Auseinandersetzung. Herr H. wird schließlich wegen Körperverletzung zu 15 Tagessätzen à 100 Euro verurteilt. Eine Lappalie, könnte man denken. Doch die Fraport hat sich bereits bei Herrn H. gemeldet – es geht um die Lohnfortzahlung ihres schwer getroffenen Mitarbeiters und um Schadensersatz. Das kann noch teuer werden.Christoph Schröder