Musikszene Frankfurt: 4 x Solo

Ganz ohne Rückendeckung

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4 x Solo – beim „Musikszene Frankfurt“-Konzert in der Stadtbücherei am Donnerstag demonstrieren die vier Top-Solisten Tony Clark, Luca Dechert, Vassily Dück und Gernot Dechert, dass sie keine Bandbegleitung brauchen.

Detlef Kinsler /

Mit 15 galt er als große Gitarrenhoffnung. „Ich habe Heavy Metal gespielt, tourte Deutschland auf und ab“, erinnert sich Tony Clark an seine Anfänge. Mit 19 studierte er dann an der Florida State University Komposition. „Mich hat alles gelangweilt hat und ich wollte nicht zum Jazzer degenerieren.“ Eines Tages stand ein Japaner im Seminarraum und spielte Shakuhachi. „Das klang vollkommen anders als alles was ich kannte und hat mich vollkommen umgehauen“, schwärmt Clark noch heute. Die Bambusflöte wurde im 17. Jahrhundert das Instrument zenbuddhistischer Mönche. Aber wer damit allein Musik zum Meditieren assoziiert, wird sich wundern, welche Klänge man der Shakuhachi per Zirkuläratmung entlocken kann. „Eine an sich schöne, romantische, wehmütige Melodie kann, auf 13 Minuten gedehnt, vollkommen zerstört werden mit kleinen Ausbrüchen“, entdeckte Clark schnell eine auch aggressive männlichen Komponente in der Interpretation. „Das fand ich cool“ Dabei hatte er Jimi Hendrix und „Star Sprangled Banner“ im Kopf. Mit viel Respekt vor der Tradition erfuhr Clark die Shakuhachi auch im Kontext zeitgenössischer Musik und Jazzimprovisation ganz anders. Zwischen Volkslied und Experiment hat Clark längst eine eigene Definition seines Instruments gefunden.

Für Luca Dechert war „das Rhythmische immer ein Teil von mir.“ Die Blockflöte hatte also keine Chance. „Ich habe mit zwei Ästen auf der Keksdose getrommelt“, lacht er. Mit drei bekam er von seinen Eltern ein richtiges Kinderschlagzeug geschenkt. „Ich habe mich drangesetzt und es hat wohl von Anfang an ganz gut geklappt.“ Während also seine Schulfreunde Lego und der Playstation erlagen, orientierte er sich an Roy Hammer und den Rodgau Monotones. „Bei mir waren es immer die Leute in meiner Nähe mit denen ich auch sprechen konnte, die Vorbildfunktion hatten, nicht etwa Roger Taylor von Queen oder so“, betont er. Beim „Stoffel“ stand er mit anderen Youngster auf der Bühne und rockte zur Verzückung auch älterer Semester AC/DC. Und er marschierte mit beim Mobilen Einsatzkommando (M.E.K.), der Marching Band seines Vaters. Bald folgte eine erste eigene Band, auch das Landesjugendjazz Orchester. „Mir hat es lange gereicht, dass ich viel gespielt habe“, sagt der Autodidakt. Aber dann wurde sein Ehrgeiz angestachelt. Jetzt studiert er am Institut für Musik an der Hochschule Osnabrück. „Ich habe da für Jazz vorgespielt, das war aber nicht mein Ding. Im Popbereich ist alles offener.“ Mit Projekten von Singer/Songwriter bis Hip-Hop.

Wie könnte man etwas widerstehen, das einen so fröhlich klingenden Namen hat: Garmoschka. So heißt ein kleines russisches Knopfakkordeon, eines der vielen Instrumente, das der Opa von Vassily Dück im fernen Sibirien besaß. „Ich bin ihr wohl gleich verfallen“, ist Dück die Szene noch gegenwärtig. Das war er 5. „Im Kindergarten habe ich dann erste kleine Stücke zum Besten gegeben.“ Sein Weg führte ihn von der Musikschule zur Musikfachschule, schließlich ans Konservatorium in Novosibirsk. Auf traditionelle Musik und volkstümliche russische Weisen folgten Bach, Mozart, Vivaldi und zeitgenössische Musik. Bevor er nach Deutschland ging, besuchte er noch mal einen alten Lehrer. „Der spielte mir schlecht kopierte Videos von Astor Piazzolla vor. Wow, das war eine ganz andere Dimension“, konnte sich Dück neue Ziele setzen. Hier tauchte er tiefer und tiefer in die französische Musette und den Tango ein, gewann mit dem Quartett Mi Loco Tango Preise, arbeitete an verschiedenen Theatern, entdeckte die Weltmusik. Mit seinem Bajan tut er alles dafür, das unterschätzte Instrument vom Klischee der Quetschkommode zu befreien. „Das Akkordeon hat eine Seele, zudem steht es für große Ingenieurskunst, ist eine Supermaschine.“

In wie viel unterschiedlichen Bandformaten hat Gernot Dechert schon mit seinem Saxophon überzeugt, sich zwischen Soul, Funk und Jazz positioniert oder sporadisch auch mit den Rodgau Monotones gerockt. In seinem aktuellen Quartett Double Bass, in dem auch Sohn Luca dabei ist, testet er erfolgreich eine Besetzung mit zwei Bässen. Seine ganz neue Leidenschaft heißt Saxophon solo + Loop Station. „Solo gibt es zwei Grundentwürfe“, erklärt Dechert und vergegenwärtig sich ein Solokonzert des legendären US-Tenoristen Michael Brecker beim Deutschen Jazzfestival 2002. „Eine Dreiviertelstunde allein zu spielen, da brauchst du nicht nur so einen guten Namen, sondern auch das Können, am Limit dessen zu agieren, was möglich ist ohne dass es in Effekthascherei ausartet.“ Die andere Option hat der Frankfurter für sich gewählt. Ausgerechnet ein Trompeter dient da als Rôle Model, der Norweger Nils Petter Molvær. Jazz goes Electronic. „ Vor allem dieses Soundscapehafte hat mich gereizt“, favorisiert Dechert durchaus clubbige Ansätze. Mit dem Looper, den ihn seine Familie zu Weihnachten schenkte, kann er nun in Echtzeit mit sich selber spielen, sein monophones Instrument als wahrer Klangforscher polyhonieren, es rhythmisch, harmonisch und melodisch parallel einsetzen.

>> Musikszene Frankfurt, Ffm: Stadtbücherei, Hasengasse 4, 12.5., 20 Uhr, Eintritt frei, mit freundlicher Unterstützung der Performance Studios

Mehr über die Musiker finden Sie unter hier


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