Le Pop - Les Filles im Nachtleben

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Detlef Kinsler /

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Wie gut, dass wir im Unterricht nur „Asterix“ gelesen und uns unser etwas schräger Lehrer Herr Haas ansonsten nur von seinem (jungen) Revoluzzersohn erzählte. Sonst wäre ich heute nach sechs Jahren Schulfranzösisch zumindest halbwegs in der Lage, Songtexten zu folgen. Aber das hätte im Fall der beiden Damen, von denen gleich die Rede sein wir (und das unterstelle ich jetzt einfach mal) auch bedeuten können, dass ich hier ganze Abhandlungen auch über die Abgründe menschlicher Seelen hätte schreiben müssen. Oder wahlweise auch über die Poesie der Liebe, wenn sie dann im Idealfall mal wirklich funktioniert. Aber das bleibt uns allen jetzt erspart.

Le Pop - Les Filles ist auf Tour und die engagierten Labelmacher und Frankreich-Verrückten haben uns diesmal zwei Töchter gegönnt: Marianne Dissard und Francoiz Breut. Die beiden kennen sich seit sechs Jahren, sind aber das erste Mal gemeinsam auf Tour. Die eine, Marianne, hat es schon sehr früh nach Tuscon, Arizon verschlagen. Françoiz lebt jetzt im Vergleich zu Paris beschaulicheren Brüssel, „auch der Liebe wegen“, wie Marianne verrät. Breut gilt längst als Ikone des Nouvelle Chansons, Dissard griff als Solistin erst letztes Jahr mit dem Album „L'entredeux" ins Geschehen ein. Das hat Joey Burns produziert. Auch Breut hat Calexico als Freunde und Kollaborateure. Von daher ist klar: das längst auch schon zum Klischee gewordene Nouvelle Chanson haben bei hinter sich gelassen. Sie präsentieren sich très individuelle.

Beide Frauen vertrauen der kleinen Trioform. Gesang zu Gitarre und Schlagzeug meist. Beide singen – auch wenn ein Hauch von „Americana“ die Songs durchweht, Folk, Country und Twang ins Spiel kommen – französisch. Ausnahme bei Marianne ausgerechnet ein Edith Piaf-Chanson, das sie englisch beginnt. Beide leisten sich den Luxus eines „Exoten“ im Instrumentarium. Dissard spielt singende Säge, Breut Melodica. Dissard wirkt konzentierter, fokussierter. Vielleicht leidet sie auch ein wenig an Jetlag, denn ihr Bett-Auftritt vor ca. einem halben Jahr wirkte ausgeschlafener und spontaner zugleich. „Ein sehr spezieller Abend“ erinnert sie sich. Aber sie lockert ihr Set begleitet von ihren Youngster, knapp unter und über 20, mit Anekdoten auf. „Auf der Fahrt von Stuttgart nach Frankfurt wollten wir in einem alten Städtchen essen gehen. Da gab es solche Häuser....“, formt sie mit den Händen ein Dreieck. „Fachwerkhäuser“, kommt ein Zwischenruf. „Genau das wird’s gewesen sein“, meint Marianne ohne zu wissen, was das wirklich ist. „Aber alle Gaststätten hatten zu. Dabei wollten wir typisch deutsches Essen probieren. Also gab es nur Hamburger und French Fries.“ Ein Stöhnen des Bedauerns aus dem Publikum. „Nein, nein – das war echt ok....“

Françoiz Breut hat Marianne Dissard ein paar Platten voraus, hat sích zunächst Songs schreiben lassen, von Dominique A oder Herman Düne. Gut möglich, dass deshalb ihr Programm diverser und facettenreicher daher kommt. Auch der Einsatz eines Banjos zu Beginn schafft Stimmung. Breut ist der sicher etwas „schrillere“ Charakter mit den überraschenderen Einfällen. So hat sie zu ihren Füßen einen kleinen Schallplattenspieler stehen, daneben ein Kollektion höchst skurriler Vinylscheiben, die sie – nicht inflationär, eher wohl dosiert – einsetzt: als analogen Orchestersample (wobei sie die Geschwindigkeit und somit die Tonhähen manipuliert), mit Naturgeräuschen oder einen Deutsch-Sprachkurs des Institut Suisse pou l’enseignement des langes, hier Das Alphabet. Ein wunderbarer Einfall. Schade, dass diese beiden Ausnahme-Talente nicht einen Song gemeinsam zum Besten gaben. „Das machen wir nur im Tourbus“, lacht Marianne. Schade eigentlich.

Fotos: Detlef Kinsler


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