Mulatus Ethio Jazz im Sinkkasten

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Detlef Kinsler /

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Keine Frage: beim Korrigieren der Konzertankündigungen zum ersten Konzert der neuen Reihe „Jan Hagenkötter & Michael Rütten present“ im Frankfurter Sinkkasten sind ganz sicher einige über das Wörtchen „Ethio Jazz“ gestolpert und hätten ganz automatisch Ethno Jazz daraus gemacht. Böse Falle. Denn Mulatu Astatke (www.inspiration-information-3.com/), Stargast des ersten Abends, kommt aus Äthiopien und gilt als Erfinder des äthiopischen Jazz, Ethio Jazz eben. Das dazu. Welchen großen Zulauf der Sinkkasten bei diesem Konzert erfuhr, war schön zu beobachten. Denn diese Adresse in der Brönnerstraße (wenn auch der Eingang früher in der Stiftstraße war) war vor Sinkkasten- und Zoom-Zeiten (der Lasterhölle der Siebziger) mit der Storyville schon eine große Jazzadresse in Frankfurt.

Dass zum Konzert von Hagenkötter und Rütten, „live/club“ genannt, auch das Auflegen vor und nach dem Konzert gehört, versteht sich bei den beiden befreundeten DJs von selber. Dass ausgerechnet Fela Kuti lief, als wir in den Club kamen, war lustig, schließlich hatten wir gerade vorher diskutiert, in wieweit dessen Drummer Tony Allen den Stil von Nachttierhaus-Schlagzeuger Bertram Ritter beeinflusst haben könnte. It’s all connected, isn’t it. Auf der Bühne zunächst Astatkes aktuelle Begleiter, The Heliocentrics (www.myspace.com/heliocentrics), acht höchst unterschiedliche, recht auffällige Typen, irgendwie verschrobenen, strange, aber auch musikalisch und nicht nur als Typ jeder eine Klasse für sich. Und mit einem tollen Instrumentarium (nichts ist langweiliger als ein mit Saxophonen, Trompete und Posaune „normal“ besetzter Bläsersatz). James Arben und Neil Yates haben auch Baritonsax, Oboe und Flügelhorn (oft stark verfremdet und gedoppelt/vermehrfacht), was im Zusammenspiel mit Dreadlock-Cellist Danny Keane und der Flöte von Percussionist Jack Yglesias wunderbarere Klangkombinationen ergibt, gebackt von Kontra- und E-Bass (Jake Ferguson, sehr satt), Drums (Malcolm Catto, sehr speziell), Gitarre (Adey Owusu) und Keyboards (Ollie Partfitt) inkl. altem Moog Synthesizer.

Schon das Intro (oder war’s doch nur das Stimmen, das dann aber nahtlos ins erste Stück überging...) klang beim Oktett eher nach großem Sinfonieorchester und von der klanglichen Anmutung eines fast kammermusikalischen, allerdings megagroovenden Jazz musste ich (falls die noch jemand kennt) an die britische Jazz-Rock-Avantgarde der Siebziger rund um Pianist Keith Tippett denken. mulatu_03_kinsler-hochDann der Meister selbst, Mulatu Astatke, 66 und eine Erscheinung wie etwa der Anwalt oder Frauenarzt Ihres Vertrauens, oder wie einst Pianist Ruben Gonzales beim Buena Vista Social Club. Sofort kam Bewegung ins Publikum vor der Bühne. Klar im Vorteil war die fast vollständig angetretene äthiopische Community Frankfurts, denn die erkannte auf Anhieb die Motive alte heimische Volkslieder, die in den Kompositionen ihren Platz halten. Und Musikethnologen mögen auch die Ethiopian five-tone scales sofort wahrgenommen haben. Wir anderen waren da außen vor, was den Genuss – vor allem direkt vor der Bühne – nicht minderte. Das war schon was ganz Spezielles, vor allem das dritte Stück des Abends, eine Suite, die Fans von Jim Jarmusch aus dessen Film „Broken Flowers“ kennen. mulatu_01_kinsler-1-hochUnd das Astatke, erster afrikanischer Student am Berklee College of Music, auch lateinamerikanische Musik neben westlichem jazz „studierte“, hört man aus seinen Kompositionen heraus, deren Fusionstil seit den Sechzigern nichts an Reiz und Besonderheit verloren haben.

Am Abend selbst, längst nicht mehr ganz vorn dabei, verlor die Musik ein wenig mit Fortdauer des Konzertes, wiederholte sich vieles, was dann den Kollegen K. dazu veranlasste, von „kreiselndem Trance-Jazz für Einsteiger“ zu sprechen.

Text/Foto: Detlef Kinsler


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